Zwei Schauspieler in dunklen Kostümen

Düstere Machenschaften: Hamlet (Paul Behren, l., hier mit Matti Krause) muss sich vieler Einflüsterungen erwehren. Foto: Just Loomis

Mit Vollgas in die Vergangenheit: Shakespeare-Tragödie am Schauspielhaus

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Um es positiv zu formulieren: In diesem „Hamlet“ steckt richtig viel drin. Und drumherum. Das ist wenig überraschend, denn Regisseur Frank Castorf ist berühmt und berüchtigt dafür, die Texte der zugrunde liegenden Werke als eine Matrix zu nehmen, auf der er seine eigene Weltsicht episch ausbreitet – prototypisches „Regietheater“, das Kulturkonservative gerne verdammen. Schade allerdings, wenn die frühere Avantgarde selbst in vergangenen Welten festzustecken scheint.

Castorf schnappt sich den „Hamlet“ und legt Heiner Müllers „Hamletmaschine“ darüber, eine kurze Szenenassoziation zu dem Dänenprinzen als Achse einer Gewaltspirale im 20. Jahrhundert. Dazu gesellen sich Dritt-, Viert- und Fünfttexte, etwa der sagen- und klagenhafte „Prometheus“, Dantes „Inferno“ und noch vieles, vieles mehr.

Hamlet als Gewalt-Retrospektive des 20. Jahrhunderts

Nach dem Mord an seinem Vater begibt sich Hamlet auf einen Rachefeldzug gegen seinen Onkel, der durch Heirat nun auch noch zum Stiefvater geworden ist. Er überführt ihn, als er eine Schauspieltruppe den Mord nachspielen lässt.

Herrlich düsteres Bühnenbild: vorne Kohlenhaufen, hinten bauschige Rauchwolken Just Loomis
Ein Schauspieler sitzt inmitten eines düsteren Bühnenbilds.
Herrlich düsteres Bühnenbild: vorne Kohlenhaufen, hinten bauschige Rauchwolken

„Hamlet“ ist ein Theater-Stück im doppelten Wortsinn oder eben sein eigenes Regietheater. Alle diese Themenkomplexe entspinnen sich in einem herrlich düsteren Bühnenbild: vorne Kohlenhaufen, hinten bauschige Rauchwolken vor dem abgetakelten Riesenschriftzug „Europe“ und mittendrin der Betoneingang in einem Atomschutzbunker. Die klaustrophobische Röhre ist Schauplatz der wichtigsten Szenen, live übertragen auf einen XXL-Bildschirm. Hier spricht Paul Behren – ein wirklich bockstarker, düsterer Hamlet – auch den „Sein oder Nichtsein“-Monolog.

Sechsstündiges Stück

Die Zeit des „Hamlet“ ist bei Shakespeare aus den Fugen, und diese Inszenierung scheint gleichfalls aus der Zeit gefallen. So ist der Referenzrahmen der kulturellen Anspielungen schwer in die Jahre gekommen.

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Nebenbei betreibt Castorf eine Bauchnabelschau und strickt fröhlich an seiner eigenen Legende. Er lässt seine Darsteller:innen über ihn schimpfen (hahaha!) und über alte Inszenierungen und ihre Rezeption sinnieren (uiuiui!). Die mehr als sechsstündige Retro-Show mit allerlei Längen und Redundanzen schürt zudem den Verdacht, die ermüdende Dauer sei ein Selbstzweck. 

Schauspielhaus: 25.10., 2., 19.11., Karten 12-69 Euro, Tel. 24 87 13, schauspielhaus.de

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