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Jahresbericht Wehrbeauftragte
  • Eva Högl (SPD, l.) bei der Übergabe des Jahresberichts an Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD
  • Foto: picture alliance/dpa | Wolfgang Kumm

„Erbärmlicher Zustand“: Die verheerende Heeres-Bilanz der Wehrbeauftragten

Es ist im doppelten Sinne ein spannender Zeitpunkt für den Jahresbericht der Wehrbeauftragten Eva Högl (SPD): Erstens ist es der erste nach dem russischen Einfall in die Ukraine vor gut einem Jahr. Und zweitens fällt er genau in die Phase eines heftigen Koalitionsstreits zwischen den Ampelkoalitionären um die Bundesfinanzen. Die verheerende Bilanz Högls: Die Truppe habe „zu wenig – von allem“. Ihr Rezept: Mehr Tempo, mehr Reformen, und nicht zuletzt mehr Geld!

Eine „Zeitenwende“ war der Angriff Russlands auf die Ukraine offenbar auch für Högl. Aber: Ihr geht das alles immer noch viel zu langsam! „Zwar sind die ersten Projekte auf dem Weg. Doch ist bei unseren Soldatinnen und Soldaten 2022 noch kein Cent aus dem Sondervermögen angekommen. Zu behäbig ist das Beschaffungswesen“, schreibt sie in ihrem Jahresbericht, den sie Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) am Dienstag übergab.

Wehrbeauftragte will mehr Geld für die Truppe

In allererster Linie pocht sie daher auf noch mehr Geld. Seit der „Zeitenwende“-Rede des Kanzlers spüre sie in allen Kasernen eine enorme Erwartungshaltung, die bisher unerfüllt bleibe. „Die 100 Milliarden Euro allein werden nicht ausreichen, sämtliche Fehlbestände auszugleichen, dafür bedürfte es nach Einschätzung militärischer Expertinnen und Experten einer Summe von insgesamt 300 Milliarden Euro“, so Högl. Und dafür sieht sie ein „Momentum des hohen gesellschaftlichen Rückhalts“ – wegen des Kriegs in der Ukraine.

Kurzfristig sollten laut Högl im aktuellen Haushalt zehn Milliarden zu den 100 Milliarden Sondervermögen dazukommen, so wie Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) dies kürzlich ebenfalls verlangte. Danach solle der Etat „stetig und in deutlichen Schritten“ weiter erhöht werden.

230.000 Frauen und Männer bis 2031

Außerdem bekräftigt sie das Ziel, die Truppe bis 2031 auf 203.000 Frauen und Männer anwachsen zu lassen. Im vergangenen Jahr aber habe es sogar ein leichtes Minus gegeben – 183.051 Soldat:innen sind es derzeit. Besondere Probleme sieht sie auch bei der Erhöhung des Frauenanteils.

Leider müsse sie in dem Zusammenhang auch über sexuelle Übergriffe sprechen. Nach einem Rückgang der gemeldeten Fälle im von Corona geprägten Jahr 2021 seien die wieder angestiegen – von 303 im Vorjahr auf 357 im Jahr 2022. 80 Prozent der Betroffenen seien Frauen, bei einem Drittel der Fälle sei Alkohol im Spiel. „Das ist nicht hinzunehmen“ so Högl.

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Der Gesamt-Rückgang bei der Truppe liege aber zu einem großen Teil auch an der mangelnden Attraktivität, am desolaten Zustand der Ausstattung. Die Kasernen seien teils „in einem erbärmlichen Zustand“, bröckelnder Putz und fürchterliche Sanitäranlagen seien eben auch ein Symptom eines Gesamt-Zustandes. Von funktionierendem WLAN könne man an den meisten Standorten nur träumen.

Högls weitere Forderungen: „Die angestoßene Reform des Beschaffungswesens muss mit Hochdruck beschleunigt werden.“ Auf einige Materialien werde seit zehn Jahren gewartet. Högl regte zudem an, „zumindest zeitweise (…) in Teilen auf das bestehende Regelwerk zu verzichten“ – und so Reformen anzustoßen.

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