Grüne Jugend hat neue Chefs: Sie wollen Partei auf links drehen
Viele werden aufatmen bei den Grünen: Die umstrittene Co-Chefin der Nachwuchsorganisation Grüne Jugend, Jette Nietzard, ist nicht mehr im Amt. Doch auch die beiden neuen Chefs wollen unbequem und laut sein, so kündigen sie es an.
Die Grüne Jugend hat ein neues Führungsduo: Bei ihrem Bundeskongress in Leipzig hat die Grünen-Nachwuchsorganisation Henriette Held und Luis Bobga als Nachfolger von Jette Nietzard und Jakob Blasel gewählt, die beide nicht mehr kandidiert hatten. Nietzard hatte mit zahlreichen provokanten Äußerungen viel Widerstand auch in der eigenen Partei ausgelöst.
Held wurde mit 93,6 Prozent der abgegebenen Stimmen gewählt, Bobga mit deutlich schlechteren 76,2 Prozent. Beide hatten keine Konkurrenz und hielten umjubelte Bewerbungsreden.

Die WochenMOPO – ab Freitag neu und überall, wo es Zeitungen gibt!
Diese Woche u.a. mit diesen Themen:
- Halbgötter in Weiß: Hamburger Ärztin prangert Macho-Strukturen an Kliniken an
- Veddel als Klo? Seit Jahren wird der Stadtteil im Volkspark gesanglich verhöhnt. Jetzt reicht’s einer Initiative
- Franzbrötchen-Liebe: MOPO-Leser verraten, wo es ihrer Meinung nach die besten gibt
- 20 Seiten Sport: St. Paulis Trainer über seine Träume, HSV kämpft um Vuskovic & ETV-Volleyballerinnen erstklassig
- 28 Seiten Plan7: Jazzclub Birdland wird 40 & Fatih Akins bewegendes Nachkriegsdrama „Amrum“
- Große Rätselbeilage: Knobelspaß für jeden Tag
Held: Sichtbarkeit für ostdeutsche Perspektiven
Die beiden neuen Bundessprecher, wie die Grüne Jugend ihre Chefs nennt, sind beide 23 Jahre alt. Held kommt aus Berlin und studiert in Greifswald Klima- und Umweltrecht. „Weil wir in den letzten Jahren gesehen haben, wie wir auf dem Rechtsweg Klima- und Generationengerechtigkeit auch ganz konkret einklagen können“, wie sie in ihrer Bewerbung schreibt. „Die Klimakrise, die ist kein Naturphänomen, die ist eine Klassenfrage und eine Frage der sozialen Gerechtigkeit“, sagte sie in ihrer Bewerbungsrede.

Die bisherige Vorsitzende des Grüne-Jugend-Landesverbands Mecklenburg-Vorpommern will die Lage in Ostdeutschland stärker auf die Agenda heben: „Wir müssen zu den Menschen vor Ort. Zu denen, die sich abgehängt fühlen, die nicht gehört und repräsentiert werden. Wir müssen Sichtbarkeit für ostdeutsche Perspektiven und Themen im Verband und in politischen Debatten schaffen“, schreibt sie.
Den Grünen wirft Held die Beteiligung an Verschärfungen der Asylpolitik in den vergangenen Jahren vor, sie will sich für einen linkeren Kurs einsetzen: „Jetzt ist die Zeit, Verteilungsfragen zu stellen.“
Bogba: „Können und werden Partei wieder auf links drehen“
Das gilt auch für Bobga. „Wir können und wir werden diese Partei wieder auf links drehen“, kündigte er in seiner Bewerbungsrede an. Er wurde in Münster geboren, lebt jetzt in Köln uns saß mehrere Jahre im Stadtrat von Emsdetten. Inzwischen arbeitet er für die Grünen in Nordrhein-Westfalen und ist bereits Mitglied im Bundesvorstand der Grünen Jugend. Der Bundestagswahlkampf sei geprägt gewesen von „einer Anbiederung an die CDU und keiner Scheu davor Migration als Sicherheitsproblem darzustellen“. Bobga, dessen Vater aus Kamerun kommt, betonte: „Unsere Sicherheit ist unverhandelbar.“

Es gelte darum zu kämpfen, „dass diese Partei wieder zurück zu ihren Wurzeln findet“, meint Bobga. Er will sich insbesondere für soziale Fragen, Antirassismus und Vielfalt einsetzen. „Ich will gemeinsam mit euch laut, unbequem und solidarisch für eine gerechte Gesellschaft kämpfen“, schrieb er in seiner Bewerbung. In seiner Bewerbungsrede forderte er: „Umverteilungsfragen müssen endlich ins Zentrum grüner Politik.“
Verhältnis zwischen Grüner Jugend und Partei angespannt
Das Verhältnis der Grünen-Jugendorganisation zur Partei ist schon länger schwierig. Im September vergangenen Jahres kündigte der damalige Vorstand an, aus Grüner Jugend und Partei auszutreten. Die Begründung: zu wenig linkes Profil bei den Grünen, zu viele Kompromisse in der Ampel-Koalition mit SPD und FDP. Auch Vorstandsmitglieder zahlreicher Landesverbände gingen.
Das könnte Sie auch interessieren: Nach Anzeigen und Drohungen: Nächster AfD-Abgeordneter soll Mandat verlieren
Nietzard, Blasel und ihre Mitstreiter im Vorstand übernahmen eine Organisation in der Krise – und gewannen neue Mitglieder. 2023 und 2024 war die Grüne Jugend geschrumpft auf etwas mehr als 16.000 Mitglieder, nun sind es nach eigenen Angaben knapp 19.000.
Nietzard beklagt Anfeindungen
Viele bei den Grünen werden Nietzard allerdings nicht nachweinen. Mit Wortmeldungen in sozialen Medien hatte sie immer wieder Ärger ausgelöst. So hatte sie nach Angaben von Nutzern zu Silvester in sozialen Medien gepostet: „Männer die ihre Hand beim Böllern verlieren, können zumindest keine Frauen mehr schlagen.“ Der Beitrag wurde nach Kritik gelöscht.

In einem RBB-Podcast dachte Nietzard laut über bewaffneten Widerstand nach, falls eine Partei wie die AfD an die Macht kommen sollte. Auf ihrem privaten Instagram-Kanal zeigte sie sich mit einem Pullover, auf dem das Kürzel „ACAB“ zu lesen war, das für „All Cops Are Bastards“ steht. Mit Blick auf die zweifelhaften Belästigungsvorwürfe gegen den Grünen-Politiker Stefan Gelbhaar stellte Nietzard die Unschuldsvermutung infrage. Zuletzt beschimpfte sie den bayerischen Ministerpräsidenten und CSU-Chef Markus Söder als „Hundesohn“.
Als Nietzard Ende Juli ihren Verzicht auf eine erneute Kandidatur ankündigte, beklagte sie die „ständigen Anfeindungen“ aus der Partei.
Das könnte Sie auch interessieren: Zukunftsentscheid: Last-Minute-Fakten zur Wahl, die Hamburg spaltet
Das Treffen der Grünen Jugend begann bereits am Freitag und soll noch bis Sonntag dauern. Für den Samstag war unter anderem noch eine Diskussion zur aktuellen politischen Lage geplant und zum Leitantrag des Bundesvorstands mit dem Titel „Radikal gerecht: Weil wir unsere Träume nicht vergessen wollen“, der am Abend zur Diskussion steht. Die Antragsteller lehnen den Kapitalismus ab und beklagen, die Grünen würden oft nur „den Status quo verwalten“. (dpa/mp)
Anmerkungen oder Fehler gefunden? Schreiben Sie uns gern.