• Ahmed Hadsch Istaifi sitzt vor den Trümmern seines Hauses, Tage nach der schweren Explosion im Hafen Beiruts.
  • Foto: dpa

Syrer floh nach Beirut: Nach Explosion: „Musste Gliedmaßen meiner Familie einsammeln“

BEIRUT –

Hunderttausende Syrer flohen während des Bürgerkrieges in den Libanon. Ihre Hoffnungen auf eine sicherere Zuflucht wurden durch die verheerende Explosion im Hafen von Beirut erschüttert. Noch immer fühlen sich einige von ihnen „wie im Krieg“.

Auf der Intensivstation eines Beiruter Krankenhauses bangt Ahmed Hadsch Istaifi um das Leben seiner Tochter. „Ich bete, dass sie es schafft“, sagt der Syrer, der eigentlich im Libanon Schutz vor dem Bürgerkrieg in seiner Heimat suchte. Nun verlor er bei der schweren Explosion im Hafen von Beirut seine Frau und zwei seiner Töchter. Istaifis drittes Mädchen kämpft in der Klinik ums Überleben.

„Ich habe die Gliedmaßen meiner Familie mit meinen eigenen Händen eingesammelt“

„Die Nachbarn haben meine dritte Tochter ins Krankenhaus gebracht“, schildert er am Telefon die Momente der Katastrophe. Im Stadtteil Karantina, in der Nähe des Hafens und auch seines Hauses, arbeitete Istaifi auf dem Bau. „Plötzlich hörten wir die gewaltige Explosion.“ Später fand er sein Haus in Trümmern vor, die Familie in Stücke gerissen, erzählt Istaifi: „Ich habe die Gliedmaßen meiner beiden Mädchen und meiner Frau mit meinen eigenen Händen eingesammelt.“

Beirut Aufräumarbeiten

Nach den verheerenden Explosionen in Beirut sind die Menschen vor Ort noch immer mit der Beseitigung des Chaos beschäftigt.

Foto:

imago images/Xinhua

Der trauernde Familienvater fühlt sich im Libanon nicht mehr sicher. „Wir sind vor einem Krieg in den anderen geflüchtet und das ist das Schlimmste“, sagt Istaifi, der aus der Provinz Idlib im Nordwesten von Syrien stammt, einem von Al-Kaida-nahen Milizen beherrschten Rebellengebiet.

Viele Syrer flohen nach Beirut

Seit 2011 flohen rund eine Million Syrer in den angrenzenden Libanon. Die meisten leben im Osten des Landes verteilt in nicht offiziellen Flüchtlingscamps.

Einige arbeiten in der Hauptstadt Beirut als Türsteher oder Bauarbeiter. Oft kommen Flüchtlinge in kleinen Einzimmerwohnungen in Nähe des nun von der Explosion gezeichneten Hafengebiets unter.

„Wir dachten, wir sind hier sicher. Wir haben uns geirrt“

Auch die 40-jährige Syrerin Instar al-Salih fühlt sich angesichts der Katastrophe von düsteren Erinnerungen an den Krieg eingeholt. Erneut fürchtete die vierfache Mutter um das Leben ihrer Kinder. „Als wir hergekommen sind, dachten wir, dass unsere Kinder hier sicher sind. Aber wir haben uns geirrt“, sagt al-Salih. Ihre Familie war erst vor fünf Jahren aus Aleppo vor den unablässigen Bombardierungen der syrischen Regierungskräfte auf die damals von Rebellen beherrschte Heimatstadt geflohen.

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Zum Glück hätten ihre Kinder die Explosion im Beiruter Hafen überlebt, sagt al-Salih erleichtert. Den Zeitpunkt der Detonation hat sie noch immer vor Augen: Die Kleinen waren vor dem Haus, um der Hitze der engen Wohnung zu entgehen. „Plötzlich spürten wir, dass der gesamte Boden unter unseren Füßen bebte und zersplittertes Glas auf uns herabregnete“, sagt al-Salih über die Explosion.

Die Katastrophe wurde möglicherweise durch große Mengen falsch gelagerten Ammoniumnitrats verursacht. Die Regierung soll über die drohende Gefahr im Hafen Bescheid gewusst haben. Mindestens 165 Menschen starben bei dem Unglück, 6000 wurden verletzt, Dutzende werden noch immer vermisst. (mik/dpa)

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