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  • Menschen im Fahrstuhl (Symbolbild)
  • Foto: picture alliance

Wer in Deutschland hart arbeitet, der kann es zu etwas bringen? Das stimmt nicht mehr

Wer in Deutschland hart und gut arbeitet, der kann es zu etwas bringen. Dieses Klischee stimmt nur noch teilweise. Die Mittelschicht jedenfalls ist zuletzt so stark geschrumpft, wie in keinem anderen Industrieland der Erde. Immer mehr Menschen im erwerbsfähigen Alter sind von Armut bedroht. Im sozialen Fahrstuhl geht es für viele nur noch abwärts.

Lag der Anteil der Mittelschicht im Jahr 1995 noch bei 70 Prozent, gehören heute nur noch 64 Prozent der Bundesbürger zu dieser Gruppe. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der OECD und der Bertelsmann-Stiftung. Die Mittelschicht bilden darin jene Menschen, die zwischen 76 und 200 Prozent das mittleren verfügbaren Einkommens ausgeben kann – das entspricht heute 1500 bis 4000 Euro für Singles und 3000 bis 8000 Euro für Paare mit zwei Kindern.

Die Pandemie könnte die Situation noch verschärfen

Die Schrumpfung dieser Gruppe erfolgte vor allem in einem bestimmten Zeitraum: in den Jahren von 1995 bis 2005, in den Jahren der Kanzler Helmut Kohl und Gerhard Schröder. Die schlechte Nachricht: Danach wuchs die Wirtschaft zwar wieder stärker, aber die Mittelschicht profitierte kaum.

Im Gegenteil: Von 2014 bis 2017 rutschten etwa 22 Prozent der 18- bis 64-Jährigen in die untere Einkommensschicht (50 bis 75 des Durchschnittseinkommens) und sind so laut Studie Armut bedroht. Es gebe Anzeichen dafür, dass der Schrumpfkurs sich durch die Pandemie noch verschärft habe. Der „soziale Fahrstuhl“ für die Mittelschicht scheint also nur noch eine Richtung zu kennen: abwärts.

„Bildungsrückstände müssen aufgeholt werden“

Die Studie zeigt, dass Bildung insgesamt eine wichtige Rolle spielt. Denn der Anteil der 25- bis 35-Jährigen mit niedrigem oder mittlerem Bildungsniveau, die es in die Mittelschicht schaffen, sank deutlich. „Bildungsrückstände, die durch die Pandemie entstanden sind, müssen dringend aufgeholt werden, sonst wird vielen der mühsame Aufstieg in die Mittelschicht zusätzlich erschwert“, fordern die Studien-Autoren deshalb.


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Lohndumping in vielen Arbeitsbereichen ist ein weiteres Problem: Inzwischen arbeitet ein Sechstel der Vollzeitbeschäftigten, die in Mittelschichthaushalten leben, im Niedriglohnsektor. Bei Beschäftigten in der unteren Einkommensgruppe ist der Anteil sogar viermal so hoch.

Forderung: Bessere Jobchancen für Frauen

Die Studie erhebt konkrete Forderungen an die Politik, um den sozialen Aufstieg wieder mehr Menschen zu ermöglichen. So sollten die Löhne und Jobchancen von Frauen verbessert werden, da immer häufiger zwei gut bezahlte Arbeitsplätze nötig seien, um zur Mittelschicht zu gehören.

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Außerdem fordern die Autoren auch eine Ausbildungsgarantie für junge Menschen unter 25 Jahren. In diesem Punkt immerhin scheint die kommende Ampel-Koalition aufmerksam zu sein. Eine solche Ausbildungsgarantie wird im Koalitionsvertrag erwähnt.

Fortbildung wird für viele zum Problem

Und schließlich sollten die Möglichkeiten für lebenslanges Lernen verbessert werden. Ein Problem ist bisher: Viele Familien können es sich bislang oft weder finanziell noch zeitlich leisten, dass ein Verdiener für eine Weiterbildung längere Zeit ausfällt. Andere Länder wie Österreich hätten in diesem Bereich längt ein ausgeklügeltes Unterstützungssystem – anders als Deutschland.

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