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Eine Ukrainerin neben einem Haus, das von einer Rakete zerstört wurde. Am Freitag sind russische Truppen bis nach Kiew vorgerückt.
  • Eine Ukrainerin neben einem Haus, das von einer Rakete zerstört wurde. Am Freitag sind russische Truppen bis nach Kiew vorgerückt.
  • Foto: dpa

Kampf um Kiew: Ukraines Hauptstadt erwartet „sehr schwierige Nacht“

Russische Truppen stehen vor der ukrainischen Hauptstadt – die Metropole ist im absoluten Ausnahmezustand. Mit Panzern und schwerer Militärtechnik verteidigt die ukrainische Armee Kiew. Der Einmarsch könnte bevorstehen.

Gefechte in den nördlichen Stadtbezirken und Schüsse nahe der Regierungszentrale: Am Freitag rückte die russische Armee Berichten zufolge bis nach Kiew vor. Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko warnt die Einwohner der ukrainischen Hauptstadt vor einer „sehr schwierigen Nacht“. „Die Situation ist bedrohlich für Kiew – ohne Übertreibung“, schreibt er im Nachrichtenkanal Telegram. Russische Truppen seien in der Nähe der Millionenmetropole. Klitschko zufolge gab es am Abend fünf Explosionen im Abstand von drei bis fünf Minuten. Zunächst war unklar, was genau vorgefallen war.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj bestätigte Todesopfer nahe der Stadt. Außenminister Dmytro Kuleba sprach sogar von „schrecklichen russischen Raketenangriffen“ auf die Großstadt, in der etwa 2,8 Millionen Menschen leben. Nach eigenen Angaben zerstörte die ukrainische Armee zwei Raketen im Anflug auf Kiew.

Krieg in der Ukraine: Kiewer sollen Molotow-Cocktails vorbereiten

Ein absoluter Schock für die Einwohner. Sie wurden aufgefordert, ihre Wohnungen nicht zu verlassen und russisches Militär zu melden. Viele suchten unter Sirenengeheul in Kellern oder U-Bahn-Stationen Schutz oder versuchten, doch noch aus der Stadt zu fliehen. Der „New York Times“ zufolge wurden bei Zügen aus Kiew Fenster geschlossen und Lichter ausgeschaltet, um dem russischen Militär kein Ziel zu bieten.

Menschen suchen Schutz in einem Keller eines Gebäudes, während die Sirenen neue Angriffe ankündigen. dpa
Menschen suchen Schutz in einem Keller eines Gebäudes, während die Sirenen neue Angriffe ankündigen.
Menschen suchen Schutz in einem Keller eines Gebäudes, während die Sirenen neue Angriffe ankündigen.

Zugleich bewaffnete sich die Stadt: Gegen Mittag erklärte das Verteidigungsministerium 18.000 Gewehre und Munition verteilt zu haben – sogar Molotow-Cocktails sollten die Kiewer zum Kampf vorbereiten. „Die Stadt ist im Verteidigungsmodus“, sagte Bürgermeister Vitali Klitschko am Nachmittag. Zugleich versucht man zu beruhigen: Explosionen und Schüsse in einigen Gegenden bedeuteten, dass russische „Saboteure“ ausgeschaltet würden, so Militärsprecher Olexij Arestowytsch.

Ukrainische Soldaten beziehen Stellung auf einer Brücke in Kiew, um die Stadt zu verteidigen. dpa
Ukrainische Soldaten beziehen Stellung auf einer Brücke in Kiew, um die Stadt zu verteidigen.
Ukrainische Soldaten beziehen Stellung auf einer Brücke in Kiew, um die Stadt zu verteidigen.

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Die russischen Truppen hatten sich der Hauptstadt von Norden und Nordwesten genähert. Eigenen Angaben zufolge haben sie die Stadt von Westen her blockiert. Der strategisch bedeutsame Flugplatz Hostomel sieben Kilometer nordwestlich von Kiew sei eingenommen worden, hieß es. Die ukrainische Regierung erklärte hingegen, die Angriffe zurückgeschlagen zu haben. Die Angaben konnten nicht unabhängig geprüft werden.

Selenskyj telefonierte am Abend einmal mehr mit US-Präsident Joe Biden, postete auf Facebook außerdem ein Video von sich und weiteren ranghohen Politikern im Regierungsviertel von Kiew. Er wollte damit Gerüchten entgegentreten, er verstecke sich in einem Bunker oder sei aus der Stadt geflohen.

Ukraine-Krieg: Bereits mindestens 25 Zivilisten getötet

Auch in anderen Teilen des Landes bleibt die Lage undurchsichtig. Russland ist offenbar in Gebiete im Süden, Osten und Nordosten eingedrungen. Ukrainischen Angaben zufolge gab es auf der eigenen Seite mehr als 130 getötete Soldaten, Russland soll aber bereits 2800 Soldaten „verloren“ haben – ob sie getötet, verwundet oder gefangen wurden, ließ das Ministerium offen. Russland selbst gab keine Verluste bekannt.

Auf diesem vom Pressedienst der ukrainischen Polizei veröffentlichten Foto inspizieren Feuerwehrleute die Schäden an einem Gebäude nach einem Raketenangriff auf ukrainische Hauptstadt. dpa
Auf diesem vom Pressedienst der ukrainischen Polizei veröffentlichten Foto inspizieren Feuerwehrleute die Schäden an einem Gebäude nach einem Raketenangriff auf ukrainische Hauptstadt.
Auf diesem vom Pressedienst der ukrainischen Polizei veröffentlichten Foto inspizieren Feuerwehrleute die Schäden an einem Gebäude nach einem Raketenangriff auf ukrainische Hauptstadt.

Für die Ukrainer spitzt sich die Lage zu: Selenskyj erklärte, dass die Russen keinen Unterschied zwischen militärischen Zielen und Wohnhäusern machen würden. Der ukrainische Außenminister warf Russland sogar vor, auch einen Kindergarten und ein Waisenhaus angegriffen zu haben. Die „New York Times“ zeigt ein Video mit Neugeborenen, die in der Stadt Dnipro zum Schutz vor Raketenangriffen in den Keller eines Krankenhauses gebracht wurden.

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Dem UNO-Menschenrechtsbüro nach gibt es Berichte von mindestens 25 zivilen Todesopfern und 102 Verletzten. Die tatsächliche Zahl könnte deutlich höher sein. Die Vereinten Nationen schätzen, dass bereits 100.000 Menschen auf der Flucht sind – und bis zu vier Millionen fliehen könnten, wenn sich die Lage weiter verschlechtert.

Putins Einmarsch: Meinte er das Gesprächsangebot ernst?

Unterdessen zeigte sich Putin für Friedensgespräche bereit – Selenskyj hatte ihm zuvor bereits zwei Treffen angeboten. Wie viel dieses Angebot nun wert ist, ist unklar. Schon kurz darauf forderte Putin die ukrainische Armee auf, ihren Präsidenten zu stürzen. „Nehmt die Macht in eure Hände. Mir scheint, Verhandlungen zwischen euch und uns wären einfacher“, sagte er. Die Mitglieder der ukrainischen Regierung nannte Putin „Bande von Drogenabhängigen, Neonazis und Terroristen“.

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