„Ist mir scheißegal!“ St. Pauli vergurkt Finale, aber feiert „sensationelle“ Saison
Es ist eine teuflische Theorie, aber vielleicht haben sich die Spieler des FC St. Pauli im Saisonfinale auf dem Rasen einiges an Energie aufgespart, um dann noch ausreichend Körner für die verdiente Feier des noch verdienteren Klassenerhaltes mit den Familien und Fans zu haben. Das wäre zumindest eine schöne Erklärung für die schlechte Leistung gegen Bochum. Mit 0:2 (0:1) verloren die Kiezkicker die Partie gegen den Absteiger am Millerntor. Das sorgte kurzzeitig für Frust, der jedoch schnell wieder der Freude darüber wich, auch in der kommenden Saison erstklassig zu sein.
Gemischte Gefühle auf dem Rasen und auch auf dem Weg in der Kabine. „Sehr, sehr sauer“ war Abwehrchef Hauke Wahl über die Leistung der Hausherren gegen den schon vor Anpfiff als Absteiger feststehenden Tabellenletzten. „Man kann ja ein Spiel verlieren, aber wie wir heute gespielt haben, das war schon sehr schlecht.“ Andererseits war er mächtig stolz auf den Klassenerhalt. „Unfassbar, unfassbar“, sei die Leistung des Aufsteigers über die gesamte Saison gewesen, lobte der Routinier. Die wolle er feiern, sagte er nach fast zehn Minuten in der Mixed Zone. „Jetzt will ich ein Bier trinken.“
Vasilj: „Wir müssen uns bei unseren Fans entschuldigen“
Torwart Nikola Vasilj, der nach seiner verbüßten Gelb-Rot-Sperre wieder zwischen den Pfosten gestanden hatte, war auch zunächst noch nicht in Party-Laune. „Wir müssen uns bei unseren Fans entschuldigen, die heute und auch die ganze Saison über großartig waren und uns fantastisch unterstützt haben.“ Aber auch der in dieser Saison zu einem Top-Keeper avancierte Vasilj betonte im gleichen Atemzug: „Das Wichtigste ist, dass wir in der Liga bleiben.“ Stürmer Johannes Eggestein betonte: „Was die Mannschaft insgesamt dieses Jahr geleistet hat, war sensationell.“

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Die nackten Zahlen: Der FC St. Pauli beendet seine Comeback-Saison im Oberhaus auf Tabellenplatz 14 mit 32 Punkten und 28:41 Toren. Die geringe Anzahl der Gegentore ist für einen Liganeuling überragend und der zweibeste Wert der Liga nach Meister Bayern, die Zahl der geschossenen Tore der schlechteste Wert. Dennoch sind die Braun-Weißen absolut verdient drin geblieben.
St. Pauli-Trainer Blessin: „Haben vieles vermissen lassen“
Der Spannungsabfall bei den schon im Trikot der kommenden Saison spielenden „Boys in Brown“ nach dem Remis in der Vorwoche, dem umjubelten 2:2 in Frankfurt, das vorzeitig den Klassenerhalt angesichts der drei Punkte und 13 Tore Vorsprung auf den Relegationsplatz schon so gut wie garantiert hatte, war offensichtlich. Ärgerlich. Aber mehr nicht. Ein Schönheitsfehler. Verpasstes i-Tüpfelchen. Folgenlos. Weil auch die Kellerkonkurrenten Heidenheim (1:4 gegen Bremen) und Hoffenheim (0:4 gegen Bayern) noch höhere Niederlagen kassierten.
„Menschlich“ sei der Spannungsabfall bei seinem Team unter der Woche, sagte Blessin. „Wir wollten den Zuschauern was zurückgeben, haben dann aber vieles vermissen lassen, was Basics und Intensität angeht. Aber wisst Ihr was?“, fragte der Coach bei der Pressekonferenz mit einem Grinsen in die Runde. „Das ist mir scheißegal. Da lasse ich nichts auf die Jungs kommen. Wir freuen uns auf ein weiteres Jahr. Wir haben heute verdient verloren und sind verdient in der Liga geblieben.“
Hecking: „Ist nicht selbstverständlich für so einen Verein“
Sogar vom Gäste-Trainer gab es mehr als die üblichen knappen Gratulations-Worte. „Herzlichen Glückwunsch an St. Pauli zum Klassenerhalt“, sagte VfL-Coach Dieter Hecking, bekanntlich auch früherer HSV-Coach. „Ich denke, das ist nicht selbstverständlich für so einen Verein. Das war herausragende Arbeit von vielen im Verein.“ Die Atmosphäre am mit 29.546 Zuschauenden einmal mehr ausverkauften Millerntor sowie der aufmunternde Applaus des Heimpublikums für sein Team sei zusätzlicher Ansporn für die Mission Wiederaufstieg. „Wir wollen wieder hier hin, wir wollen wieder hier spielen.“
Das vorangegangene Spiel, über das auch Blessin nicht viele Worte verlieren wollte, ist schnell erzählt. St. Pauli war nicht annähernd bei 100 Prozent. Gegen den Ball oft inkonsequent und nicht gut genug organisiert. Mit Ball uninspiriert, unpräzise. „Von allem zu wenig“, wie Vasilj monierte.
Bochum-Stürmer Boadu vernascht St. Pauli gleich doppelt
Bochum hatte leichtes Spiel bei beiden Treffern, die jeweils Kontertore waren. Beim frühen 0:1 tanzte Myron Boadu nacheinander Manolis Saliakas, David Nemeth und dann auch noch Hauke Wahl aus und netzte ein. Beim 0:2 wurde Boadu ziemlich freistehend im Strafraum angespielt und ließ Vasilj keine Chance.
„Wir müssen das jetzt abhaken und können trotzdem jetzt gemeinsam mit den Fans feiern, dass wir in der Klasse geblieben sind“, betonte Philipp Treu. „Das ist bemerkenswert, und das haben wir uns auch verdient.“ Auch Noah Weißhaupt fand, dass die abschließende Niederlage „kein Stimmungskiller“ sei. Und das war sie nicht. Nur ein Dämpfer.
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Spieler, Verantwortliche und Fans fanden schnell ihre gute Laune wieder und feierten am Abend im Stadion die erstklassige Saison und den erst vierten Bundesliga-Klassenerhalt der Vereinsgeschichte – und das trotz zahlreicher schwerer und auch langer Ausfälle von Leistungsträgern. Eine echte Teamleistung – orchestriert von Erfolgscoach Alexander Blessin. Eine denkwürdige St. Pauli-Saison. Legendär. Eine Saison, die eine Zugabe verdient hat.
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