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Lucke Gauland
  • Bernd Lucke und Alexander Gauland auf dem Gründungsparteitag der AfD im Jahr 2013.
  • Foto: Imago

Der Fluch der AfD-Chefs

Vor zehn Jahren, am 6. Februar 2013, traf sich eine kleine Gruppe von nicht einmal 20 Leuten rund um den Hamburger Wirtschaftsprofessor Bernd Lucke in einem Gemeindesaal in Oberursel im Taunus und gründete die AfD. ​Die zehnjährige Geschichte der Partei ist auch eine Geschichte vom tiefen Fall ihres Spitzenpersonals.

Der Hamburger Wirtschaftsprofessor Lucke ist das erste Aushängeschild der AfD. Sein Herzensthema: die Kritik an der Euro-Rettungspolitik. Lucke – von April 2013 an gemeinsam mit Frauke Petry und Konrad Adam erster AfD-Chef – scheiterte aber mit seinem Versuch, die Partei als wirtschaftsliberale Alternative zu Union und FDP zu positionieren. Den erstarkenden rechten Kräften hatte er wenig entgegenzusetzen.

Ihr Kernthema, nur phasenweise verdrängt durch Corona, Inflation oder Energiekrise, fand die AfD 2015 mit der Migration. Im selben Jahr gelang der AfD in Hamburg mit 6,1 Prozent erstmals der Sprung in ein westdeutsches Landesparlament. Im selben Jahr kam es aber auch zum Bruch zwischen Lucke und seiner Partei. Auf dem Essener Parteitag wurde er ausgebuht. Frauke Petry bootete ihn aus, er verließ die AfD. Seine Partei-Neugründung LKR fiel beim Wahlvolk durch. 2019 endete Luckes Mandat im Europaparlament – und seine politische Karriere.

Aber auch Petry, die einstige Vorzeigefrau der Rechtspopulisten, musste erleben, wie schnell Siege in der AfD zerrinnen können. Mit dem neuen Co-Vorsitzenden Jörg Meuthen, den sie 2015 an die Parteispitze holte, kam es schnell zum Zerwürfnis. Auch ihre Medienpräsenz konnte nicht verhindern, dass Petry von noch rechteren Kräften in der AfD überholt wurde. Die Entfremdung zwischen der AfD und Petry kulminierte spektakulär, als sie am Tag nach der Bundestagswahl 2017 auf einer Pressekonferenz mit der AfD-Spitze ihren Austritt erklärte, aufstand und ging.

Meuthen trat mit bitteren Vorwürfen zurück

Fast sieben Jahre – so lange wie niemand sonst – hielt sich Jörg Meuthen, Professor aus Baden-Württemberg, an der Parteispitze. Doch auch Meuthen musste erleben, wie ihm die Macht entglitt und radikalere Kräfte an Einfluss gewannen. Meuthen gab sich als bürgerliches Aushängeschild der AfD, versuchte aber zugleich, auch die ganz rechten Kräfte um den Thüringer Björn Höcke einzubinden.

Seine Rück- und Austrittserklärung verband Meuthen im Januar 2022 mit bitteren Vorwürfen. Die AfD habe inzwischen „ganz klar totalitäre Anklänge“, Teile der Partei stünden „nicht auf dem Boden der freiheitlich demokratischen Grundordnung“. Meuthen ist seit 2019 Europaabgeordneter. Im vergangenen Jahr wurde er Mitglied bei der Zentrums-Partei, einer katholischen Kleinstpartei.

Und Lucke? Kehrte begleitet von Studierenden-Protesten an die Uni Hamburg zurück, an der er als Professor für Wirtschaft lehrt und forscht. Aktuell will er keine Interviews zum Kapitel AfD mehr geben. In einem „Zeit“-Gespräch hatte er 2019 auf die Frage, ob er die Partei 2013 gegründet hätte, wenn er gewusst hätte, was daraus werde, geantwortet: „Nein. Ganz eindeutig nein.“ Die AfD bezeichnete Lucke als „eine latent fremdenfeindliche, deutschnationale Partei mit rechtsradikalen Einsprengseln“. Daher solle der Verfassungsschutz Teile der Partei „lieber beobachten, als dass die vielleicht Unheil stiften“.

Nur Gauland brach nicht mit der Partei

Der einzige AfD-Chef, der nach seiner Zeit als Vorsitzender nicht mit der Partei brach, ist Alexander Gauland. Seit 2017 sitzt er für die Partei, die er einmal als „gärigen Haufen“ titulierte, im Bundestag. In Partei und Fraktion spielt Gauland, der in drei Wochen 82 Jahre alt wird, die Rolle eines Elder Statesman, der über den ständigen Turbulenzen schwebt.

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Experten und ehemalige Parteimitglieder sind sich heute einig, dass die AfD mit zunehmendem Fokus auf das Thema Migration und durch Veränderungen in ihrer Mitgliedschaft über die Jahre Stück für Stück weiter nach rechts gerückt ist.

AfD gilt als rechtsextremistischer Verdachtsfall

Inzwischen beobachtet der Inlandsgeheimdienst nicht mehr nur einzelne Landesverbände, sondern die AfD insgesamt als rechtsextremistischen Verdachtsfall. Er sieht ausreichende Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen innerhalb der Partei. „Kräfte, die versuchen, die extremistischen Tendenzen aus der Partei zu verdrängen, nehmen wir kaum noch wahr“, sagt Behördenchef Thomas Haldenwang im Dezember.

Keine zehn Kilometer entfernt vom Ort des damaligen AfD-Gründungstreffens in Oberursel wollen am Montag in Königstein etwa 300 Parteimitglieder das Jubiläum feiern. Gewerkschaften und Verbände haben zur Gegendemo in dem kleinen Kurort aufgerufen. (dpa/afp/ilk)

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