• Russische Rekruten bei einem Training auf einem Schießplatz in der Region Donezk
  • Foto: picture alliance/dpa/AP

„Russland verheizt Reservisten als Kanonenfutter“

Als Russlands Präsident Wladimir Putin vor gut drei Wochen zur Teilmobilmachung blies, 300.000 Reservisten zu den Waffen rief, da hieß es: Die Ex-Soldaten müssen nicht direkt an die Front. Offenbar stimmt das nicht. Unabhängige russische Medien und auch Kiew berichten, dass bereits etliche von ihnen in der Ukraine starben. Präsident Wolodymyr Selenskyj spricht gar von „Kanonenfutter“. Bringt die schiere Masse der Kämpfer die Wende für Putin? Die Lage ist komplex.

„Jetzt wirft Russland Tausende seiner mobilisierten Männer an die Front“, sagte Selenskyj in einer Videoansprache. Die russischen Kommandeure erwarteten, „dass die mobilisierten Russen im Krieg zumindest ein paar Wochen überleben und dann sterben“. Dann würden neue Soldaten geschickt. „Aber diese Zeit ermöglicht es den russischen Generälen, ihre Leute als Kanonenfutter zu benutzen, um zusätzlichen Druck auf unsere Verteidiger auszuüben.“

Auch Russland bestätigt tote Reservisten

Tatsächlich berichten auch russische Militärreporter, dass die Behörden mobilisierte Soldaten an verschiedene Einheiten entsenden, ohne deren Einsatzorte ordnungsgemäß zu dokumentieren. Daher hätten sich Familien bei der Militärführung beschwert. Nach Ansicht eines Reporters könnte die Situation dazu führen, dass Mütter und Ehefrauen Menschenrechtsgruppen gründeten, die „Russland von innen heraus zerreißen werden“.

Hunderttausende sollen schon vor der Einberufung das Land verlassen haben. Von offizieller russischer Seite wurde der Tod von fünf Männern aus dem sibirischen Gebiet Tscheljabinsk bestätigt. Andere sollen – auch wegen der schlechten Vorbereitung auf den Einsatz – schneller in ukrainische Kriegsgefangenschaft geraten.

Reservisten-Einheit verweigert Marschbefehl

Vor einigen Tagen berichtete das unabhängige russische Nachrichtenmagazin „Sota“ von mehr als 100 Reservisten, die den Marschbefehl verweigert hätten. Die Männer seien wenige Kilometer vor der ukrainischen Grenze stationiert. Zuvor aber sei ihnen ein Training in ihrer Heimatregion Brjansk versprochen worden, und zwar ohne danach an die Front verschoben zu werden.

Stattdessen habe es nur ein einziges Schießtraining gegeben und danach habe die Einheit den Marschbefehl in die Ostukraine erhalten. Ihr vermutliches Ziel: Das von der Ukraine zurückeroberte Lyman. Von der vorher dort stationierten Einheit soll nur ein Soldat überlebt haben.

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Trotz solcher Meldungen sieht Präsident Selenskyj seine Einheiten unter Druck. Die schiere Masse der neuen Kämpfer mache die Verteidigung seines Landes extrem schwierig.

Westliche Experten glauben dennoch an keine Wende zugunsten Putins: Russland habe „keine angemessenen Bedingungen geschaffen, um den Einsatz eingezogener Männer an der Front einzugliedern“, schrieb die Denkfabrik Institute for the Study of War (ISW) mit Sitz in Washington.

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