• Harmonisches Team: Robert Habeck und Annalena Baerbock
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Vor Kandidatenkür: Wie grün sind diese Grünen eigentlich noch?

Berlin –

Von rechten Telegram-Kanälen bis zur „Neuen Zürcher Zeitung“: Vielerorts ist die Erzählung einer „linksgrün versifften“ Partei noch präsent. Die, kaum an der Macht, einen Verbots-Sozialismus in Deutschland ausrufen wird. Gleichzeitig erschließen die Grünen sich ehemals konservative Wählerschichten.  „Fridays for Future“ sind sie nicht mehr radikal genug. Und die Kandidatenkür? Vom Realo-Fundi-Gezoffe früherer Tage keine Spur! Wie grün und links sind sie eigentlich noch, diese Grünen?

Als einige Zeit ein Korruptionsskandal nach dem nächsten aufploppte, in den CDU/CSU-Abgeordnete verwickelt waren, da sah es so aus, als ob es Ende des Jahres wirklich eine grüne Kanzlerin oder einen grünen Kanzler geben würde. In aktuellen Umfragen erholt die Union sich wieder. Von den von den Parteien gewollten Koalitionen  hätte derzeit nur Schwarz-Grün eine Mehrheit, laut „Kantar“-Sonntagstrend würden 29 Prozent die Union wählen, 22 Prozent die Grünen. Für Ampel oder R2G würde es nicht reichen.

Der einstige Bürgerschreck als Juniorpartner der Union?

Bis September fließt noch viel Wasser die Elbe herunter. Und Wahlen werden ja oft durch aktuelle Ereignisse wie die Katastrophe von Fukushima oder das Schröder’sche Hochwasser entschieden. Aber derzeit sähe es so aus, als ob der frühere grüne Bürgerschreck tatsächlich als Juniorpartner der Union in die Regierung kommen würde. Erinnern Sie noch die bärtigen Strickpulli-Grünen der Anfangstage, mit Sonnenblumen, Kakteen und Stricknadeln bewehrt? Lang ist’s her.

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Lang ist’s her: 1982, als grüne Delegierte noch strickten.

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„Ich erkenne meine Partei nicht mehr wieder“, sagte die Ur-Grüne Antje Vollmer im „Spiegel“. Professioneller, machtbewusster, angepasster seien sie. „Früher hätten die Grünen nicht leise auf eine Entscheidung der Vorsitzenden gewartet, um sie dann abzunicken“, so die 77-Jährige. Der Eindruck: Die Realos Baerbock und Habeck haben die Partei domestiziert. Die Fundis mit ein paar Brocken im Parteiprogramm abgespeist.

Mit Joschka Fischer fing es alles an

Im Grunde fing der Wandel der Grünen natürlich früher an. Joschka Fischer kassierte 1999 zwar noch einen Farbbeutel für seine Verteidigung eines Einsatzes der Bundeswehr im Kosovo. Aber, so Vollmer: „Es ist sein Verdienst und zugleich der Fluch, dass er aus einer quirligen, charismatischen Partei der explodierenden Egos ein machtpolitisches Instrument geformt hat.“

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1999 kassierte Joschka Fischer noch eine Farbbeutel-Attacke – wegen des Kosovos.

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Und die aktuellen Erben Fischers? Setzen den Weg zur Partei der Mitte fort. Natürlich hat das Wahlprogramm jede Menge grüne Klimathemen sowie linke Punkte wie den Willen zu einem bundesweiten Mietendeckel oder höheren Spitzensteuersätzen drin. Aber alles ein bisschen nach dem Motto: Wasch mich, aber mach mich nicht nass.

Fridays for Future lachen über grüne Klima-Pläne

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Wollen keine „leeren Versprechungen“ mehr: Fridays for Future.

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Zumindest die neuen Antreiber auf der Straße, „Fridays for Future“ & Co., lachen über die 60 Euro, die laut Grünen-Programm eine Tonne CO2-Ausstoß ab 2023 kosten sollen. 180 seien notwendig. AfD-Chef Jörg Meuthen sprach dennoch von einem „Fahrplan in den Öko-Sozialismus“.

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Die Wahrheit ist eine andere, liegt aber tatsächlich wortwörtlich in der Mitte: Egal ob Annalena Baerbock oder Robert Habeck heute nominiert wird, der Kurs der Partei ist schon lange nicht mehr radikal. Ob es am Ende eine grüne Kanzlerin mit zwei roten Juniorpartnern wird oder ein grüner Vizekanzler unter einem möglichen Unionskanzler – noch nie war beides so gleichermaßen denkbar.

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