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  • St. Pauli-Fan Frank Jakobi aus Wellingsbüttel steht auf der Gegengeraden.
  • Foto: hfr

Abrechnung eines Fans: „Der FC St. Pauli hat längst den Anschluss verloren“

Frank Jakobi (58) aus Wellingsbüttel ist treuer Fan des Kiezklubs. Er sieht den Verein aktuell auf dem falschen Weg. Hier sein Leserbrief an die MOPO – und an seinen FC St. Pauli.

Als ich 1989 meine erste Dauerkarte bei St. Pauli gekauft habe, stand ich vier Stunden vor einem alten Container, um an das Ticket zu kommen. Die Karte war aus Pappe und bei jedem Spiel wurde mit einer Zange ein Loch eingestanzt. Das hat sich fünf Jahre wiederholt. Dann wurde die Pappkarte in Plastik eingeschweißt, was als Innovation galt und die Lochzange hatte nun noch mehr zu leisten.

St. Pauli-Willi sorgte damals für Stimmung

Im Stadion standen wir auf ausgetretenen Stufen, in denen sich das Hamburger Regenwasser an 15 von 17 Spieltagen auf einer Tiefe von mindestens zehn Zentimetern sammelte. St. Pauli-Willi rannte mit seiner braun-weißen Fahne und kurzer Hose auch im Februar wie ein Derwisch um den Platz. Die Spieler hatten Schnäuzer und Pornolöckchen und mussten sich im Keller unter der Stadionkneipe umziehen.

Stellvertretende für viele Fans des FC St. Pauli sehen wir hier einen enttäuschten Ryo Miyaichi.

Spieler und Fans des FC St. Pauli haben allen Grund, enttäuscht zu sein.

Foto:

imago images/Oliver Ruhnke

Wir stiegen auf und wieder ab und noch mal ab und wieder auf. Die Verantwortlichen sagten: Ohne ein neues Stadion werden wir bald den Anschluss an die anderen Teams verlieren.

Den meisten Fans war das egal, wir hatten St. Pauli-Willi, Astra und Gummistiefel und vor allem: jede Menge Spaß und eine Mannschaft, die sich für uns die Lunge aus dem Leib lief, für uns kämpfte wie eine Horde junger Hunde – aber fußballerisch viel Luft nach oben ließ.

Der Fußball ist beim FC St. Pauli nicht besser geworden

Dann kam das neue Stadion und Dauerkarten mit „Near Field Communication Chip“, Matrixleinwand. Die Spielerduschen hatten Warmwasser und waren nicht mehr im Keller.

Und sonst? St. Pauli-Willi ist tot, aus den jungen Hunden ist eine gesichtslose Mannschaft (mit wenigen Ausnahmen) geworden, ihre Haare sind gestylt, die Arme tätowiert und die Fußballschuhe bunt.

St. Pauli-Willi steht im alten Klubheim des FC St. Pauli auf dem Tisch, sorgt für Stimmung.

St. Pauli-Willi steht im alten Klubheim des FC St. Pauli auf dem Tisch, sorgt für Stimmung.

Foto:

Krewitt

Fußballspielen können sie allerdings noch immer nicht und die Verheißung, mit einem modernen Stadion werden wir Erstligist, hat sich als feuchter Traum von Funktionären erwiesen.

Frank Jacobi: Der FC St. Pauli hat längst den Anschluss verloren

Heute haben wir einen Präsidenten, der unseren Verein wie eine Bürgerinitiative führt und mit seinem Führungsteam in einer Blase lebt, die glaubt, St. Pauli wäre noch immer etwas Besonderes und die einzig wahre moralische Instanz im Fußballland.

Der FC St. Pauli hat längst den Anschluss verloren. Nicht nur sportlich, sondern auch was Frische, Kreativität und Witz angeht. St. Pauli-Willi und Pappdauerkarten sind Nostalgie, aber das war zu seiner Zeit ehrlich, authentisch und keine Hollywoodkulisse.

Lasst uns nicht einfach nur zusehen, lasst uns das ändern!

Die meisten politischen Werte des Vereins unterstütze ich vorbehaltlos. Die Reichweite dieser wichtigen Botschaften nimmt aber mit sinkender sportlicher Bedeutung des Vereins dramatisch ab.

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St. Pauli steht an der Schwelle, zu einem belächelten Sektiererklub zu werden, der an seiner Selbstverliebtheit zugrunde geht. Lasst uns nicht einfach nur zusehen, lasst uns das ändern!

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