Millerntor-Ausbau und die Hintergründe: Wie weit St. Paulis Pläne wirklich sind
Der FC St. Pauli stellt die Weichen in Richtung Zukunft und geht in die Vollen. Erstklassig bleiben, besser werden – und wachsen. Der Kiezklub treibt jetzt auch ganz offiziell die Planungen für ein neues Millerntorstadion voran. Dabei gilt: nicht kleckern, sondern klotzen. St. Pauli denkt groß. Bei der Mitgliederversammlung setzte Präsident Oke Göttlich ein entsprechendes Signal und erntete viel Applaus. Nach der Veranstaltung äußerte er sich in kleiner Runde ausführlich. Auch der Finanzchef gab Einblick. Die MOPO war dabei. Wie weit sind die braun-weißen Pläne wirklich? Ausbau oder Neubau? Was sind die nächsten Schritte?
Eines ist klar: es wird ein Mammutprojekt. Komplex, auch kompliziert. Und es ist ein elementarer Teil des Klassenkampfes, den St. Pauli als einer der wenigen mitgliedergeführten Vereine im Profi-Fußball längst nicht nur auf dem Rasen mit Beinen kämpft, sondern auch mit Steinen. Das Stadion soll erweitert werden. Nach Meinung der Verantwortlichen des FC St. Pauli: muss. Eine Notwendigkeit.
Göttlich: „Ziel ist ein Millerntor für 40.000 bis 50.000“
Es gehe um nichts weniger als die „infrastrukturelle Zukunft des Vereins“, hatte Göttlich bei seiner Rede auf der Mitgliederversammlung betont, „und zu dieser Zukunft gehört auch unser Stadion“.

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Das Millerntor ist immer ausverkauft, was gut ist, aber auch ein Problem, denn die knapp 30.000 Plätze liegen weit unter der Ticketnachfrage – und das im fünfstelligen Bereich. Ganz zu schweigen davon, dass die Zahl der Mitglieder auf die Marke von 55.000 zusteuert.
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Als „gläserne Decke“ des Vereins bezeichnet der Präsident das Stadion deshalb immer wieder, weil in diesem Bereich auch wirtschaftliches Wachstum kaum möglich ist, wenn der Klub nicht deutlich die Preise erhöht, was er nicht will.

„Unser Ziel ist ein Millerntor mit 40.000 bis 50.000 Plätzen“, verkündete Göttlich den gut 1000 anwesenden Mitgliedern, die diese Aussage mit viel Applaus quittierten. „Das wäre eine Größe, mit der wir realistischer die Ambition in einem wachsenden Wettbewerb oberhalb der Top 25 Klubs in Deutschland vertreten können.“
Hamburger Olympiabewerbung schiebt Stadion-Pläne an
Entscheidend für den Schwung der Ausbaupläne: die Olympiabewerbung der Stadt Hamburg, die eindeutig der Treiber für das Vorhaben sei, wie Göttlich erklärt. „Das muss man ganz ehrlich sagen. Ohne eine Bewegung der Sportstadt Hamburg, sich um Olympische Spiele zu bemühen und damit auch für die infrastrukturelle Bewegung in der ganzen Stadt zu sorgen, hätten wir das Thema nicht unmittelbar aus uns selbst heraus angefasst.“ Nur aufgrund der Hamburger Olympia-Pläne habe St. Pauli die Gespräche über einen Stadionausbau „aufnehmen können und dürfen“.
Wichtig für den Kiezklub sei – und das ist neu, dass die Zusage der Stadt „unabhängig vom Erfolg einer Bewerbung und Vergabe der Spiele“ gilt, „unseren erfolgreichen Weg zu unterstützen, eine Erweiterung des Millerntors gemeinsam anzugehen“, so Göttlich. Der Verein freue sich über die „Unterstützung bei der Planung, Genehmigung und Finanzierung dieses Generationsvorhabens“.
Engelbracht spürt „Rückenwind“ für Millerntor-Ausbau
Vorausgegangen war das offiziell von der Stadt erklärte Vorhaben, im Volkspark eine neue Arena – und mögliches Olympiastadion – zu errichten, die dann der HSV nutzt, weshalb St. Pauli im Sinne der Gleichberechtigung eigene Ansprüche anmeldete, erfolgreich, vorerst zumindest.

„Wir spüren, dass die Stadt ganz klar sagt, dass sie die zwei Profifußballvereine gleichbehandeln will und muss“, sagt St. Paulis Geschäftsleiter Wirtschaft, Wilken Engelbracht. Das gebe dem Kiezklub, der die eigenen „Notwendigkeiten“ in den ersten Gesprächen mit der Stadt definiert habe, „deutlichen Rückenwind“.
Kein Gegenwind der St. Pauli-Mitglieder gegen Olympia
Die Notwendigkeit und Chance haben auch die Mitglieder des FC St. Pauli erkannt. Nach MOPO-Informationen hat die Vereinsspitze auf Info-Veranstaltungen im Vorfeld der Mitgliederversammlung ausführlich dargelegt, wie wichtig der Stadion-Ausbau für den Verein ist, und dass dieser ohne die Unterstützung der Stadt und insbesondere mit der Dynamik der Olympia-Bewerbung nicht in der erforderlichen Größenordnung umsetzbar ist. Ein kluger Schachzug.
Obwohl Teile der Mitgliedschaft das Thema Olympia traditionell kritisch sehen, wurde auf der Mitgliederversammlung kein Antrag zur Abstimmung gestellt, dass sich der Verein öffentlich (und damit unweigerlich öffentlichkeits-wirksam) gegen die Bewerbung positionieren soll. Das war vor der vorangegangenen Bewerbung der Hansestadt für die Sommerspiele 2024 noch ganz anders gewesen. Jetzt profitiert auch die Stadt davon, dass es keinen braun-weißen Protest und damit Negativ-Schlagzeilen für das Olympia-Projekt gibt, was für das Referendum am 31. Mai 2026 eine zusätzliche Hürde dargestellt hätte.
So geht es jetzt mit dem Stadion-Projekt weiter
Die nächsten Schritte beim Stadion-Plan: Modelle und Ideen auf Durchführbarkeit prüfen und Gutachten erstellen. Das werde „in den nächsten sechs bis zwölf Monaten Schritt für Schritt erarbeitet und dann sind wir vielleicht so weit, dass wir etwas konkreter sind und wissen, wann wie was umgesetzt werden kann“.
Da ein innerstädtisches Stadion eine besondere Herausforderung darstellt, sind neben der Hamburger Senatskanzlei auch die Verkehrs-, die Wirtschafts- und die Sportbehörde sowie der Bezirk, die Nachbarschaft, die Fans und Mitglieder sowie einige der Arbeitsgemeinschaften im Verein wie die „AG Stadion“ einzubeziehen, so Göttlich, der von einer „holistischen Planung“ spricht, also einer ganzheitlichen.
Warum St. Pauli mindestens 10.000 Plätze mehr braucht
Klar ist: Bei einem Vorhaben, ein Millerntor für 40.000 bis 50.000 zu schaffen, wird es nicht reichen, die noch drei offenen Ecken der aktuellen Arena zuzubauen, was insgesamt wohl zwischen 3000 und maximal 4000 Plätze brächte, aber dafür unverhältnismäßig teuer würde. Das heißt jedoch nicht, dass der Verein nicht doch alle vier Tribünen baulich verbindet.
Die von Göttlich genannte Ziel-Kapazität ist keine reine Wunschzahl, sondern ergibt sich aus dem allgemein hohen Karten-Bedarf, dem der Verein nicht annähernd nachkommen kann, wie Engelbracht auf MOPO-Nachfrage erklärt. „45.000, vielleicht ein bisschen mehr, sind Zahlen, die aufgrund von Erfahrungswerten belastbar sind.“ Das ergebe sich aus den Anfragen für Dauerkarten, Tageskarten sowie Tickets für den Gästebereich des Stadions, das seit Jahren regelmäßig ausverkauft ist – und schlicht zu klein. Insbesondere, um in relevantem Maße neue Fans zu gewinnen, die nächste Generation der Stadiongänger.
Ausbau von Gegengerade und Nordtribüne wahrscheinlich
Sollte ein Ausbau die Lösung sein, wäre aufgrund der baulichen Struktur und des unmittelbaren Stadionumfelds nur bei der Gegengerade und Nordtribüne eine entsprechende Kapazitätssteigerung möglich, aber nicht ohne Herausforderungen, weil an die Gegengerade das Heiligengeistfeld grenzt, unmittelbar hinter der Nordtribüne wiederum zwei Kunstrasenplätze liegen.
Überbauung ist das Stichwort, was aber einfacher klingt, als es umsetzbar ist. Das liegt unter anderem daran, dass unter der Gegengerade der U-Bahn-Tunnel der Linie U3 entlang führt. Eine größere Gegengerade würde besondere statische Maßnahmen erfordern. Machbar, aber kostenintensiv. Bei einer deutlichen Vergrößerung der Nordtribüne müssten für die zumindest teilweise zu überbauenden Trainingsplätze andere Standorte gefunden werden. Der Mangel an Sportflächen ist in der Hansestadt ohnehin ein Problem. Aber auch hier gilt: Durch die Olympia-Bewerbung ist Bewegung in das Thema gekommen, wovon auch St. Pauli und gerade auch der braun-weiße Breitensport profitieren könnte.
Kiezklub ist auf viel Kooperation der Stadt angewiesen
Das sind nur einige Beispiele für die Herausforderungen bei einer erheblichen Millerntor-Vergrößerung und es ist kein Zufall, dass die Verantwortlichen des FC St. Pauli noch nicht konkret über Modelle, Optionen oder Szenarien sprechen, weil dies umgehend für Widerspruch von diversen Interessengruppen sorgen könnte. Der Verein ist daran interessiert, dass in Lösungen gedacht wird und nicht in Problemen und möchte auch deshalb möglichst lange hinter den Kulissen daran arbeiten.
St. Pauli ist beim Stadion-Projekt auf die Stadt angewiesen, weshalb die erklärte Unterstützung als Meilenstein zu betrachten ist. Nicht zuletzt, weil auch Themen wie Lärmschutz, Verkehrsführung oder Parkplatzsituation unweigerlich auf die Agenda kommen werden.
Göttlich betont: „Wir wollen an dem Standort bleiben.“
Der Kiezklub will sich in dieser Phase möglichst viele Optionen offenhalten. Auch deshalb entgegnet Göttlich auf die Frage, ob neben einem Ausbau auch ein kompletter Neubau, möglicherweise an einem anderen Standort in Erwägung gezogen wird: „Es ist noch viel zu früh, diese Frage zu beantworten“. Aber wenn er sich zum jetzigen Zeitpunkt festlegen müsste, dann gelte: „Wir wollen an dem Standort bleiben.“ Das ist auch tatsächlich und wenig verwunderlich der Wunsch und auch das Ziel.
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Die Frage ist jetzt nicht mehr, ob St. Pauli sein Stadion aus- oder neu baut, sondern wann und wie. „Mittelfristig und langfristig muss dieser Verein mehr Menschen und auch der jungen Generation die Möglichkeit geben können, das Stadionerlebnis mitzuerleben“, stellt Wilken Engelbracht klar.
Zeitplan: Ausbau kann erst ab 2030 beginnen
Der Zeitplan für das Millerntor-Projekt? „Das ist eine hochkomplexe Frage, auf die wir heute ehrlicherweise noch keine Antwort haben“, räumt der Finanzchef ein. „Wenn es zu einem Ausbau kommt“, so Engelbracht, könnte dieser frühestens in „fünf, sechs, sieben Jahren beginnen“. Zuvor habe der Verein „noch ganz viele Hausaufgaben, ganz viele offene Fragen, die wir jetzt erst mal zeitnah klären müssen.“
ich der Werbevereinbarung zu.
Laut Göttlich ist der FC St. Pauli in der Stadion-Frage „gerade mal die ersten Meter eines Marathons gelaufen“. Wer schon einmal einen Marathon gelaufen ist, weiß: Ein guter Start ist wichtig, es gilt, nicht zu schnell anzugehen, sondern einen Rhythmus zu finden und bei allem Adrenalin einen kühlen Kopf für eine gute Renneinteilung zu bewahren.
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Der Kiezklub hat einige Großprojekte am Laufen. Die sportliche Etablierung in der Bundesliga, der Ausbau des Trainingsgeländes an der Kollaustraße. „Die Erweiterung des Stadions gehört innerhalb der kommenden 15 Jahre auf jeden Fall dazu“, stellt Göttlich klar. Heißt: Spätestens 2040 will der FC St. Pauli in einem Maxi-Millerntor kicken.
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