St. Pauli-Trainer Alexander Blessin auf der Pressekonferenz

St. Pauli-Trainer Alexander Blessin kritisierte nach dem Spiel gegen Leverkusen mehrere Schiedsrichter-Entscheidungen. Foto: IMAGO/Steinsiek.ch

„Grenzwertig“: Elfer-Ärger auf St. Pauli – und eine Rote Karte, die fast unterging

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Enttäuschung, Ärger und auch Unverständnis. Nach dem dritten Heimspiel des FC St. Pauli in dieser Saison gab es noch jede Menge Emotionen und reichlich Diskussionsstoff. Die brennendste Frage nach der unglücklichen 1:2-Niederlage gegen Bayer Leverkusen lautete aus Sicht der Braun-Weißen: Hätte es nicht Elfmeter geben müssen? Nach Meinung der Kiezkicker übrigens eine rhetorische Frage. Kritikpunkt: die Regelauslegung. Für Wirbel sorgte darüber hinaus eine Rote Karte gegen St. Pauli nach dem Pfiff zur Halbzeitpause. Nicht alle Fans im Stadion bekamen das überhaupt mit.

Minutenlang nach Spielschluss stand Sportchef Andreas Bornemann bei den Unparteiischen der Partie und diskutierte angeregt mit Schiedsrichter Martin Petersen, der mehr als einmal während der rund 100 Minuten den Unmut der Kiezkicker und ihrer Fans auf sich gezogen hatte, und den Linienrichtern Alexander Sather und Robert Wessel. Irgendwann kam Leverkusens Sportchef Simon Rolfes hinzu, sprengte den Kreis, legte den Arm um die Schultern seines Hamburger Pendants und dann gingen beide gemeinsam zurück in Richtung der Mannschaften, während das Referee-Gespann unter gellenden Pfiffen den Innenraum des Millerntor-Stadions verließ.

Vázquez hatte Afolayan im Strafraum gehalten

Die Szene des braun-weißen Anstoßes: In der fünften Minute der Nachspielzeit war der in der 80. Minute eingewechselte Oladapo Afolayan nach einem engen Zweikampf mit Gegenspieler Lucas Vázquez beim Versuch, an einen Flankenball zu kommen, im Strafraum zu Boden gegangen. Die Zeitlupe zeigt, dass der Leverkusener den Hamburger hielt, sogar mit beiden Armen umklammerte, während sich Afolayan wiederum etwas in den Mann lehnte und dann beide zu Boden gingen.


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Das sah spätestens in der Zeitlupe elfmeterwürdig aus. Warum ertönte kein Strafstoß-Pfiff?

Alexander Blessin kritisiert: „Da fehlt mir die Klarheit“

Für Abwehrchef Eric Smith eine Situation, „die ich nicht verstehe“. Denn: „Vor der Saison wird uns gesagt, dass Ziehen im Strafraum durch den Verteidiger immer mit Elfmeter bestraft wird. Mir fehlen die Worte.“ So argumentierte übrigens auch Bornemann. Die neue Linie vom Schiedsrichterwesen des DFB, die den Vereinen mitgeteilt worden war, sei in diesem Fall nicht durchgesetzt worden und damit inkonsequent, monierte er.

Deutlichere Kritik gab es von Trainer Alexander Blessin zu hören. Ihm „fehlte nicht nur das Händchen und das Gefühl“ für die Situation. Er pochte ebenfalls auf das Regelwerk. „Man hat ganz klar in der Regelschulung dieses Jahr gesagt: Sobald mal zwei Hände am Gegenspieler sind über einen längeren Zeitraum im Sechzehner, dann ist es scheißegal, wo der Ball ist, dann wird der Elfmeter gepfiffen“, führte der Coach aus. „Das fand ich schon grenzwertig. Da fehlt mir die Klarheit. Wenn man es vorgibt als Regelhüter und in den Regelschulungen, dann muss man es auch konsequent durchziehen.“ Aber vielleicht, schränkte er ein, sei sein Ärger über die Szene auch seinem frischen Frust über die Niederlage geschuldet.

Afolayan frustriert: „Sie verändern ständig die Regeln“

Fragwürdig ist auch, warum der VAR nicht zum Einsatz gekommen war in einer derart heiklen Szene in der Schlussphase eines engen und umkämpften Spiels, um die Szene ausgiebig zu prüfen und sie sich aus mehreren Kameraeinstellungen und Blickwinkeln anzuschauen.

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These: Ein Harry Kane hätte in einer identischen Szene einen Elfmeter bekommen. Möglicherweise ist Afolayans Lobby bei den Schiedsrichtern nicht ganz so groß, um es vorsichtig zu formulieren. Die Leverkusener dürften jedenfalls heilfroh über Petersens Auslegung der Szene gewesen sein.

Strafraum-Schubser gegen Pereira Lage

Eine Begründung für den ausgebliebenen Pfiff habe er vom Referee nicht erhalten, berichtete Afolayan später. „Er hat nur gesagt, dass es Ecke gibt. Das war alles. In der letzten Saison wäre das kein Elfmeter gewesen, diese Saison wohl schon. Sie verändern ständig die Regeln. Es ist schwierig, da hinterherzukommen.“

Der Liveticker zum St. Pauli-Spiel gegen Leverkusen zum Nachlesen

Ein Foul im Strafraum hatte auch Mathias Pereira Lage reklamiert. In der Nachspielzeit der ersten Halbzeit war der Flügelspieler der Kiezkicker nach einer gefährlichen Flanke von Danel Sinani nicht an den Ball gekommen, nachdem er Bayer-Verteidiger Quansah im Laufduell entwischt war, im entscheidenden Moment einen kleinen Schubser erhielt. Pereira Lage protestierte, zeigte mehrfach mit beiden Händen in Richtung des Schiedsrichters, geschubst worden zu sein. Für einen Elfmeterpfiff war der Handeinsatz von Quansah allerdings nicht heftig genug und der Hamburger war auch nicht gefallen, sondern durchgelaufen.

Rote Karte für St. Paulis Athletiktrainer Karim Rashwan

Rigoros geahndet wurde dagegen eine Aktion, die sich kurz darauf und direkt nach dem Pausenpfiff ereignete, also in der Halbzeit. St. Paulis Athletiktrainer Karim Rashwan hatte sich an der Seitenlinie vor der Auswechselbank nach Meinung der Unparteiischen zu sehr aufgeregt über eine vermeintliche Fehlentscheidung. Linienrichter Robert Wessel informierte Petersen darüber, welcher auf Rashwan zuging und sofort die Rote Karte zückte. Ein Bankverweis für die zweite Halbzeit. Und eine Rote Karte, die in der Statistik nicht auftaucht, weil sie einem Mitglied des Stabs gezeigt worden war.

Schiedsrichter Martin Petersen zog am Samstag mehrfach den Unmut der St. Pauli-Profis auf sich. WITTERS
Schiedsrichter Martin Petersen diskutiert mit Danel Sinani, Eric Smith und Mathias Pereira Lage
Schiedsrichter Martin Petersen zog am Samstag mehrfach den Unmut der St. Pauli-Profis auf sich.

Alles deutete darauf hin, dass sich Rashwan lautstark über den ausgebliebenen Elfmeterpfiff echauffiert hatte, doch Blessin lieferte nach Spielschluss und nach der offiziellen Pressekonferenz eine leicht andere Version. „Der Gegenspieler ist klar am Ball. Es hätte noch mal Ecke geben müssen – und keiner will es gesehen haben. Da hat er sich halt ein bisschen aufgeregt, ein bisschen überreagiert“, berichtete der Trainer und fügte mit einem Schmunzeln an: „Eigentlich hält er sich zurück, aber er hat die Jungs vorm Spiel angepeitscht und das so gut gemacht, dass er wahrscheinlich von seiner eigenen Ansprache noch voll drin war. Ist zwar ärgerlich, aber Schwamm drüber.“

Glück für Leverkusen: Keine Ampelkarte gegen Quansah

Weitaus zögerlicher mit seinen Karten war Petersen in der zweiten Halbzeit – nicht nur angesichts des ausufernden Leverkusener Zeitspiels. Das harte Einsteigen des bereits gelb-verwarnten Quansah gegen Pereira Lage (50.), der ohne das Foul gefährlich in die Nähe des Bayer-Tores gesprintet wäre, hätte durchaus die Ampelkarte gerechtfertigt, was erheblichen Einfluss auf die Partie gehabt hätte. Doch Petersen hatte Gnade walten lassen – nicht aber gegenüber Joel Chima Fujita, dem er prompt Gelb zeigte, weil dieser mutmaßlich zu vehement den Platzverweis für Quansah gefordert hatte. Regelkonform, aber angesichts der zuvor gezeigten Nachsicht nicht ausgewogen. Glimpflich kam in der 86. Minute aber Smith davon, der bei einem Konter der Gäste Gegenspieler Hofmann mit dem Ellenbogen am Hals traf, nur Gelb sah.

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Viele Aufreger. Die Niederlage – da waren sich aber sowohl Spieler als auch Verantwortliche des Kiezklubs einig – hatte sich St. Pauli aber in erster Linie selbst zuzuschreiben.

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