• Menschen sitzen an der Sonne auf der Terrasse eines Cafés inmitten der Corona-Pandemie.
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Spaniens neue Freiheit: „Eine gewisse Zahl an Opfern einkalkuliert“

Madrid –

Madrid und Barcelona proben die Rückkehr ins normale Leben – trotz Corona. In Spaniens Hauptstadt sind Besuche im Theater und in den Museen, Tapas und Drinks in Bars oder Konzertbesuche wieder möglich. Funktioniert die Strategie?

Die Schulen und Geschäfte in Madrid sind geöffnet, die Terrassen der Restaurants voll besetzt und vor Theatern und Kinos stehen die Menschen in der Schlange. Ohne die Masken und die Abstandsregelungen könnte man beinahe vergessen, dass die Pandemie noch nicht vorbei ist.

Madrid versucht „normales“ Leben trotz Corona

Doch es gibt einen Preis für die spanische Lockerheit: „Es wurde den Lockerungen zuliebe schlicht eine gewisse Anzahl an Opfern einkalkuliert“, so Javier Segura del Pozo. Der Arzt und Epidemiologe gehörte im vergangenen Jahr zum Corona-Expertenkomitee der spanischen Zentralregierung und suchte ebenfalls einen Weg aus dem damals harten Lockdown.

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Dennoch ist er mit der jetzigen Handhabe nicht zufrieden. In der „Welt“ erklärt er: „Die Auslastung der Krankenhäuser ist seit Monaten konstant auf einem sehr hohen Niveau. Im Schnitt sterben in Madrid pro Tag 20 Menschen an Corona. Daran haben wir uns gewöhnt, und das kritisiere ich.“

Das Problem sei, dass zu viele Aktivitäten auch in Innenräumen stattfinden würden – in Einkaufszentren wie auch in Bars. Hinzu komme, dass es nicht genügend Personal zur Kontaktverfolgung und zu wenig Investitionen in das öffentliche Gesundheitssystem gebe.

Auch in Madrid gelten Beschränkungen

Doch trotz aller Lockerheit: Beschränkungen gibt es auch hier. So gilt beispielsweise von 23 bis 6 Uhr eine Ausgangssperre in Madrid. Die Pandemie spiegelt sich deutlich im Straßenbild wider – auch jenseits von Masken und Abstand. Viele Lokale und Schaufenster sind nach wie vor verrammelt: Die Besitzer mussten ihre Läden aufgeben.

Vor einem Jahr gehörte Madrid zu den globalen Hotspots der Pandemie. Mittlerweile ist die Lage vor Ort nicht mehr so finster, dennoch gehört Madrid weiterhin zu Spaniens Regionen mit den höchsten Corona-Fallzahlen. Die Sieben-Tage-Inzidenz liegt hier bei rund 110. Im Vergleich: Auf Mallorca liegt sie aktuell bei 25.

Doch trotz der steigenden Zahlen bleibt Madrid erst einmal auf Kurs: „Wir müssen bei jeder Entscheidung die wirtschaftlichen, sozialen und gesundheitlichen Schäden berücksichtigen“, sagt Antonio Zapatero Gaviria, der Vizechef des Madrider Gesundheitsministeriums, in der „Welt“.

Gesundheitsministerium kontrolliert Ct-Wert

Die vollen Terrassen der Restaurants freuten ihn, so Zapatero. Das Leben müsse schließlich weitergehen. Nur auf Inzidenzen zu schauen, hält er für falsch: „Wir gucken uns in Madrid seit einigen Monaten auch ganz genau den Ct-Wert der positiven Proben an“, sagt er.

Der Wert gibt Aufschluss, wie viele Zyklen ein PCR-Test durchlaufen hat, ehe Viruserbgut entdeckt wurde. Bei großer Viruslast reichen wenige Durchgänge, bei niedriger sind mehr nötig – der CT-Wert ist dort höher.

„Unsere Studien haben ergeben, dass ein positiv Getesteter ab einem CT-Wert von 28 nicht oder nicht mehr ansteckend sein kann“, erzählt Zapatero. „In der vergangenen Woche war das in Madrid bei knapp 50 Prozent der positiven Tests der Fall. Das beruhigt mich sehr.“

Barcelona: Erstes Großkonzert mit 5000 Fans

Doch nicht nur in Madrid versucht man, ein Leben mit dem Coronavirus auf die Beine zu stellen. Erstmals seit Beginn der Pandemie hat es in Barcelona am Samstagabend wieder ein großes Popkonzert mit 5000 Zuschauern gegeben. Der Auftritt der Indie Popband „Love of Lesbians“ war offiziell genehmigt und als Pilotprojekt gedacht.

Es soll getestet werden, ob solche Großveranstaltungen trotz Corona bei ausreichenden Vorsichtsmaßnahmen sicher sein können. Vor und während des Konzerts galten strenge Schutzmaßnahmen, die von einem Ärzteteam überwacht wurden: Alle Zuschauer mussten am Samstag einen Schnelltest machen. Nur 6 der 5000 Tests seien positiv ausgefallen, schrieb die Zeitung „La Vanguardia“. Außerdem wurden nur registrierte Besucher im Alter zwischen 18 und 65 Jahren eingelassen, die ein neueres Smartphone besaßen, um ein Programm für das Test-Ergebnis herunterladen zu können.

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Ob die Corona-Strategien in Madrid und Barcelona funktionieren oder die Fallzahlen weiter nach oben treiben, wird man in den folgenden Wochen beobachten können. (vd)

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