St. Paulis Trainer Alexander Blessin hat gegen Nizza viel Positives gesehen. Foto: WITTERS

Blessin nach St. Paulis starkem Test-Sieg gegen Nizza: „Müssen sie abschießen!“

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Es war ein erstklassiger Abschluss – der ein Abschuss hätte werden können. Und wenn es nicht ein Vorbereitungsspiel gewesen wäre: müssen. Ein Ausrufezeichen war es allemal. Im letzten Testspiel des Trainingslagers hat der FC St. Pauli einen hochverdienten 2:0-Sieg gegen den französischen Topklub und Champions-League-Anwärter OGC Nizza gefeiert. Dominant, griffig, gut. Mangelhaft war vor allem die Chancenverwertung, was Trainer Alexander Blessin mit kernigen Worten benannte – aber keine Kritik übte. Er hatte da eine ganz eigene Auslegung des Chancenwuchers.

„I can’t wait for the weekend to begin“, dröhnte es nach Spielschluss aus den Boxen des kleinen Ein-Tribünen-Stadions in Anif bei Salzburg und es dürfte das kollektive Gefühl der Kiezkicker beschrieben haben, wenngleich die Musikauswahl des DJs insgesamt fragwürdig und Marke Nullachtfünfzehn war. Einen Tag noch, eine letzte leichte Einheit am Sonntag in Flachau, dann ist das zehntägige Trainingslager in Österreich für die „Boys in Brown“ beendet – und das Wochenende beginnt verspätet mit zwei freien Tagen am Montag und Dienstag.

Banks und Stevens treffen bei St. Paulis Sieg gegen Nizza

Zur Freude der vielen St. Pauli-Fans unter den gut 500 Zuschauenden wurde zweimal „Song 2“ gespielt, denn die Kiezkicker belohnten sich mit zwei späten Toren durch Scott Banks (84.) und Fin Stevens (89.), nachdem sie das gesamte Spiel über reihenweise beste Chancen ausgelassen hatten.

„Es war ein gutes Spiel von uns, wir waren sehr dominant, haben auch in Ballbesitzphasen gute Momente gehabt und waren im Gegenpressing wieder hervorragend“, bilanzierte Blessin nach der Partie. Torwart Nikola Vasilj sprach sogar von einem „sehr guten Spiel gegen eine sehr gute Mannschaft. Wir waren sehr aggressiv, hatten sehr viele tiefe Läufe, sehr viele Chancen, wir können sehr zufrieden sein.“

St. Paulis Louis Oppie im Testspiel gegen Nizza WITTERS
St. Paulis Louis Oppie im Testspiel gegen Nizza
St. Paulis Louis Oppie im Testspiel gegen Nizza

Zur richtigen Einordnung des zweiten Trainingslagersieges nach dem 6:1 gegen Karlsruhe muss allerdings gesagt werden: Nizza hatte nicht mit seiner besten Elf gespielt. Die hatte am Vormittag im ersten von zwei Testspielen des Tages mit 2:1 gegen Feyenoord Rotterdam gewonnen. Das war zu befürchten gewesen (MOPO berichtete). Aber: Der Tabellenvierte der abgelaufenen Saison in der französischen Liga, der Anfang August in der Champions-League-Qualifikation um die Teilnahme an der Königsklasse spielt, hatte dennoch ein gutes Team auf dem Platz – inklusive Topstürmer Evann Guessam.

St. Pauli in der ersten Halbzeit klar überlegen

„Deshalb wollen wir dem Ganzen nicht zu viel Wert beimessen“, meinte Blessin. „Da gucke ich dann schon auf meine Mannschaft.“ Was er und das Publikum zu sehen bekommen hatten, konnte sich aber wirklich sehen lassen.

Vor allem in der ersten Halbzeit, in der Eric Smith Abwehrchef war und James Sands und U19-Entdeckung Nick Schmidt (bis zur geplanten Auswechslung nach einer guten halben Stunde) die Doppelsechs bildeten, spielte St. Pauli druckvoll nach vorn und immer wieder Chancen heraus.

„Im ersten Durchgang hatten wir sieben klare Torchancen mit einem Verhältnis von 7:2“, rechnete der Coach vor. „Da kann man schon davon sprechen, dass wir sie abschießen müssen.“ Zur Pause stand aber die Null. Hinten, was positiv war, aber leider auch vorne.

Abschlusspech bei Stürmer Hountondji

Der nötige Killerinstinkt fehlte, nicht das Engagement. Neuzugang Andréas Hountondji zog einen Tiefenlauf nach dem anderen an. Der Mittelstürmer und Nationalspieler des Benin ackerte sehr auffällig. Noch auffälliger aber: seine vergebenen Chancen.

St. Paulis Andreas Hountondji vergab im Test gegen Nizza einige Chancen. WITTERS
St. Paulis Andreas Hountondji
St. Paulis Andreas Hountondji vergab im Test gegen Nizza einige Chancen.

Gleich zweimal, in der 14. und in der 39. Minute, war der gebürtige Franzose mit perfekten Pässen geschickt worden, hatte seine Laufduelle gewonnen und dabei seine Dynamik und Schnelligkeit unter Beweis gestellt, dann aber jeweils nur einen schwachen Abschluss zustande gebracht, was ihn sichtlich wurmte.

Kritische Worte des Trainers? Blessin wählte einen ganz anderen Weg. Den des Lobes. „Super, super, super“ sei die Laufarbeit Hountondjis gewesen, „weil er immer wieder angesetzt hat, und da sieht man auch den Speed. Er kommt zum Abschluss und das ist erstmal das Wichtigste.“ Und überhaupt: Torabschlüsse seien noch gar kein Trainingsschwerpunkt gewesen. Das Toreschießen beim wuchtigen Angreifer „wird noch kommen“, ist der Coach überzeugt. Gegen Nizza sei schon „sehr viel Gutes“ dabei gewesen.

Kiezklub hätte zwei Elfmeter bekommen müssen

St. Pauli hätte sogar noch zwei Elfmeter bekommen müssen. In der ersten Halbzeit unterlief einem Nizza-Spieler im Strafraum ein klares Handspiel, im zweiten Durchgang wurde Flügelstürmer Mathias Pereira Lage bei einem Schuss aus der Drehung klar am Fuß getroffen und auch ganz klar im Strafraum – der Schiedsrichter verortete den Schauplatz des Fouls aus unerfindlichen Gründen mindestens einen Meter weiter hinten und pfiff Freistoß für St. Pauli. An der Strafraumgrenze. Ein Witz. Über den nach dem Sieg alle schmunzeln konnten.

Fin Stevens (l.) und Scott Banks trafen für St. Pauli gegen Nizza. WITTERS
Fin Stevens und Scott Banks jubeln
Fin Stevens (l.) und Scott Banks trafen für St. Pauli gegen Nizza.

Beeindruckend war aber auch St. Paulis defensive Stabilität und die Aggressivität, mit der gegen den Ball gearbeitet wurde, und die dem Gegner ganz und gar nicht schmeckte. Phasenweise schienen die Franzosen überfordert mit dem Pressing und der Griffigkeit in den Zweikämpfen der Hamburger. „Wir hatten sehr viel Dynamik gegen einen guten Gegner. Wir haben die Räume gut zugestellt“, befand Innenverteidiger David Nemeth.

Mit gutem Gefühl geht es zurück nach Hamburg

Dass nach 90 Minuten hinten die Null stand – ein Statement, wenngleich Blessin nicht ganz zufrieden war. „Es gab zwei brenzlige Situationen, die wir überstehen mussten“, zählte er auf und benannte einen „dummen Ballverlust“ in der ersten Halbzeit. „Ansonsten haben wir aber die klaren Torchancen auf unserer Seite gehabt und müssen höher gewinnen.“

Wer das nach einem Spiel gegen ein europäisches Topteam, das kommende Saison möglicherweise Champions League spielt, sagen kann, der ist mit seiner Mannschaft in der Saisonvorbereitung schon sehr weit gekommen. Aber Blessin betont, dass die Kiezkicker noch viel Arbeit vor sich und in einigen Bereichen Luft nach oben haben. Auch das: ein positives Zeichen.

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