• Die weißrussische Polizei verhaftet den Journalisten Roman Protassewitsch (2.v.l). Hier im Jahr 2017.
  • Foto: dpa/AP

Nach erzwungener Landung: Von belarussischem Oppositionellen fehlt jede Spur

Minsk/Brüssel –

Europas letzter Diktator fürchtet einen 25-jährigen Blogger so sehr, dass er einen internationalen Skandal in Kauf nimmt: Alexander Lukaschenko, Präsident von Belarus, hat ein Ryanair-Flugzeug in Minsk zur Landung gezwungen, um den Oppositionellen Roman Protassewitsch verhaften zu lassen. Von dem Journalisten fehlt seitdem jede Spur.

Als der Kapitän den Passagieren des Ryanair-Flugs von Athen nach Vilnius in Litauen am Pfingstsonntag mitteilt, dass die Maschine durch ein Kampfflugzeug zur Landung in Minsk aufgefordert wird, gerät Roman Protassewitsch in Panik. „Sie werden mich hinrichten“, sagt er einem Passagier, als er nach der Landung aus dem Flugzeug gezerrt wird.

Protassewitsch wird in Belarus per Haftbefehl gesucht

So schildern Fluggäste die dramatischen Minuten in Minsk. Mit von Bord gehen vier Männer – belarussische KGB-Agenten, wie Ryanair-Chef Michael O’Leary sagt. Das Flugzeug wurde vom belarussischen Militär mit dem Hinweis auf eine angebliche Bombendrohung zur Landung in Minsk gezwungen. Dabei wäre der nächstgelegene Flughafen zu diesem Zeitpunkt bereits Vilnius gewesen.

Nach etwa einer Stunde durfte die Ryanair-Maschine ihren Flug fortsetzen – was die EU-Kommissarin für Verkehr, Adina Valean, veranlasste, auf Twitter ungerührt von einer „großartigen Nachricht für alle“ zu schreiben. Protassewitsch wird in Belarus per Haftbefehl wegen angeblicher Anstachelung zu einem gewaltsamen Aufstand gesucht. Der Reporter war nach der Niederschlagung der Proteste nach der jüngsten Parlamentswahl nach Litauen ins Exil geflohen.

Vater von Protassewitsch: „Wir hoffen auf das Beste“

Von Vilnius aus war er mit seiner Lebensgefährtin für einige Tage in Griechenland im Urlaub. In Europa und den USA sorgte der Vorfall für Empörung. CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen sprach von „Staatsterrorismus“. Außenminister Heiko Maas (SPD) bestellte den belarussischen Botschafter ins Auswärtige Amt ein. „Die bisherigen Erklärungen der belarussischen Regierung für die erzwungene Landung eines Ryanair-Flugzeuges in Minsk sind abwegig und nicht glaubwürdig“, erklärte Maas. Belarus bestreitet, Protassewitsch überhaupt verhaftet zu haben. „Wir hoffen auf das Beste“, sagt Protassewitschs Vater Dimitri Protassewitsch einem Radiosender.

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Er ist überzeugt, dass es sich um eine sorgfältig geplante Operation „wahrscheinlich nicht nur von den Geheimdiensten von Belarus“ handelte. Russland ist enger Verbündeter von Belarus – und sicherte dem Nachbarn einmal mehr volle Unterstützung zu. Die Operation habe ein großes Ausmaß, „um der gesamten internationalen Gemeinschaft ins Gesicht zu spucken“, sagte Dimitri Protassewitsch.

Die EU setzte das Thema auf die Tagesordnung ihres am Montagabend begonnenen Gipfeltreffens. Dabei sollte es auch um neue Sanktionen gehen. Im Gespräch war unter anderem ein Flugverbot für die belarussische Fluglinie Belavia in der gesamten EU. (cmb)

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