Michel Abdollahi trägt Anzug und steht vor einer leeren Theater-Garderobe
  • Poetry-Slam-Macher, NDR-Moderator, Künstler – und jetzt auch Theater-Chef: Michel Abdollahi (41)
  • Foto: Asja Caspari

„Das sind wir dem Publikum schuldig“: Promi übernimmt Hamburger Theater

Die Überraschung war groß, als Lisa Politt und Gunter Schmidt im Mai verkündeten, ihr preisgekröntes Kabarett-Theater – das Polittbüro am Steindamm – nach 19 Jahren aufzugeben. Genauso überraschend waren die Nachfolger, die sie dabei direkt präsentierten: Künstler-Manager Robert Oschatz und Fernsehpreisträger Michel Abdollahi. Die haben erst einmal umgebaut – und machen jetzt im Centralkomitee so richtig Theater. Lesen Sie hier, wie es dazu kam.

MOPO: Krieg, Inflation, Corona: Wie kommt man auf die Idee, in dieser – in jeder Hinsicht besonderen – Zeit ein eigenes Theater zu betreiben?

Michel Abdollahi: Erstens sind alle Zeiten besonders und zweitens brauchen alle besonderen Zeiten eine ganz bestimmte Sache – und das ist Kunst und Kultur. Denn Kunst und Kultur ist das Einzige, das uns aus dem tiefen Dunkel, das wir vielleicht gerade spüren mögen, herausholt. Und ich glaube, das sind wir den Künstlerinnen und Künstlern und auch den Zuschauerinnen und Zuschauern schuldig.

Wie muss man sich das vorstellen? Saßen Sie und Robert Oschatz bei Apfelschorle zusammen und einer hatte die verrückte Idee: „Wie wär’s mit ’nem Theater?!“ Oder kam Ihnen der Gedanke erst, als klar war, dass das Polittbüro bald ohne Betreiber sein würde?

Apfelschorle trinke ich schon mal gar nicht. Es wurde gar nicht getrunken. Es wurde auch nicht gegessen. Wir haben zusammengefunden und beschlossen, dass Kunst und Kultur auf dem Steindamm niemals sterben dürfen! Eine Straße, die bis heute neben dem orientalischen Gemüseladen für große Diversität und eine starke Hamburger Kulturlandschaft steht, schreit förmlich danach, dass eine über die Stadtgrenzen hinaus bundesweit so bedeutende Bühne weiter existieren muss. Gunter und Lisa haben gefragt – und ich habe Ja gesagt.

NDR-Moderator übernimmt ehemaliges Polittbüro

Sie haben erst einmal umgebaut. Was ist jetzt anders?

Wir möchten das Haus den Gegebenheiten des neuen Jahrtausends anpassen und dafür brauchten wir selbstverständlich beispielsweise eine barrierefreie Toilette, um Menschen zu inkludieren und nicht auszuschließen. Aber das, was zählt, ist, dass diese Bühne weiterhin all jenen eine Möglichkeit bietet, die sonst keine Möglichkeiten bekommen.

Vor der Eröffnung stand die „Revitalisierung“ des Hauses, wie er sagt: Abdollahi im Centralkomitee. Centralkomitee
Baustelle im Centralkomitee. Abdollahi steht auf der Bühne, überall Baumaterial, sein Fuß steht auf einer Schubkarre
Vor der Eröffnung stand die „Revitalisierung“ des Hauses, wie er sagt: Abdollahi im Centralkomitee.

Was kostet das alles?

Das kann ich Ihnen ganz offen sagen: Carsten Brosda, unser Kultursenator, hat Wort gehalten. Er möchte die Kultur in Hamburg erhalten und hat uns die Möglichkeit gegeben, das Haus nach den aktuellen Richtlinien zu revitalisieren. Wir machen aus Altem Neues – und dafür fördert uns die Kulturbehörde aus dem Etat für zukunftsorientierte und zukunftsfähige Bauten mit 700.000 Euro. Alles fließt bis auf den letzten Cent ins Haus – unter anderem für energiesparende Lampen, barrierefreie Zugänge und einen neuen Anstrich.

Machen Sie auch aus dem Programm etwas Neues? Welchen Schwerpunkt setzen Sie?

Wir führen fort, was Lisa und Gunter zwei Jahrzehnte lang aufgebaut haben, nämlich Menschen eine Bühne bieten. Und mit der Stand-up-Szene setzen wir eine neue, eigene Duftmarke. Ich habe vor 20 Jahren zusammen mit Jan-Oliver Lange und Robert Oschatz die Poetry-Slam-Szene in Deutschland maßgeblich geprägt, und genauso möchte ich das jetzt auch machen. Und ich glaube, nach Slam kommt Stand-up. Die Szene erfährt bei uns gerade einen riesigen Zuspruch, wenn auch ein wenig undercover. Ich möchte das auf die große Bühne bringen! Lachen, nachdenken, reflektieren, neue Gedanken mitnehmen – dafür stehen wir. Neben Kabarett und Kleinkunst gibt es bei uns im Centralkomitee also frischen, coolen, geilen, derben Stand-up!

Stand-up soll im Centralkomitee auf die Bühne

Super Name, Centralkomitee. Naheliegend. War Ihnen direkt klar, dass das Theater so heißen muss?

Der Name stand sofort. Wir kommen aus dem Kleinen des Polittbüros, das oben steht, und öffnen für die breite Masse. Wir sind das Centralkomitee für Kunst und Kultur, und alle können bei uns tagen.

Und was für ein Publikum wünschen Sie sich?

Alles, außer Faschisten!


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Was ist Ihre Aufgabe im Theater? Sie hatten ja auch schon vor dem Centralkomitee diverse Projekten – wie etwa das „Käpt’ns Dinner“ im NDR. Machen Sie das weiter?

Natürlich mache ich weiter im NDR. Mit „Käpt’ns Dinner“ und auch mit neuen Projekten. Ich
widme mich weiterhin dem Tierschutz – mit internationalen Dokumentationen, wie wir es
beispielsweise mit „Planet ohne Affen“ schon mit Gott sei Dank großem Erfolg gezeigt haben. Und mein wundervolles Team, dem ich mein Vertrauen ausgesprochen habe, wird zusammen mit mir im Sinne unserer Stadt und im Sinne der Szene, aus der wir kommen – Kunst und Kultur –, das fortsetzten, was wir in Hamburg nun schon seit zwei Jahrzehnten machen: Menschen eine Bühne geben. Und zwar den Menschen, die wirklich was zu sagen
haben!

Abschließend: Gibt es irgendwas, das Sie den MOPO-Leserinnen und -Lesern mitgeben wollen?

Rückwärts nimmer, vorwärts immer!

Die nächsten Termine: Jean-Philippe Kindler (28.10., 20 Uhr, 18,85 Euro), Fil (29.10., 20 Uhr, 21,25 Euro), „Stand Up Komitee“ (1.11., 20 Uhr, 11,50 Euro), Infos und Tickets hier​

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