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Rekrutierung
  • Russische Soldaten vor einem mobilen Rekrutierungsbüro. Freiwillig ziehen die Wenigsten in den Krieg. Viele Männer versuchen sich dem Schicksal als Kanonenfutter durch Flucht ins Ausland zu entziehen. Sollte Deutschland sie aufnehmen?
  • Foto: Erik Romanenko/TASS/Imago

Massenflucht: Sollten wir russische Deserteure aufnehmen?

Die „Abstimmung mit den Füßen“ hat längst begonnen: Nach Putins Mobilmachungsbefehl hat in Russland eine zweite große Fluchtwelle eingesetzt. Vor allem jüngere Männer fürchten, an die ukrainische Front zu müssen. Sollte Deutschland russischen Kriegsdienstverweigerern und Deserteuren Asyl gewähren? Nicht alle wären damit einverstanden.

Viele wehrfähige Männer in Russland haben ein riesiges Problem: Sie haben sich einst durch Bestechung einen Ausweis gekauft, der ihnen bestätigt, Reservist zu sein. Das brachte ihnen Vorteile. Dabei hatten sie noch nie eine Waffe in der Hand. Doch genau diese Gruppe der Reservisten zieht Putin nun ein. Neben der generellen Unlust, als Kanonenfutter in einem sinnlosen Krieg verheizt zu werden, trägt auch diese Vorgeschichte zu einer massiven Fluchtbewegung aus dem Land bei.

Der Sohn des Kreml-Sprechers will nicht an die Front

Doch nicht alle russischen Männer können einfach ausreisen – Flugtickets sind fast unerschwinglich geworden – oder es so wie der Sohn von Kreml-Sprecher Dmitri Peskow machen: Nikolai Peskow hatte während eines getürkten Anrufs eines oppositionellen Youtubers, der ihm vorgaukelte Peskow werde eingezogen, erklärt, er werde nicht im Rekrutierungsbüro erscheinen – und die Sache „auf anderer Ebene klären“. So haben beispielsweise viele russische Demonstranten gegen die Mobilmachung nach ihrer Verhaftung noch in der Arrestzelle ihren Rekrutierungsbefehl erhalten. Und auch viele russische Frontsoldaten wollen inzwischen nicht mehr kämpfen. Ihnen bleibt fast nur noch die Flucht gen Westen.

Wie also mit dieser Gruppe umgehen? Innerhalb der Ampel-Koalition herrscht weitgehend Einigkeit: „Wer sich als Soldat an dem völkerrechtswidrigen und mörderischen Angriffskrieg Putins gegen die Ukraine nicht beteiligen möchte und deshalb aus Russland flieht, dem muss in Deutschland Asyl gewährt werden“, sagt Irene Mihalic (Grüne).

Faeser zeigt sich offen für Aufnahme von Soldaten

Und auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) erklärte: „Von schweren Repressionen bedrohte Deserteure erhalten im Regelfall internationalen Schutz in Deutschland. Wer sich dem Regime mutig entgegenstellt und deshalb in größte Gefahr begibt, kann in Deutschland wegen politischer Verfolgung Asyl beantragen.“ Allerdings sei dies eine Einzelfall-Entscheidung und gehe mit einer Sicherheitsüberprüfung einher. Auch Unions-Vize Johann Wadephul (CDU) spricht sich dafür aus, jetzt großzügig mit humanitären Visa umzugehen: „Das muss auch für Soldaten gelten, die sich offen gegen das Putin-Regime stellen.“

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Der ukrainische Noch-Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk, hält das für den „falschen Ansatz“: „Junge Russen, die nicht in den Krieg ziehen wollen, müssen Putin und sein rassistisches Regime endlich stürzen, anstatt abzuhauen und im Westen Dolce Vita zu genießen“, twitterte er. Doch auch das bleibt nicht unwidersprochen: „Es ist besser, wenn sich Regimegegner aus dem Exil heraus für Veränderungen in ihrer Heimat einsetzen, als wenn sie jahrelang in russischen Gefängnissen sitzen“, argumentiert Anton Hofreiter (Grüne). Voraussetzung dafür sei aber, dass sie es überhaupt nach Deutschland schaffen.

„Pro Asyl“ forderte eine neues Einreise-Verfahren

„Man muss ein Verfahren etablieren, wie diese Menschen die europäischen Außengrenzen übertreten können“, sagt auch „Pro-Asyl“-Geschäftsführer Günter Burkhardt. Anderenfalls sei die Diskussion „ohne Substanz“. Burkhard forderte die humanitären Visa auch auf von der Teilmobilmachung betroffenen Russen auszuweiten, denen die Ausreise in Länder wie Georgien oder die Türkei gelungen ist. Dies solle auch für aus Belarus geflüchtete Soldaten gelten.

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