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Schnarchen
  • Wenn einer schnarcht, kann meistens auch die andere nicht richtig schlafen. Der Bett-Partner kann aber wichtige Hinweise auf nächtliche Atemaussetzer geben.
  • Foto: 2021 Getty Images

Guter Schlaf spült Giftstoffe aus dem Gehirn und reinigt den Körper

Jeder Mensch hat Phasen, in denen er schlecht schläft – aber jeder dritte Deutsche hat echte Schlafprobleme. Wer dauerhaft schlecht schläft, bei dem können sich ernsthafte gesundheitliche Folgen ausprägen. Prof. Thomas Verse ist der Chefarzt der Hals-Nasen-Ohren-Abteilung im Asklepios Klinikum in Hamburg Harburg. Mit ihm hat MOPO-Chef vom Dienst Stefan Fuhr über den gesunden Schlaf, das Schnarchen und Zungenschrittmacher gesprochen.

MOPO: Haben Sie gut geschlafen?

Prof. Thomas Verse: Letzte Nacht eigentlich nicht wirklich gut.

Wäre das nicht eigentlich die bessere Höflichkeitsfloskel als „Wie geht es Dir?” Denn wer schlecht schläft, dem geht es auch nicht so gut.

Die Frage nach dem Schlaf ist eindeutig privater. Aber guter Schlaf ist entscheidend, gerade in unserer Leistungsgesellschaft. Wir können unsere körperliche und geistige Leistung nur bringen, wenn der Körper die Chance hat, sich nachts zu erholen.

Wer dauerhaft schlecht schläft kann auch Depressionen ausbilden…

Also Depressionen und Schlafstörungen gehören zusammen in beide Richtungen. Jeder merkt es selber: Wenn man drei Tage nicht richtig geschlafen hat, ist man reizbar. Und dann sind wir schon in der Nähe von der Depression.

Was passiert mit uns im Schlaf? Verarbeitet das Gehirn den Tag?

Während des Schlafes werden z.B. Giftstoffe aus dem Gehirn beseitigt. Die sogenannten Liquorräume – das sind Hohlräume im Gehirn und Rückenmark – können besser durchspült werden. Erfolgt diese Reinigung nicht, kann es zum Verlust von Nervenzellen kommen. Außerdem werden je nach emotionaler Bindung gewisse Erinnerungen wieder gelöscht und so wird wieder ,Arbeitsspeicher’ für den nächsten Tag frei. Anderen Dingen, denen man eine Bedeutung beimisst, werden so verknüpft, dass man sich daran erinnert. Das alles passiert nur im Schlaf. Anhand von Schlafstörungen kann man z.B. auch Parkinson früh diagnostizieren. Wenn die Schlafstörung frühzeitig behandelt wird, bricht Parkinson eventuell später nicht so stark aus. Das sind alles faszinierende Zusammenhänge.

Prof. Dr. Thomas Verse ist der Chefarzt der Hals-Nasen-Ohren-Abteilung am Asklepios Klinikum in Hamburg Harburg. hfr
HNO-Arzt Prof. Dr. Thomas Verse
Prof. Dr. Thomas Verse ist der Chefarzt der Hals-Nasen-Ohren-Abteilung am Asklepios Klinikum in Hamburg Harburg.

Wie viele Stunden sollte man nachts schlafen?

Durchschnittlich sechs bis acht Stunden sind normal. Wobei es Kurz- und Langschläfer gibt: Manche Menschen kommen durchaus mit 5, 6 aus, andere brauchen acht bis zehn Stunden Schlaf. Manche schlafen nachts weniger, legen sich dafür mittags noch einmal hin. Grob gesagt: 50 Stunden pro Woche sollten es schon sein.

Welche Schlafphasen durchlaufen wir?

Üblicherweise schlafen wir in vier bis sieben Schlafzyklen. Ein Zyklus startet mit Leichtschlaf, danach Tiefschlaf und Traumschlaf. Dann wachen wir kurz auf, schlafen aber normalerweise sofort wieder ein und starten wieder beim Leichtschlaf. Traum- und Tiefschlaf sind die wesentlichen Teile für die Erholung. Tiefschlaf für die körperliche und Traumschlaf für die geistige Erholung.

Wer leidet häufiger an Schlafstörungen?

Grundsätzlich schlafen Frauen schlechter als Männer. Die Insomnie (die Schlaflosigkeit) ist bei Frauen deutlich ausgeprägter. Auch Schichtarbeiter sind betroffen, weil sie einen anderen Rhythmus haben. Dazu gibt es verschiedene Krankheiten – seelische wie körperliche –, die den Schlaf beeinträchtigen. Denken sie z.B. an Lungenkrankheiten.

Schlafen übergewichtige Menschen schlechter?

Jetzt kommen wir zu den schlafbezogenen Atmungsstörungen. In der aktuellen Klassifikation gibt es 73 Erkrankungen für den nicht erholsamen Schlaf. Davon ist das Schnarchen eine und obstruktive Schlafapnoe eine andere. Um diese beiden kümmert sich der HNO-Arzt vor allem. Ja, zehn Kilo mehr oder weniger kann ich anhand der Atempausen im Schlaflabor sehen. Auch jeder Schnarcher, der fünf Kilo wegtrainiert, wird das an seinem Schnarchverhalten positiv merken.


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Warum schnarchen wir?

Schauen wir uns den Bereich zwischen Nase und Kehlkopf genauer an: Die Nase hat ein Knochengerüst und geht selten zu. Der Kehlkopf und die Luftröhre haben ein Knorpelskelett. Aber dazwischen gibt es diese Stützstrukturen nicht. Und trotzdem bekommen wir alle gut Luft. Erst wenn wir schlafen, fangen wir an zu schnarchen. Der Unterschied zwischen Wach und Schlaf ist, das die Muskelspannung, die den Sog beim Einatmen tagsüber spielend ausgleicht, beim Schlafen nachlässt. Dadurch wird es im Rachenbereich enger und wir schnarchen. Das ist zunächst harmlos. Aber es kann sein, dass der Luftweg völlig zusammenfällt und wir dadurch Atempausen haben. Wir sprechen hier von einer Obstruktion, einem Kollaps, also der obstruktiven Schlafapnoe.

Woran erkenne ich, dass ich an einer Schlafapnoe leide?

Das Hauptsymptom ist der unruhige Schlaf. Sie wachen morgens auf, das Bett ist zerwühlt und verschwitzt. Man ist tagsüber müde und erholt sich trotz ausreichender Schlafdauer nicht. Und natürlich an dem lauten und rhythmischen Schnarchen. Viele Betroffene, vor allem wenn sie alleine wohnen, wissen nicht, dass sie nachts um Atem ringen und keinen gesunden Schlaf haben.

Über wie viele Atemaussetzer reden wir?

Das ist genau das, was wir im Schlaflabor messen. Nämlich die Anzahl der Atemaussetzer pro Stunde Schlaf. Diese müssen bei Erwachsenen mindestens zehn Sekunden lang sein, um als krankhaft bewertet zu werden. Anhand dieser Zahl lässt sich die Schwere der Erkrankung einschätzen. Bis zu fünf Aussetzer pro Stunde sind noch im grünen Bereich, zwischen fünf und 15 gibt es einen Graubereich. Ohne Vorerkrankung ist es OK. Aber wenn schon z.B. Herzerkrankungen auftraten oder der Patient immer todmüde ist, dann sprechen wir von einer leichten Schlafapnoe. Ab 30 Atemaussetzer pro Schlafstunde ist es eine schwere.

Wie gefährlich ist die Schlafapnoe?

Ich habe Patienten, die knapp über 100 Atempausen haben. Das bedeutet: Die halten für mindestens 10 Sekunden die Luft an, atmen 20 Sekunden. Wenn Sie sehen, wie sehr die kämpfen und versuchen, die Luft einzuatmen und wie anstrengend das ist, dann merkt man sofort, dass die Leute krank sind. Zwei wesentliche Dinge passieren, die die Schlafapnoe so gefährlich machen: Erstens der Sauerstoffabfall. Dadurch schaltet der Körper auf Sparflamme. Irgendwann ist allerdings eine kritische Grenze erreicht, an der dann das Notfallhormon Noradrenalin ausgeschüttet wird. Jetzt bekommt das Herz salopp gesagt mit Anlauf einen Tritt in den Hintern und muss schneller schlagen als beim gesunden Schläfer. Dabei ist ja eine der ganz wesentlichen Funktionen des gesunden Schlafes, dass sich alles entspannen kann, auch das Herz. Aber hier powert es jetzt durch. Das bringt einen potenziell natürlich näher an einen Herzinfarkt. Außerdem durchläuft ein Schlafapnoiker nicht den schon angesprochenen Schlafzyklus, weil die Atempausen einen immer wieder hochschrecken lassen. Die Folgen sind: Müdigkeit, Herz-Kreislauf-Risiko wie Bluthochdruck, eine generelle Entzündung im Körper. Auch Diabetes kann sich verschlimmern.

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Wie behandeln Sie eine Schlapnoe?

Das hängt ein bisschen vom Schweregrad ab. Vereinfacht: Je schwerer die Schlafapnoe und je dicker der Patient desto weniger sinnvolle Alternativen zu einer Ventilationstherapie – der CPAP-Schlafmaske – gibt es. Sind Patienten weniger stark betroffen, dann interessiert mich der lokale Befund: Ist es die Zunge, die nach hinten fällt? Sind die Mandeln sehr groß? Ist es ein langes Zäpfchen? Ist das eine generelle Gewebeerschlaffung? Liegt das Problem nur in Rückenlage vor oder auch in Seitenlage? Teilweise bekommen die Patienten eine Schlafspritze und ich kann mich dann während sie schlafen und schnarchen mittels eines dünnen Endoskops auf die Suche nach dem Problem machen. Dann habe ich alle Informationen, die ich brauche, um zu entscheiden, ob der Patient operiert werden muss, oder vielleicht eine Zahnschiene schon Besserung bringen kann. Meistens ist allerdings der erste Schritt, dass die Patienten eine Maske bekommen. Für viele keine gute Vorstellung – klar, eine Gummimaske im Gesicht ist nicht sexy. Aber oft ist es so, dass viele schon nach einer Nacht sagen, dass sie lange nicht mehr so gut geschlafen haben. Allerdings ist es auch so, dass etwa ein Drittel nicht mit dieser Maske zurecht kommen.

Was hat es mit dem Zungenschrittmacher auf sich?

Das ist eine relativ neue Methode. Wir haben den ersten 2016 hier implantiert. Die Standardtherapie ist die atemsynchrone Variante. Davon gibt’s inzwischen über 14 000 Patienten weltweit. Und wir haben auch schon über 60 implantiert. Der Zungenschrittmacher setzt an dem Problem an, dass die Zunge im Schlaf nach hinten fällt. Das System ist ähnlich dem eines Herzschrittmachers. Zusätzlich wird noch ein Sensor zwischen die Rippen gesteckt, der genau misst wann der Brustkorb sich hebt und die Einatmung erfolgt. In einem zweiten Schnitt unter dem Kinn können wir genau den Zungennerv freilegen, der dafür sorgt, dass die Zunge sich nach vorne bewegt. Nach einer Einheilungsphase bekommt der Patient eine Fernbedienung und kann das Gerät vor dem Schlaf einschalten. Man kann sich von Stufe 1 bis 10 langsam an die gewünschte Stärke herantasten. Bei jedem Einatmen kommt die Zunge unmerklich nach vorne. Der Luftweg bleibt offen und die Schlafapnoe bleibt aus. Im Schlaflabor nehmen wir dann noch die Feinjustierung vor. Tagsüber ist das System ausgeschaltet. Der Hersteller verspricht, dass die Batterien 12 bis 14 Jahre halten. Aus den Daten des Herstellers wissen wir, dass der Zungenschrittmacher nach fünf Jahren deutlich intensiver genutzt wird als die CPAP-Maske.


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Zum Abschluss: Haben Sie noch Tipps für einen guten Schlaf?

Das Bett sollte der Ort der Ruhe sein. Sex darf man natürlich haben, aber kein fern sehen oder ins Smartphone schauen. Lesen als Einschlafritual ist gut – bestenfalls nichts aufregendes und nicht zu lange. Jeder hat ein Einschlaffenster von etwa einer halben Stunde. Wer bis dahin nicht eingeschlafen ist sollte, bevor er anfängt sich zu ärgern, das Bett wieder verlassen. Übrigens auch, wer nachts aufwacht und nicht wieder einschlafen kann. Man kann dann ruhig etwas arbeiten. Nach etwa eineinhalb Stunden kommt der nächste Schlafzyklus. Dann legt man sich wieder ins Bett. Warme Milch mit Honig, ein heißes Bad oder Alkohol verhelfen auch nicht zu einem gutem Schlaf. Aber eine Nacht, in der man mal nicht gut oder zu wenig geschlafen hat ist ja auch nicht schlimm.

Dieses Interview ist ein Auszug aus der aktuellen Podcast-Folge „Butter bei die Nierchen“. Diesen gibt es überall, wo es gute Podcasts gibt. Und auch direkt hier unten – einfach auf den Player klicken. Dort erklärt Prof. Verse unter anderem was während einer Nacht im Schlaflabor alles passiert und was zu tun ist, wenn Kinder schnarchen.

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