Karol Mets joggt

Läuft nicht rund: Zuletzt musste Karol Mets einen Rückschlag verkraften. Foto: WITTERS

Feuer und Ungeduld: Ist „Krieger“ Mets sein härtester Gegner auf dem Comeback-Weg?

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Er fehlt dem FC St. Pauli, das ist keine Frage. Ziemlich lange schon. Aber zur ganzen Wahrheit gehört auch, dass die Kiezkicker seit geraumer Zeit ziemlich gut ohne Karol Mets klarkommen, was umgekehrt deutlich weniger der Fall sein dürfte. Die Zahl der Tage, die seit dem letzten Einsatz des Innenverteidigers im Trikot der Braun-Weißen ohne ein weiteres Spiel vergangen sind, hat gerade die 300er-Marke überschritten und in Kürze werden es mehr als zehn Monate sein, die Mets raus ist. Eine gefühlte Ewigkeit, schwer zu ertragen, insbesondere für jemanden, der es gewohnt ist, immer fit zu sein und immer zu spielen. Der jüngste Rückschlag auf der Zielgeraden seines langen Weges zum Comeback, der einem Marathon gleicht, ist bitter. Und er kommt zur Unzeit. War er vermeidbar? Die Causa Mets ist eine Gratwanderung.

Er hat Zeit verloren. In nicht unerheblichem Maße. Noch vor einem Monat war Mets wieder ganz nah dran an der Mannschaft und die erste Länderspielpause der Saison schien wie gemacht für eine Rückkehr unter Wettkampfbedingungen in einem Testspiel: als echter und womöglich finaler Härtetest vor einem Liga-Comeback. Bekanntlich fand der Testkick gegen Holstein Kiel am Mittwoch (1:1) ohne die Beteiligung des Abwehrmannes statt, der zuletzt aufgrund muskulärer Probleme nur individuell trainiert hatte.

Blessin: Mets „war schon auf einem richtig guten Weg“

„Nach acht Monaten Pause und großen Verletzungen sind muskuläre Probleme oftmals die Folgeerscheinung“, sagte Trainer Alexander Blessin zum Thema Mets, der sich Anfang April einer Operation an der Patellasehne im Knie unterzogen hatte, die in den vorangegangenen gut vier Monaten ein chronischer Problemfall gewesen war. „Wir sind da schon sensibel, was die Belastungssteuerung betrifft“, betonte der Coach. „Ich will nicht, dass er nochmal drei oder vier Wochen ausfällt, denn er war schon auf einem richtig guten Weg.“

Zu Beginn der Sommervorbereitung Anfang Juli lag der 32-Jährige mit seinem Reha-Programm klar und auch sichtbar vor dem Ende April operierten Jackson Irvine (Fuß), was auch in den ersten Trainingswochen so blieb. Mittlerweile hat der gleichaltrige Kapitän den Abwehrmann überholt und die Nase vorn. Irvine hätte in Kiel schon eingesetzt werden können und könnte laut Blessin beim Heimspiel gegen Augsburg am 14. September wieder in den Kader rücken, vorerst als Option auf der Bank. Von einer solchen Rolle ist Mets wieder ein ganzes Stück entfernt und der Weg dorthin ist kein Selbstläufer.

„Absoluter Krieger“: Karol Mets will manchmal zu viel

Einerseits ist ein Rückschlag aufgrund einer körperlichen Reaktion durch gesteigerte Trainingsbelastung nicht unnormal, wie der Trainer erklärt hat. Andererseits ist Mets aber auch ein Spieler, bei dem Ehrgeiz und Geduld in einem schwierigen Verhältnis stehen und dem es manchmal nicht schnell genug gehen kann. Das war schon in den zähen Monaten vor der OP nicht einfach für ihn.

Sich selbst zu bremsen – für Mets schwierig. Der estnische Nationalspieler, der ausgerechnet von seinem 100. Länderspiel am 19. November die folgenschweren Knieprobleme mitgebracht hatte, ist ein Vollgas-Profi und kompromissloser Kämpfertyp, der es gewohnt ist, seinen Gegenspielern, aber auch sich selbst mit Härte zu begegnen, an die Schmerzgrenze zu gehen (und auch mal darüber hinaus) und sich nicht zu schonen. Einer, für den es eine Tugend ist, auf die Zähne und sich selbst durchzubeißen. Für eine Mannschaft ist ein solcher Charakter Gold wert. Blessin bezeichnete Führungsspieler Mets, der auch in dieser Saison dem Mannschaftsrat angehört, unlängst als „absoluten Krieger“. Im Verletzungsfall kann eine solche Mentalität auch mal zu einer zusätzlichen Herausforderung werden.

Blessin: „Das zu steuern, ist eine große Aufgabe“

Mets sei „eben auch ein Hundertprozentiger“, sagte Blessin im Zusammenhang mit dem jüngsten Rückschlag über den Linksfuß, „und das zu steuern, ist eine große Aufgabe.“ Heißt: Trainerteam und medizinische Abteilung müssen Mets immer wieder bremsen, ob durch entsprechende Trainingspläne oder Gespräche. Es gilt, ihn auch vor seinem eigenen Ehrgeiz und letztlich vor sich selbst schützen. Dennoch muss Mets im Eifer eines laufenden Trainings selbst für sich erkennen, wann es mal besser ist, in einem potenziell risikoreichen Zweikampf zurückzuziehen oder ein Laufduell nicht bis zum bitteren Ende in höchster Intensität durchzuziehen, wenn der eigene Körper eine solche Belastung noch gar nicht gewohnt ist. Weniger ist manchmal mehr. Risikomanagement. Aber leichter gesagt als getan für einen Leistungssportler – insbesondere für einen Spieler wie Mets.

Insofern bleibt auch die kommende Trainingswoche (und wenn es schlechter läuft: die nächsten paar Wochen) für Karol Mets eine Gratwanderung zwischen Fleiß, Ehrgeiz und Geduld, Feuer und Vernunft, Motivation und Übermotivation.

Mets wird nach Nemeth-Verletzung dringender gebraucht

Für den FC St. Pauli ist es enorm wichtig, dass die Abwehrkante zwar möglichst bald, aber vor allem nachhaltig fit und stabil zurückkehrt. Das gilt umso mehr, seitdem klar ist, dass David Nemeth, der nach dem Ausfall vom Mets ab dem 11. Spieltag auf dessen linker Innenverteidiger-Position in der Abwehrkette gespielt und auch überzeugt hatte, nach einer Operation im Adduktorenbereich sehr lange ausfallen wird. Die Mets-Thematik ist damit noch sensibler als sie ohnehin schon war.

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Eigentlich ist die aktuelle Situation das perfekte Szenario für ihn, um seinen alten Stammplatz zurückzuerobern. Aber „Krieger“ Mets ist noch nicht so weit, wie er gerne wäre – und wie er möglicherweise hätte sein können. Das Geduldsspiel geht in eine weitere Runde. So lange Adam Dzwigala einen guten Job macht, der in den ersten beiden Ligaspielen der Saison anstelle des verletzten Nemeth verteidigt und beim Derbysieg sogar als Torschütze geglänzt hatte, hält sich der Druck in Grenzen. Es wäre wohl nicht zuletzt auch im Sinne von Karol Mets gut, wenn dies noch einige Spieltage lang so bliebe.

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