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  • Foto: picture alliance/dpa

„Was wird man denn im Rückblick sagen“: Inniger Corona-Appell: Merkel emotional wie nie

Berlin –

So hat man sie bisher nur selten erlebt: Bundeskanzlerin Angela Merkel hat in einem emotionalen Appell dazu aufgerufen, in der Pandemie-Bekämpfung auf die Wissenschaft zu hören – und weitere, strenge Corona-Maßnahmen noch vor Weihnachten gefordert. 

Sie gestikulierte, wurde laut und ihre Stimme kippte teilweise fast: In der Generaldebatte im Bundestag hat Bundeskanzlerin Angela Merkel mit Blick auf die aktuellen Zahlen nachdrücklich dazu aufgefordert, den bislang geltenden Lockdown light zu verschärfen. Zwar habe dieser den exponentiellen Anstieg der Zahlen gebremst, aber immer noch gelte: „Die Zahl der Kontakte ist zu hoch!“ Merkel plädierte daher dafür, etwa die Weihnachtsferien um weitere drei Tage auf den 16. Dezember vorzuziehen.

Merkel: Wissenschaft „fleht“ um Kontaktreduzierung

Das gelte nicht nur für Schüler: Die Wissenschaft flehe geradezu darum, vor Weihnachten, bevor man Oma und Opa sehe, eine Woche der Kontaktreduzierung zu ermöglichen, sagte Merkel. „Wenn wir jetzt vor Weihnachten zu viele Kontakte haben und es anschließend das letzte Weihnachten mit den Großeltern war, dann werden wir etwas versäumt haben. Das sollten wir nicht tun“, so Merkel weiter.

Denn: „Was wird man denn im Rückblick auf ein Jahrhundertereignis mal sagen, wenn wir nicht in der Lage waren, für diese drei Tage eine Lösung zu finden?!“, sagte Merkel sichtlich bewegt und mit fast kippender Stimme. Es gab an dieser Stelle langen Zwischenapplaus im Bundestag – auch von anderen Parteien.

Berlin: Merkel mit emotionalem Appell an Bürger

Sie appellierte an die Bürger zu weiterer Rücksicht und Solidarität in der Krise. Denn: „Der wichtigste Schlüssel zur erfolgreichen Bekämpfung des Virus bei uns ist das verantwortliche Verhalten jedes Einzelnen und die Bereitschaft zum Mitmachen.“

Doch sie sei überzeugt, dass die große Mehrheit der Bevölkerung sich auch genau daran halte – wofür sie von Herzen dankbar sei. 

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Dass die Situation gerade vor allem für Restaurantbesitzer, Budenbetreiber und andere Gastronomen nicht leicht sei, gestand Merkel ebenfalls ein: „Es tut mir wirklich im Herzen leid, aber wenn wir dafür den Preis zahlen, dass wir Todeszahlen am Tag von 590 Menschen haben, dann ist das nicht akzeptabel aus meiner Sicht.“

Kanzlerin mit klarer Position zu wissenschaftlichen Empfehlungen

Die Bundeskanzlerin bezeichnete die Empfehlungen der Nationalen Wissenschaftsakademie Leopoldina für Geschäftsschließungen und eine Verlängerung der Weihnachtsferien bis zum 10. Januar als „richtig“. Mit Nachdruck appellierte sie dafür, diese Vorschläge ernst zu nehmen und verteidigte den Kurs, bei der Pandemiebekämpfung der Wissenschaft zu folgen. 

Europa heute stehe heute, wo es stehe, wegen der Aufklärung und dem Glauben an die Wissenschaft. „Es gibt wissenschaftlicher Erkenntnisse, die real sind, und an die man sich besser halten sollte“, so die Kanzlerin. Und: „Ich habe mich in der DDR zum Physikstudium entschieden, (…) weil ich ganz sicher war, dass man vieles außer Kraft setzen kann, aber die Schwerkraft nicht, die Lichtgeschwindigkeit nicht und andere Fakten nicht, und das wird auch weiter gelten.“

Wenn die Wissenschaft einen Impfstoff oder PCR-Tests entwickle, dann freue man sich, so Merkel weiter – sichtlich aufgeregt. „Und wenn die Wissenschaftler uns dann etwas sagen, dann fangen WIR an zu sagen: ,Na jaaa … ‚?!“, fuhr sie weiter vor. „Ich kann nur sagen: Nehmen wir das ernst!“

Merkel äußert sich zur Neuverschuldung während der Corona-Krise

Mit Blick auf die durch hohe Neuverschuldung finanzierten Haushaltspläne betonte die Kanzlerin, die besondere Situation in der man sich derzeit befinde. Sie bringe auch besondere Ausgaben mit sich: „Wir leben in einer Pandemie. Wir leben in einer Ausnahmesituation.“

Kanzlerin Merkel

Ungewohnt emotional: Bundeskanzlerin Angela Merkel während ihrer Rede im Bundestag.

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picture alliance/dpa

Doch Deutschland sei ein wirtschaftlich starkes und demokratisches Land, mit gesellschaftlichem Zusammenhalt und einer ebenfalls starken Zivilgesellschaft. „Diese Stärke, das ist das, was uns leitet in diesem Haushalt, die wollen wir auch in dieser Ausnahmesituation erhalten“. Dennoch sei es „alles andere als leicht“ mit Blick auf die kommenden Generationen, künftige Haushalte und Ausgaben nun Schulden in dieser Größenordnung aufzunehmen.

Familien unter besonderem Stress

Weiterhin würdigte Merkel die Leistungen von Familien in der Corona-Pandemie. „Die Familien stehen unter einem besonderen Stress, unter einer besonderen Herausforderung in diesen Zeiten“, sagte sie in der Generaldebatte im Bundestag. Man müsse sich diesen Stress immer wieder vor Augen halten. „Jeder ahnt, was jetzt los ist in den Familien, wenn man morgens nicht weiß, hat das Kind Schnupfen, kann es in die Schule gehen, was ist in der Schule los, was wartet auf uns.“

Die Regierung habe aber vieles für Familien getan, sagte Merkel. Sie verwies auf die Erhöhung des Kindergeldes ab dem kommenden Jahr, auf steuerliche Entlastungen für Alleinerziehende, den Abbau des Solidaritätszuschlags und die Erhöhung der Kinderkrankentage. Im Bereich Schule kritisierte Merkel, dass es in Deutschland die Anschaffung von Lehrerlaptops zu lange dauere. Von der Entscheidung, dass jeder Lehrer einen Laptop bekomme, bis zu der Umsetzung, dass jeder einen in der Hand halte, dauere es in Deutschland immer Monate. „Wir können an allen Stellen schneller werden, aber genügend Geld ist da.“ (vd/dpa)

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