Welternährung
  • Durch Russlands Krieg in der Ukraine ist die Ernährung von Millionen Menschen weltweit gefährdet. Sie könnten sich u.a. auf den weg nach Europa machen.
  • Foto: picture alliance/dpa | Anas Alkharboutli

Neue Flüchtlingsströme? So setzt Putin Hunger als Waffe ein

Der Krieg in der Ukraine wird nicht nur mit Panzern und Raketen geführt. Es handelt sich auch um einen „Kornkrieg“, wie es Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) nennt: Nahrungsmittel werden als Druckmittel eingesetzt. Schon bald könnten Hunger-Flüchtlinge aus Nordafrika und dem Nahen Osten nach Europa drängen, glaubt der deutsche Ex-Botschafter in Moskau.

„Wladimir Putin versucht gezielt, Hungerkrisen im Nahen Osten und in Nordafrika zu erzeugen“, sagte Rüdiger von Fritsch, langjähriger deutscher Botschafter in Moskau dem „Tagesspiegel“. Deshalb hindere Russland die Ukraine am Getreide-Export und bombardiere sogar Getreidesilos.

Eine neue Art der hybriden Kriegsführung

„Putins Kalkül besteht darin, dass nach dem Zusammenbruch der Getreidelieferungen die hungernden Menschen aus diesen Regionen fliehen werden und versuchen, nach Europa zu kommen – wie damals die Millionen Syrer, die vor den Schrecken des Krieges flohen“, sagte der Diplomat. „Mit neuen Flüchtlingsströmen will er Europa destabilisieren und politischen Druck aufbauen, damit westliche Staaten ihre harte Haltung gegen Russland aufgeben.“ Es handle sich um eine neue Art der hybriden Kriegsführung.

Russlands Armee blockiert seit Ende Februar die Häfen im Süden der Ukraine, über die vor Kriegsbeginn etwa 200.000 Tonnen Getreide täglich exportiert wurden. Die Ukraine versorgte so etwa 400 Millionen Menschen. Dazu kommt die gezielte Zerstörung von Eisenbahnlinien und Feldern.

Mindestens 20 Millionen Tonnen Getreide stecken fest

Momentan lagern in der Ukraine etwa 20 Millionen Tonnen Getreide, die vor allem in Afrika und Asien eigentlich dringend erwartet werden. Die Folge: Engpässe befeuern die Spekulationen, die Preise steigen. Für viele Familien beispielsweise in Afrika, die 80 Prozent ihres Einkommens für Nahrung ausgeben, ist das ein großes Problem.


Der Newswecker der MOPO MOPO
Der Newswecker der MOPO

Starten Sie bestens informiert in Ihren Tag: Der MOPO-Newswecker liefert Ihnen jeden Morgen um 7 Uhr die wichtigsten Meldungen des Tages aus Hamburg und dem Norden, vom HSV und dem FC St. Pauli direkt per Mail. Hier klicken und kostenlos abonnieren.


Putins perfide Strategie droht auch deshalb aufzugehen, weil die reichen Länder einen bizarren Umgang mit Lebensmitteln pflegen. „Es gibt eigentlich genug Lebensmittel, aber sie werden falsch verteilt“, erklärte jetzt Martin Frick, Chef des deutschen Welternährungsprogramm dem „Spiegel“.

16 Prozent des Getreides landen im Tank

Nach seiner Aussage wandern mehr als ein Drittel der Lebensmittel in reichen Ländern in den Müll. 60 Prozent des in Deutschland verwendeten Getreides lande im Futtertrog von Nutztieren. Noch mal rund 16 Prozent werden als Treibstoffbeimischung genutzt. Frick: „Hier müssen sich Gewohnheiten ändern. Solange Getreide im Tank und in solchen Mengen in den Trögen landet, ist die Versorgungskrise auch unsere Krise.“

Das könnte sie auch interessieren: Erneut dichtes Gedränge am Hamburger Flughafen

Doch es müssen vor allem schnelle Lösungen her. So ist die Zahl der von Ernährungsunsicherheit bedrohten Menschen von 2019 bis heute laut Vereinten Nationen (UN) von 135 auf 276 Millionen gestiegen. Mehr als eine halbe Millionen Menschen sind unmittelbar vom Hungertod bedroht – fünf Mal mehr als 2016.

Guterres warnt vor jahrelanger Ernährungskrise

UN-Generalsekretär António Guterres hat den Kreml-Herrscher an seine weltweite Verantwortung erinnert. „Russland muss den sicheren Export von in ukrainischen Häfen gelagertem Getreide zulassen“, forderte er wiederholt. Sonst drohe eine Krise, die „viele Jahre andauern kann“.

Email
Share on facebook
Share on twitter
Share on whatsapp