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  • Die Briten wollen ihre neuen Freiheiten nutzen, um Sektflaschen mit dem Volumen eines Pint-Glases wieder einzuführen.
  • Foto: picture alliance/dpa | Paul Zinken

Schräge Brexit-Folge: Briten wollen Sektflaschen wie damals bei Churchill

Nicht zu viel und nicht zu wenig: Glaubt man Ex-Premier Winston Churchill, ist das Volumen eines britischen Pint-Glases die perfekte Größe für eine Sektflasche. Die Briten wollen nun den Brexit ausnutzen – und die Flasche jenseits aller EU-Normen zurückbringen.

Rund ein Jahr nach dem finalen Bruch mit der Europäischen Union wollen die Briten einem Bericht zufolge ihre neuen Freiheiten nutzen, um Sektflaschen mit dem Volumen eines Pint-Glases wieder einzuführen. „Pint-große Flaschen waren ein Opfer des Feldzugs der EU gegen imperiale Maßeinheiten, die in unserem Land weit verbreitet und bekannt sind“, sagte eine nicht-genannte Regierungsquelle dem „Telegraph“, wie die Zeitung am Freitag berichtete. „Jetzt, wo wir die EU verlassen haben, können wir solche Regeln loswerden.“ Die Regierung arbeite daran, diese zu ändern.

Briten wollen Pint-große Sektflaschen zurück

Nach EU-Normen werden Wein und Schaumwein in 0,75-Liter-Flaschen verkauft, kleinere Varianten sind die sogenannte halbe Flasche (0,375 Liter) und der Piccolo (0,2 Liter). Dem Bericht zufolge sollen früher rund 60 Prozent des im Vereinigten Königreich verkauften Sekts in Pint-großen Flaschen verkauft worden sein. Das sogenannte „Imperial Pint“ umfasst 0,568 Liter, es gibt allerdings auch eine kleinere Version, das „Modern Pint“, mit 0,5 Litern.

Ein großer Fan der „Pint Bottle of Champagne“ war Ex-Premierminister Winston Churchill, der Großbritannien unter anderem im Zweiten Weltkrieg regierte. Über seine Ehefrau soll er laut „Telegraph“ einst gesagt haben: „Clemmie denkt, dass eine große Flasche zu viel für mich ist, aber ich weiß, dass eine halbe nicht genug ist, um mein Gehirn zu reizen“. Das Pint-Maß sei daher die „ideale Größe“.

Außenministerin Liz Truss, die neuerdings für die Beziehung Großbritanniens zur EU zuständig ist, soll mehrere aus EU-Zeiten übrig gebliebene Regeln und Normen unter die Lupe nehmen wollen. Der konservativen Politikerin, die vor dem Brexit-Referendum noch für den Verbleib ihres Landes in der Europäischen Union warb, könnte das leicht verdiente Pluspunkte bei überzeugten Brexiteers einbringen. Truss werden Ambitionen nachgesagt, früher oder später Boris Johnson in der Downing Street ablösen zu wollen.

Brexiteers wollen „Kontrolle“ zurück

Im Sommer hatte die britische Regierung zur Freude der Brexit-Anhänger schon den Weg dafür freigemacht, dass Lebensmittelhändler wieder imperiale Maßeinheiten wie Unzen und Pfund als Angabe von Gewichten nutzen. Auch gefeiert wurde, dass die königliche Krone wieder auf Pint-Biergläser geprägt werden darf. Das Symbol – die „Crown Stamp“ – galt jahrhundertelang als Beleg für die korrekte Eichung der Gefäße, musste aber 2007 dem EU-einheitlichen CE-Zeichen weichen.

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Für die Brexiteers sind EU-Regeln, die Einheitlichkeit gesetzlich vorschreiben, eine emotionale Frage. „Take back control“ (deutsch: „die Kontrolle zurückgewinnen“) war das zentrale Versprechen der „Leave“-Kampagne – sei es bei den Grenzen der Insel oder eben bei mittelgroßen Sektflaschen.

Die neuen alten Flaschen könnten, wenn sie von allen Seiten grünes Licht bekommen, im kommenden Jahr wieder in britischen Supermärkten im Regal stehen. Der Winzer Mark Driver vom Rathfinny Estate in der südenglischen Grafschaft Sussex ist darauf vorbereitet: Rund 800 Pint-große Flaschen Cuvée hat Driver schon zurückgelegt, als sich der Brexit abzeichnete. Der Winzer ist ebenfalls überzeugt von der Größe: Man könne vier Gläser daraus füllen, also die perfekte Menge zum Teilen zu zweit. Die Argumentation: Aus kleineren Flaschen lassen sich nur drei Gläser füllen, was schlecht zum Teilen ist, während eine große Flasche für weniger trinkfeste Paare zu üppig ist.

Traditionen um negative Effekte des Brexits zu verdrängen

Der Fokus auf uralte Traditionen könnte auch daher rühren, dass man bedeutendere wirtschaftliche Chancen oder positive Effekte durch den Brexit bislang vergeblich suchen muss. Im Gegenteil: In den vergangenen Monaten zeigte sich eindrücklich, was alles nicht mehr läuft, wenn Arbeitskräfte aus der EU auf einmal fehlen: In Supermarktregalen klafften Lücke, und Tankstellen saßen auf dem Trockenen, weil nicht genug Menschen da waren, um Lastwagen von A nach B zu fahren.


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„Der gesamte Effekt des Brexits auf die britische Wirtschaft und den Lebensstandard der Menschen scheint negativ, aber unsicher“, schreibt die „Financial Times“ unter Berufung auf Ökonomen ein Jahr nach dem mühsam zwischen London und Brüssel ausgehandelten Handelspakt. Ob die neuen Sektflaschen den vom „Telegraph“ beschworenen „EU-Kater“ also wirklich lindern können, wird sich erst in den nächsten Jahren zeigen. (vd/dpa)

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