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Der ehemaligen Oberbürgermeister Thomas Geisel steht im August 2021 vor seinem Porträt im Düsseldorfer Rathaus, das anschließend in die Ahnengalerie gebracht wurde.
  • Der ehemaligen Oberbürgermeister Thomas Geisel steht im August 2021 vor seinem Porträt im Düsseldorfer Rathaus, das anschließend in die Ahnengalerie gebracht wurde.
  • Foto: picture alliance/dpa | David Young

Ex-Bürgermeister sorgt mit Aussagen über Massaker in Butscha für Entsetzen

Gefoltert, erschossen, verbrannt: Hunderte Menschen sind während der russischen Besatzung von Butscha nördlich der ukrainischen Hauptstadt Kiew getötet worden. Für den früheren Oberbürgermeister von Düsseldorf ist das „ukrainische Genozid-Rhetorik“. Mit dieser und anderen Aussagen über das Massaker von Butscha hat Thomas Geisel (SPD) am Wochenende für Entsetzen gesorgt. Das Ganze blieb nicht folgenlos.

Düsseldorfs ehemaliger Oberbürgermeister Thomas Geisel (SPD) steht heftig in der Kritik: Am Wochenende verfasste er einen Blog-Beitrag zum Ukraine-Krieg, in dem es auch um die Kriegsverbrechen in der ukrainischen Stadt Butscha bei Kiew ging.

„410 Zivilisten sind – nach ukrainischen Angaben – den Gräueltaten von Butscha zum Opfer gefallen“, schreib Geisel. „Selbstverständlich ist jedes zivile Opfer eines Krieges eine Tragödie und eines zu viel. Aber werden durch die ukrainische Genozid-Rhetorik nicht letztlich die Kriegsverbrechen von Srebrenica, My Lai und Babiyar (Babyn Jar), um nur einige zu nennen, und vielleicht auch die Bombennacht von Dresden, der angeblich 30.000 Menschen zum Opfer fielen, bagatellisiert?“

„Thomas Geisels Blogbeitrag kann so nicht stehen bleiben“

Die Aussagen blieben nicht folgenlos: Der SPD-Spitzenkandidat zur NRW-Landtagswahl am 15. Mai, Thomas Kutschaty, forderte Geisel am Sonntag nach eigenen Angaben in einem Telefonat auf, den Beitrag „noch heute“ zurückzuziehen. „Thomas Geisels Blogbeitrag kann so nicht stehen bleiben. Gerade die Kriegsverbrechen von Butscha erlauben keine Relativierungen“, sagte Kutschaty der „Rheinischen Post“.

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Am Montagmorgen wurde bekannt: Geisel kam Kutschatys Aufforderung nach – der Text ist mittlerweile gelöscht. Er komme der Bitte nach, weil der Beitrag in den sozialen Medien zum Anlass genommen worden sei, gegen die SPD zu polemisieren, erklärte Geisel. Er betonte, dass er kein SPD-Mandat mehr habe und sein Beitrag „offensichtlich“ keine Partei-, sondern seine persönliche Auffassung wieder gegeben habe.

„Erst Schröder, dann Schwesig, jetzt Geisel“

Der Blog-Beitrag mit dem Titel „Es reicht, Herr Melnyk“ war bereits vor mehreren Tagen veröffentlichtet worden. Am Wochenende reagierte unter anderem der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk bei Twitter. Zuvor hatte der CDU-Politiker Ruprecht Polenz getwittert: „Erst Schröder, dann Schwesig, jetzt Geisel. Ich hätte es für ausgeschlossen gehalten, dass sich ein führender SPD-Politiker wie der ehemalige Oberbürgermeister von Düsseldorf in dieser Weise zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine äußert.“

Eine Mutter weint am Sarg ihres Sohnes, der in Butscha von der russischen Armee getötet wurde. picture alliance/dpa/AP | Emilio Morenatti
Die 70-jährige Nadiya Trubchaninova weint am Sarg ihres 48-jährigen Sohnes Vadym,
Eine Mutter weint am Sarg ihres Sohnes, der in Butscha von der russischen Armee getötet wurde.

Gegenüber der „Rheinischen Post“ hatte Geisel den Text zunächst verteidigt: „Ich habe ganz sicher nicht meinen moralischen Kompass verloren.“ Auf Nachfrage der Zeitung betonte er, er halte den russischen Angriff für einen völkerrechtswidrigen Überfall und habe Verständnis für die Forderung nach Waffenlieferungen. „Ich mache mir aber Sorgen über die Konsequenzen, wenn Deutschland den ukrainischen Forderungen nach Waffenlieferungen nachkommt“, sagte er. Militärisch könne die Ukraine den Krieg kaum gewinnen.

Kutschaty wirft Geisel Relativierung der Kriegsverbrechen in Butscha vor

Kutschaty hatte daraufhin am Sonntag mitgeteilt, dass er Geisel telefonisch gebeten habe, den Beitrag noch am gleichen Tag zurückzuziehen. Kutschaty – nordrhein-westfälischer SPD-Chef und Spitzenkandidat der SPD zur Landtagswahl am 15. Mai – warf Geisel vor, die Kriegsverbrechen im ukrainischen Butscha zu relativieren. Geisel löschte den Beitrag in der Nacht zu Montag und lud einen neuen Artikel mit dem Titel „Es reicht – auch mit den Shitstorms!“ hoch.


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Geisel verteidigt darin seine Positionen, räumt aber auch ein: „Der Überfall auf die Ukraine ist ein Verbrechen, und Gräueltaten bleiben Gräueltaten; Vergleiche mit noch monströseren Verbrechen und Opferzahlen sind da wohl in der Tat nicht angebracht.“

Geisel war von 2014 bis 2020 Oberbürgermeister von Düsseldorf. 2020 wurde der CDU-Politiker Stephan Keller zum OB gewählt. (mik/dpa)

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