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  • Gebärmutterhalskrebs kann durch eine Infektion mit HP-Viren hervorgerufen werden.
  • Foto: 2021 Getty Images

Durch diese Impfung kann Krebs verhindert werden

Dieser Tage wird viel über nötige Impfungen gesprochen. Corona – unbedingt. Grippeschutz – dringend empfohlen. Professorin Linn Wölber ist eine der Leiterinnen des Dysplasie-Zentrums Hamburg am Krankenhaus Jerusalem. Und sie empfiehlt allen Frauen zur Verhinderung von Gebärmutterhalskrebs eine Impfung gegen das HPV-Virus. Warum außerdem eine regelmäßige Vorsorge zur Früherkennung von Dysplasien – also Veränderungen im Bereich der weiblichen Genitalien – wichtig ist, erklärt sie in diesem Gespräch.

MOPO: Das Dysplasiezentrum ist relativ neu am Krankenhaus Jerusalem. Wie kam es zu dieser Gründung?

Prof. Dr. Linn Wölber: Wir sind schon jahrelang gerade auf diesem Feld sehr spezialisiert.  Meine Kollegin Priv.-Doz. Dr. Katharina Prieske und ich waren früher ausschließlich am UKE. Wir haben aber sehr viele Patientinnen in diesem Bereich – was auch mit der verbesserten Krebsvorsorge zusammenhängt. Am UKE konnten wir uns räumlich nicht mehr erweitern, sodass wir zusammen mit dem UKE beschlossen haben, am Mammazentrum am Krankenhaus Jerusalem das Dysplasiezentrum Hamburg zu eröffnen.

Was ist eine Dysplasie?

Aus dem Altgriechischem heißt „Dys“ per se immer, dass etwas aus dem Ruder geraten ist, und „plasie“  heißt wachsen.  Also:  Zellen auf der obersten Schicht der Haut oder auch der Schleimhaut verändern sich, und die normale Struktur der Oberfläche ist geschädigt. Auf Deutsch bedeutet Dysplasie auch Krebsvorstufe. Wichtig ist aber die Betonung auf Vorstufe. Denn im Unterschied zum Krebs wächst diese nicht in die Tiefe, sondern befällt nur die Oberfläche.

Wenn Sie die Diagnose Dysplasie stellen, dann bedeutet das nicht automatisch Krebs?

Nein, in den allermeisten Fällen nicht. Es ist eine Krebsvorstufe und zunächst nichts Dramatisches. Wir entscheiden dann, wie schwerwiegend diese Vorstufe ist und ob und wie behandelt werden muss, damit nicht irgendwann daraus ein Krebs entsteht.

Prof. Dr. Linn Wölber ist eine der Leiterinnen des Dysplasiezentrums Hamburg am Krankenhaus Jerusalem. Martin Zitzlaff, Hamburg (hfr)
Prof. Dr. Linn Wölber
Prof. Dr. Linn Wölber ist eine der Leiterinnen des Dysplasiezentrums Hamburg am Krankenhaus Jerusalem.

Wo treten Dysplasien am häufigsten auf?

Am häufigsten betroffen ist der Gebärmutterhals. Das liegt daran, dass der sehr empfindlich ist. Wir haben im Laufe des Lebens einer Frau  dort ständige Umbauprozesse zwischen zwei verschiedenen Oberflächenbeschaffenheiten. Prinzipiell können diese Veränderungen aber im gesamten Bereich der genitoanalen Haut entstehen, sprich in der Scheide, an der Vulva und vor allen Dingen auch im Anal-Bereich.

Wie merkt eine Patientin, dass sie eine Dysplasie hat? Schmerzen treten nicht auf …

Nein, schmerzhaft sind die nicht. Deshalb sollte eine Frau auch regelmäßig zur Krebsvorsorge gehen. Von alleine merkt man die Veränderungen nämlich nicht. Wenn doch, dann ist es meistens schon zu spät. Das gilt für den Gebärmutterhals und die Scheide. Außen an der Vulva oder am Po-Bereich kann es zu Juckreiz oder einem Brennen kommen – muss aber nicht. Deshalb noch einmal der Hinweis auf die Wichtigkeit der Krebsvorsorge. Bei der Vorsorge wird ein Abstrich gemacht, der  solche Veränderungen ausschließen soll.

Wie oft sollte eine Patientin dann zu Ihnen kommen?

Zu mir hoffentlich nie im Leben (lacht).  Ich freue mich zwar immer über Patientinnen, aber es ist schöner, wenn es nicht nötig ist. Zu uns kommen die Frauen ja nur dann, wenn schon Auffälligkeiten festgestellt worden sind. Einmal im Jahr sollte jede Frau einen Vorsorge-Termin bei ihrer Frauenärztin oder ihrem Frauenarzt machen. Das gilt für alle Frauen ab dem 20. Lebensjahr. Ganz aktuell hat sich auch die Abstrich-Entnahme im Rahmen der Krebsvorsorge geändert. Früher wurde nur ein Zell-Abstrich vom Gebärmutterhals genommen. Seit diesem Jahr gehört bei Frauen über 35 Jahren auch ein Test auf Humane Papillomaviren (HPV) dazu, der übrigens sehr genau ist. Wenn die Abstriche unauffällig waren, dann ist der nächste Abstrich erst in drei Jahren nötig.

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Welche Rolle spielen die HPV?

Einfach gesagt: Ohne Viren keine Krebsvorstufe. Es gibt natürlich immer irgendwelche ganz seltenen Ausnahmen wie z.B. der schwarze Hautkrebs oder Bindegewebstumore. Aber der ganz große Anteil entsteht immer auf der Basis einer Infektion mit den Humanen Papillomaviren. Deshalb wurde die Krebsvorsorge wie gerade besprochen auch geändert.

Stimmt es, dass sich etwa 70 Prozent der Frauen zwar mit den HP-Viren infizieren, aber nur eine geringe Anzahl auch wirklich Zellveränderungen ausprägen?

Es sind in Nordeuropa sogar noch mehr als diese 70 Prozent. Die meisten Frauen infizieren sich durch Geschlechtsverkehr zum Ende der Teenagerphase. Das ist etwas ganz Normales. Beim Sex kommt es durch die Reibung zu kleinen Hautrissen, die Viren können dann gut in die Haut eindringen und dort die Infektion hervorrufen. Bei den allermeisten Frauen heilt diese Infektion dann nach etwa einem Jahr wieder von alleine aus, ohne dass sie etwas merken. Der Abstrich verändert sich nicht und man hat keine Beschwerden. Nur bei einem ganz kleinem Anteil der Frauen heilt diese Infektion nicht wieder aus – sie entwickeln eine persistente Infektion. Warum die Infektion nicht wieder ausheilt, ist wissenschaftlich noch nicht abschließend erforscht. Aber bei diesen Frauen kann dann eine Krebsvorstufe und ein Krebs entstehen.

Ist denn der Mann schuld?

Ja, die HP-Viren bringt der Mann mit.  Da man nicht nur einen Sex-Partner im Leben hat, hat man auch die Möglichkeit, das Virus weiterzugeben.  Dadurch, dass sich die Anzahl der Geschlechtspartner in den letzten Jahren deutlich vermehrt hat, ist das Risiko auch deutlich höher, sich anzustecken.


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Kondome schützen?

Ein spannender Bereich.  Es ist nämlich leider nicht so, dass Kondome immer schützen. Es gibt eine interessante amerikanische Studie unter College-Studenten. Die Studenten nutzen bei jeder sexuellen Handlung – also auch beim Anfassen oder Oralverkehr – Kondome. Das Risiko einer Ansteckung wurde zwar um 60 bis 70 Prozent reduziert, aber eben nicht zu 100 Prozent.

Können sich denn auch Männer infizieren?

Ja. Auch bei Männern entsteht eine genitale Infektion. Durch einen Abstrich an der Eichel oder aus der Harnröhre lassen sich die HP-Viren auch nachweisen. Männer haben aber einen Vorteil: Ihre Haut im Genitalbereich ist nicht so empfindlich wie bei den Frauen. Das Krebsrisiko ist dadurch erheblich geringer. Aber jeder Mann, der Veränderungen bei sich am Penis feststellt, sollte beim Urologen vorstellig werden.

Wie verläuft die Diagnostik bei Ihnen am Dysplasiezentrum?

Zu uns kommen in der Regel Frauen mit einem auffälligen Abstrich. D.h., der Frauenarzt ist der Meinung, dass der Befund einmal genauer abgeklärt werden sollte. Eine große Rolle bei der genauen Untersuchung des Gebärmutterhalses spielt bei uns die Kolposkopie. D. h., wir schauen unter einem Mikroskop sehr genau auf die Veränderungen. Aufgrund des visuellen Befunds  können wir schon ziemlich genau diagnostizieren, ob eine Krebsvorstufe vorliegt oder nicht. Darüber hinaus können wir eine Biopsie gewinnen, also etwas Gewebe vom Gebärmutterhals entnehmen. Das sind in der Regel schmerzfreie Untersuchungen.  Wenn wir eine hochgradige Krebsvorstufe finden, dann wissen wir, dass  daraus mit einer ca. 70-prozentigen Wahrscheinlichkeit einmal ein Krebs entstehen wird. Was wir nicht wissen, ist, wann das passiert.  Aber diese Art der Vorstufen sollte man in der Regel operativ entfernen.

Gibt es neben der OP noch andere Behandlungsmethoden?

Man teilt die Befunde in drei Stufen ein.  Bei ganz leichten Veränderungen würde man erst einmal abwarten und beobachten.  Bei den schweren Krebsvorstufen ist der Ansatz meist eine kleine Operation. Wichtig ist, dass die Operation so schonend wie möglich durchgeführt wird. Man kann heute sehr genau mit kleinen Schlingen oder dem Laser gezielt operieren. Während einer Schwangerschaft oder bei ganz jungen Frauen, die z.B. mit Anfang 20 schon schwere Krebsvorstufen haben, wartet man allerdings eher ab. Denn hier wissen wir, dass die Frauen nicht so schnell einen Krebs ausbilden und die Wahrscheinlichkeit, dass die Dysplasie von selbst wieder ausheilt, sehr hoch ist.

Kann man auch mehrfach an einer Dysplasie erkranken?

Wurzel des Übels ist – wir hatten es schon besprochen – die HPV-Infektion. Man kann sich also immer wieder mit den HP-Viren anstecken. Nur weil man einmal eine Infektion hatte, heißt es nicht, dass man immun ist gegen andere Infektionen. Auch eine alte Infektion kann wieder aktiv werden und zu erneuten Veränderungen führen.

Sie sagen also auch klar JA zur Impfung?

Auf jeden Fall. Bei welcher anderen Krebserkrankung gibt es eine Impfung als Vorsorge? Für mich ist es unverständlich, warum immer noch so wenige geimpft sind. Ehrlicherweise sage ich aber auch, dass es kein hundertprozentiger Schutz ist. Dafür gibt es zu viele HP-Viren. Aber bei 90 Prozent liegen wir schon, wenn die Impfung vor dem ersten Sex erfolgt.

Dieses Interview ist ein Auszug aus dem Gesundheits-Podcast „Butter bei die Nierchen“. Im Podcast spricht Prof. Linn Wölber auch über Dysplasien und Kinderwunsch. Den Podcast gibt es überall wo es gute Podcasts gibt und gleich hier:

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