St. Pauli-Fans auf der Gegengerade Millerntor

St. Paulis Fans (hier die Gegengerade am Millerntor) befürchten fatale Folgen für die Fußball-Fankultur. Foto: IMAGO/Eibner

„Abschaffung rechtsstaatlicher Prinzipien“: St. Pauli-Fans befürchten böses Szenario

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Im Zuge der sportlichen Ereignisse am Millerntor ist das Anliegen etwas untergegangen. Dabei ist es durchaus von enormer Wichtigkeit, was auf auf dem Papier steht, das die Fans vor der Partie des FC St. Pauli gegen Borussia Mönchengladbach überall im Stadion verteilten. Denn deren Sorgen gehen weit über die fußballerische Zukunft der Profis hinaus.

„Fankultur schützen – Hinterzimmerdeals stoppen!“ lautet die Zeile auf dem beidseitig bedruckten Flugblatt. Ursächlich sind Ereignisse, die bereits mehr als ein Jahr alt sind: Am 18. Oktober 2024 hatten deutsche Innenpolitiker und Fußballverbände weitreichende Maßnahmen gegen Fans angekündigt. Die, so heißt es, waren zum einen ohne Fanvertreter:innen beschlossen worden und hatten zum anderen nicht berücksichtigt, dass Gewaltexzesse in und um die Stadien herum rückläufig seien. In der abgelaufenen Serie habe die Zentrale Informationsstelle Sporteinsätze (ZIS) einen Rückgang der Ermittlungsverfahren um 22 Prozent, der verletzten Personen um 17 Prozent und der polizeilichen Einsatzstunden um neun Prozent festgestellt.

Stadionverbote wegen eines Aufklebers drohen

Dennoch gebe es zum einen Diskussionen um personalisierte Tickets und KI-Gesichtserkennung in den Stadien, vor allem aber sollen die Stadionverbotsrichtlinien maßgeblich verschärft werden „bis hin zum absoluten Gießkannenprinzip. Das heißt, zukünftig wird ein Stadionverbot bereits dann zwingend ausgesprochen, wenn die Polizei Ermittlungen einleitet, beispielsweise für das Verkleben eines Aufklebers“. Selbst wann das Verfahren eingestellt werden würde, solle das Stadionverbot für mindestens drei Monate bestehen bleiben. Dies wäre das Ende der Unschuldsvermutung und der bisher gängigen Praxis, zudem könne ein Stadionverbot nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt werden. „Eine Entscheidung im Einzelfall wird damit unmöglich. Das Ganze wird gerade in Hinterzimmern verhandelt – ohne eine Öffentlichkeit, ohne Zugang“, heißt es.

„Braun-Weisse Hilfe“ befürchtet fatale Folgen

Für die „Braun-Weisse Hilfe“ ein Vorgang mit geradezu fatalen Folgen. „Hier droht die Abschaffung rechtsstaatlicher Prinzipien … Grundrechteinschränkungen, die wohl in kaum einem anderen Bereich politisch vermittelbar wären, werden hier durchgesetzt.“ Und wie so oft diene das Feindbild Fußballfan als Testobjekt. „Wir sagen: Es reicht! Diese Pläne müssen gestoppt werden!“

Auch der Fanladen schlägt in diese Kerbe. „Was macht die Erfahrung, dass es auf das eigene Verhalten nicht zentral ankommt, mit Menschen“, wird rhetorisch gefragt. Ohnmachtserfahrungen zu vermitteln, sei wesentlicher Bestandteil des Versuchs autoritärer Zurichtung und das Gegenteil aufgeklärter Erziehung zu Mündigkeit.“ Der Fanclubsprecher:innenrat mahnt davor, sich in Sicherheit zu wiegen, nur weil man nicht der Ultrà-Bewegung zugerechnet werde. „Das ist ein großer Trugschluss, es wird uns alle treffen. Auch auf Aufnahmen erkennbar während einer Choreo in unmittelbarer Nachbarschaft gestanden zu haben oder im selben Zug zu sitzen wie Menschen, die das Polizeiinteresse geweckt haben, kann einem ein Ermittlungsverfahren und ein Stadionverbot einhandeln.“

Auch St. Pauli-Fanladen und USP in Alarmbereitschaft

Diese Form der Sippenhaft habe Auswirkungen auf die gesamte Fußball-Fankultur, jegliche aktive Fanszene, jeden Fanclub, jeden Fan – egal welchen Vereins. Das sieht Ultrá St. Pauli (USP) genauso. „Die bunte, laute und kreative Fankultur, die wir seit Jahrzehnten hochhalten und die die Grundlage unseres Vereins und seiner Besonderheit ist, ist mit den aktuell geplanten Maßnahmen so massiv gefährdet wie nie zuvor“, heißt es. Populistische Forderungen aus der Politik, die ohne Kenntnis der Fußballfankultur und nur zum Zweck der Wiederwahl angegangen würden, „zerstören unser aller Idee von Fußball und solidarischer Gemeinschaft“.

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Alle zusammen fordern schließlich die politisch Verantwortlichen dazu auf, Abstand von den bisherigen populistischen Plänen zu nehmen. Die Vereine seien gefordert, sich vernehmbar vor ihre Fans zu stellen. „Macht deutlich, dass die Rechte von Fans zu wichtig sind, um als Verhandlungsmasse zu dienen!“

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