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Massive Explosionen: Hälfte von Beirut komplett zerstört – humanitäre Katastrophe droht

Beirut –

Nach den verheerenden Explosionen, die am Dienstag Beirut erschütterten, sprechen Hilfsorganisationen vor Ort inzwischen von mindestens 100 Toten. Das Ausmaß der Zerstörung ist riesig, Hunderttausende Menschen sind Schätzungen zufolge obdachlos geworden, die Regierung hat den Katastrophenzustand ausgerufen. Derweil erreicht eine internationale Welle der Solidarität die libanesische Hauptstadt, etliche Regierungen haben bereits Hilfe zugesichert – sogar Nachbar Israel, dessen Beziehung zum Libanon höchst angespannt ist.

Die Schäden durch die verheerenden Explosionen in Beirut betreffen nach Angaben der Behörden fast die halbe Stadt. Mindestens 100 Menschen sind jüngsten Schätzungen zufolge durch die Explosionen getötet, mindestens 4000 verletzt worden. Der Generalsekretär des Roten Kreuzes, George Kattanah, sagte der Deutschen Presse-Agentur, die Zahl der Opfer werde wahrscheinlich weiter steigen. Aus Sicherheitskreisen hieß es, es würden noch mindestens 100 Menschen vermisst. „Es liegen noch immer viele Menschen unter den Trümmern“, sagte ein Offizieller, der ungenannt bleiben wollte.

Explosionen in Beirut: Etwa 300.000 Menschen obdachlos

Bis zu 300.000 Bewohner der libanesischen Hauptstadt seien durch die Zerstörungen obdachlos geworden, sagte Gouverneur Marwan Abud am Mittwoch der Nachrichtenagentur AFP. Die Höhe der Schäden schätzte er auf insgesamt drei bis fünf Milliarden Dollar.

Zwei verheerende Explosionen haben am Dienstag große Teile der libanesischen Hauptstadt Beirut in Schutt und Asche gelegt.

Zwei verheerende Explosionen haben am Dienstag große Teile der libanesischen Hauptstadt Beirut in Schutt und Asche gelegt.

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Laut Ministerpräsident Hasan Diab waren am Dienstag 2750 Tonnen beschlagnahmtes Ammoniumnitrat detoniert. Das Material sei seit sechs Jahren ohne Vorsichtsmaßnahmen in einem Lagerhaus untergebracht gewesen. Diab kündigte an, die Verantwortlichen würden „zur Rechenschaft“ gezogen. Weshalb das Ammoniumnitrat explodierte, ist derweil weiter unklar.

Welle der Solidarität: Etliche Nationen schicken Hilfe in den Libanon

Rettungskräfte durchkämmten die Nacht hindurch die Trümmer auf der Suche nach Toten und Verletzten, die Suche wurde allerdings durch den Stromausfall in weiten Teilen der Stadt behindert. Erschwerend hinzu komme, dass die Krankenhäuser der Stadt durch die Corona-Pandemie ohnehin „an ihren Kapazitätsgrenzen“ seien, wie Kristof Kleemann, der Büroleiter der Friedrich-Naumann-Stfitung vor Ort, der Nachrichtenagentur AFP sagte. Nach der Doppelexplosion am Dienstag seien „zum Teil gar keine Patienten mehr angenommen“ worden. Umso wichtiger sei, dass die internationale Gemeinschaft humanitäre und medizinische Hilfe leiste.

Explosionen in Beirut: Mindestens 4000 Menschen wurden verletzt.

Mindestens 4000 Menschen wurden durch die Explosionen verletzt, die Kliniken in Beirut sind aufgrund der Corona-Pandemie allerdings bereits an der Kapazitätsgrenze.

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Und die ist am Mittwoch bereits angelaufen: Etliche Nationen haben Hilfe zugesichert und zum Teil bereits Materialien oder Helfer in den Libanon entsandt. Über das Zentrum für die Koordination von Notfallmaßnahmen der EU werden mehr als 100 Katastrophenhelfer in die libanesische Hauptstadt Beirut geschickt. Deutschland schickt ebenfalls noch am Mittwoch eine Gruppe des Technischen Hilfswerks (THW) in den Libanon. Auch Griechenland und die Republik Zypern schicken Rettungsmannschaften mit Spürhunden.

Frankreichs Präsident Macron reist nach Beirut

Frankreich hat nach Angaben des Élyséepalastes zwei Militärflugzeuge mit 55 Angehörigen des Zivilschutzes in das Land entsandt. Staatspräsident Macron kündigte darüber hinaus an, am Donnerstag selbst nach Beirut zu reisen. Der Libanon war früher Teil des französischen Mandatsgebiets im Nahen Osten, die beiden Länder sind immer noch eng verbunden.

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Auch Nachbarland Israel hat angesichts der katastrophalen Zustände in der libanesischen Hauptstadt Unterstützung zugesichert. Das Galiläa-Krankenhaus in der Stadt Naharija im Norden Israels hat Hilfe bei der Versorgung von Verletzten angeboten. Der Direktor, Massad Brahum, sagte am Mittwochmorgen im Armee-Radio: „Wir wollen nur eine helfende Hand reichen“. Zuvor hatte die israelische Regierung ein Hilfsangebot über internationale Kanäle unterbreitet.

Trotz Konflikts: Libanesische Farben sollen Rathaus in Tel Aviv erleuchten

Von libanesischer Seite wurden die Hilfsangebote aus Israel jedoch zurückgewiesen. Darauf angesprochen sagten Regierungsvertreter: „Wir nehmen keine Hilfe von einem feindlichen Staat an.“ Der Libanon und Israel haben keine diplomatischen Beziehungen. Offiziell befinden sich die beiden Nachbarländer noch im Krieg. An der Grenze kommt es immer wieder zu Spannungen zwischen der israelischen Armee und der libanesischen Schiitenmiliz Hisbollah.

Dennoch: Aus Solidarität sollen die Farben der libanesischen Fahne am Mittwoch das Rathaus der israelischen Küstenstadt Tel Aviv erleuchten. Humanität sei wichtiger als jeder Konflikt, schrieb Bürgermeister Ron Huldai bei Twitter. „Unsere Herzen sind nach diesem schrecklichen Unglück bei den Menschen im Libanon.“ In der Nacht zuvor waren bereits der Wolkenkratzer Burj Khalifa in Dubai und die Pyramiden von Gizeh in Ägypten in den libanesischen Nationalfarben beleuchtet worden.

Explosionen in Beirut: Libanon droht humanitäre Katastrophe

Große Teile der Stadt wurden zerstört, darunter der Hafen und mehrere Getreidesilos. Experten vermuten, dass die Folgen der Explosionen für den Libanon zur humanitären Katastrophe werden.

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Experten: Libanon steuert auf humanitäre Katastrophe zu

Die Folgen der Explosionen in Beirut könnten derweil zur humanitären Katastrophe für das ganze Land werden, vermuten Experten. „Diese Explosion ist der Sargnagel für die Wirtschaft des Libanons und für das Land im Allgemeinen“, prophezeit der Analyst Makram Rabah.

Der Libanon ist durch eine schwere Wirtschaftskrise gebeutelt, Korruption und die Corona-Pandemie haben die Lage noch verschärft. Große Teile der Bevölkerung sind unter die Armutsgrenze gerutscht, wissen nicht mehr, wie sie sich und ihre Familien ernähren sollen und könnten nun ihre Häuser nicht wieder aufbauen, weil das Geld fehle. In Beiruts Hafen seien unter anderem Getreidesilos zerstört worden. „Wenn wir uns die Zerstörung dieser Silos anschauen, dann bedeutet das, dass wir auf eine Hungerkrise und Engpässen bei Brot zusteuern“, schätzt Rabah.

Einer Frau, die gegenüber des Hafens lebt, steht der Schock auch am Tag danach noch ins Gesicht geschrieben. „Wir sind obdachlos, wir sind am Ende“, schreit sie. „Ich wünschte, ich wäre gestorben.“ (dpa/afp/skö)

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