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Scholz vor'm Kabinett
  • Kanzler Olaf Scholz (SPD) gerät in Sachen russische Energie zusehends unter Druck.
  • Foto: picture alliance/dpa/Reuters/Pool | Michele Tantussi

Rohstoff-Boykotte: Der Druck auf Scholz wächst

Eine Leopoldina-Stellungnahme brachte neuen Schwung in die Diskussion. Laut der Akademie, die die deutsche Politik berät, wäre ein Rohstoff-Boykott für russisches Gas „handhabbar“. Zumindest mittelfristig. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) widersprach. Und Olaf Scholz (SPD)? Steht vor der schwierigen Aufgabe, sich vom Schröderschen Gas-Erbe zu lösen. Der Druck auf den Kanzler wächst.

Jetzt nur auf der SPD rumzuhacken, werde der Wirklichkeit auch nicht gerecht, beharrte der „Welt“-Journalist Robin Alexander bei „Markus Lanz“. Schließlich hätten die vergangenen Jahre auch CDU/CSU (2005-2021) und FDP (2009-2013) mitregiert und die Abhängigkeit Deutschlands vom russischen Gas auch mit zu verantworten.

Heiteres Lachen von Heiko Maas über Trumps Prophezeiung

Dennoch dürfte ein Einspieler, den die SPD heute bestimmt am liebsten vergessen würde, die Zuschauenden beeindruckt haben: 2018 prophezeite der damalige US-Präsident Donald Trump vor den Vereinten Nationen, dass Deutschland sich „vollkommen abhängig“ machen werde von russischer Energie, wenn es nicht sofort seinen Kurs ändere. Bei der deutschen Delegation um den damaligen Außenminister Heiko Maas (SPD): heiteres Lachen, Stirnrunzeln, Kopfschütteln.

Nun gibt Wirtschaftsminister Habeck offen zu: Wir haben uns in eben jene Abhängigkeit gebracht, und das war ein Fehler. Allerdings muss man sehen: Seine grüne Partei stand dem Leib-und-Magen-Projekt von Ex-Kanzler Gerhard Schröder (SPD), Nord Stream 2, schon immer skeptisch gegenüber.

Habeck und Scholz: Boykott vorerst nicht machbar

Habeck und Scholz widersprechen einmütig der Empfehlung der Leopoldina, nach der ein kurzfristiger Lieferstopp von russischem Gas möglich sei. Man arbeite mit Hochdruck an Energie-Alternativen, so der Kanzler. Aber: „Das geht nicht von heute auf morgen.“ Daher sei die weitere Zusammenarbeit mit Russland „eine bewusste Entscheidung“. Rund ein Drittel des deutschen Öls und über die Hälfte des deutschen Gases kommt aus Russland.


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Habeck sprang ihm bei: Die Rechnung der Leopoldina sei „abstrakt“ und spiegele „nicht die Wirklichkeit in Deutschland“ wider. Die Akademie hatte ein alternatives Maßnahmenpaket von kurzfristigen Flüssiggas-Einkäufen bis zu einer langfristigen Umstellung der Energieversorgung entworfen.

„Arbeitslosigkeit und große gesellschaftliche Schäden“

Ja, Deutschland fülle derzeit „die Kriegskasse“ Putins, und das sei ein Problem, so Habeck. Aber, wenn man etwa die Ölimporte stoppe, „dann reden wir über schwere Schädigungen des wirtschaftlichen Kreislaufs, über Arbeitslosigkeit, über große gesellschaftliche Schäden“. Ein Energie-Embargo müsse zudem nicht nur kurzfristig, sondern auch über drei Jahre durchzuhalten sein.

Tatsächlich: Schon jetzt steigen die Preise zusehends. Diesel, Benzin und E10 erreichen derzeit Höchstwerte – und das, obwohl das Öl noch fließt. Dennoch wächst der Druck, auch aus der Zivilgesellschaft, auf Kanzler Scholz. Greenpeace etwa schlug ein Maßnahmenpaket vor, das unter anderem vorsieht, das Tempo deutschlandweit zu drosseln, auf 100 Stundenkilometer auf Autobahnen, 80 auf Landstraßen und 30 innerorts.

Offener Brief von Neubauer, Rezo & Co.

In einem offenen Brief an Scholz, Habeck und Finanzminister Christian Lindner (FDP) forderten Klimaaktivistin Luisa Neubauer, YouTuber Rezo und andere einen sofortigen Importstopp für russische Rohstoffe. In dem über „Campact“ organisierten Schreiben heißt es: „Wir alle finanzieren diesen Krieg.“ Dies sei „unerträglich“.

Deutlich wurde am Mittwoch auch der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk. Berlins Weigerung, ein Embargo auf Gas und Öl aus Russland zu erheben, sei wie ein „Messer in den Rücken der Ukraine“, sagt der Diplomat der „Welt“. Er gehe jedoch davon aus, dass die Entscheidung der Bundesregierung keinen Bestand haben werde. „Wir glauben, dass diese Position moralisch nicht haltbar ist und fallen wird – wenn nicht in den nächsten Tagen, dann in den nächsten Wochen.“

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Rückendeckung für die Zurückhaltung in Sachen Boykott kam vor allem von CDU-Akteuren. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer beklagte die ohnehin schon „zerstörerische Wirkung“ der „völlig außer Rand und Band geratenen Energiepreise“. Saarland-Kollege Tobias Hans forderte gar eine Spritpreisbremse.

EU-Kommissarin Ursula von der Leyen indes forderte die EU-Bürger auf, Energie zu sparen.

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