Es geht um Millionen: Ein neuer AfD-Skandal?
War es eine illegale Parteispende? Mehr als drei Millionen Euro soll die AfD an anonymen Wahlkampfhilfen bekommen haben, berichtet ein Verbund des Recherchezentrums „Correctiv“, „ZDF Frontal“ und dem „Spiegel“. Und zwar in Form von Wahlplakaten – dabei hatte die AfD doch immer abgestritten, dahinter zu stecken.
Konkret geht es um mehr als 9400 Großplakate, die vor der vergangenen Bundestagswahl 2017 und acht deutschen Landtagswahlen bei dem Werbeflächenvermarkters „Ströer“ in Auftrag gegeben wurden und die in etwa 70 deutschen Städten zur Wahl der AfD aufriefen – darunter Plakate mit dem Slogan „Islamisierung stoppen“ oder „Mehr Sicherheit für unsere Frauen und Töchter!“.
Offiziell hieß es, ein Stuttgarter „Verein zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und der bürgerlichen Freiheiten“ sei für die Plakate verantwortlich.
Teure Wahlplakate: Unterlagen sollen direkte Verbindung zur AfD zeigen
Dem Rechercheverbund liegen nun aber nach eigenen Angaben interne Buchungsdokumente von „Ströer“ vor. Und darin soll bei einem Großteil dieser Aufträge die AfD als „Direktkunde“ eingetragen sein. Ströer habe für diese Buchungen sogar dieselben Kundennummern wie bei offiziellen Plakatkampagnen der AfD verwendet, so der Rechercheverbund. Damit seien beide Kampagnen innerhalb des Unternehmens zusammengefasst gewesen.
Auch die Dimension der anonymen Wahlkampfhilfen sei viel größer gewesen als bisher bekannt: Die größten Aufträge sollen die Bundestagswahl 2017 mit rund 1,9 Millionen Euro für rund 4900 Plakate betroffen haben, gefolgt von den Landtagswahlen in NRW (521.000 Euro) und Baden-Württemberg (221.000 Euro). In zahlreichen Aufträgen tauche in den Unterlagen neben der AfD die Schweizer PR-Firma „Goal AG“ als Werbeagentur auf, die bereits mehrfach im Zusammenhang mit illegalen Wahlkampfhilfen zugunsten von AfD-Politikern auffiel. Allein in dieser Konstellation umfasse das Auftragsvolumen rund 2,5 Millionen Euro. Das Gesamtvolumen betrage sogar mehr als 3,4 Millionen Euro.
Illegale Parteispende? AfD und „Ströer“ streiten Vorwürfe ab
Die AfD bestreitet den Vorwurf: Es habe keine Absprachen zur Koordinierung mit einer Unterstützerkampagne gegeben und auch keinen Auftrag von offiziellen Parteigremien an einzelne Mitarbeiter, Absprachen oder Koordinierungen zu vereinbaren. Zu „internen Vorgängen“ bei Ströer habe die AfD keine Kenntnis, so ein Anwalt der Partei. Dass sie bei der umstrittenen Kampagne als Direktkunde erfasst wurde, sei ihr nicht bekannt. Eine „falsche Zuordnung einer anderen (angeblichen) Kampagne zu unserer Mandantschaft“ liege allein im „Verantwortungsbereich des Unternehmens Ströer“, so der Anwalt.
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Neben den internen Unterlagen liegen dem Rechercheverbund nach eigenen Angaben aber auch eidesstattlich versicherte Aussagen ehemaliger AfD-Politiker und SMS-Verläufe vor, die Verabredungen und Treffen zwischen AfD-Wahlstrategen und Mitarbeitern der Außenwerbefirma Ströer bezeugen.
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Der Ströer-Konzern hat die Verantwortung in einer Pressemitteilung zurückgewiesen. Als „neutraler Dienstleister“ der Außenwerbung müsse das Unternehmen unterstellen, dass die Finanzierung von Aufträgen durch die Kunden rechtmäßig erfolge, heißt es in der Mitteilung. Rechtliche Vorgaben und Transparenzregeln des Deutschen Bundestages seien „allein von den zuständigen Stellen“ zu überprüfen.
Parteienrechtsexpertin fordert Ermittlungen
Nach Ansicht der Parteienrechtsexpertin Sophie Schönberger müssten Staatsanwaltschaft und Bundestagsverwaltung Ermittlungen gegen die AfD aufnehmen. „Wir haben jetzt die Nachweise, dass die Kampagne jedenfalls beim Plakat-Hersteller koordiniert wurde“, sagt die Juristin. Schönberger sieht „sehr starke Indizien dafür, dass die AfD da eingebunden war oder jedenfalls sehr viel davon wusste. Wenn das so ist, dann hätten wir eine illegale Parteispende“.
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Bisher musste die Partei wegen anonym finanzierter Wahlplakate in zwei ähnlichen Fällen eine Gesamtsumme von rund 400.000 Euro zahlen. Der AfD-Bundesvorsitzende Jörg Meuthen und der Europapolitiker Guido Reil hatten rechtswidrige Unterstützung in Form von Plakaten und Anzeigen angenommen. Das Geld dafür war über die Schweizer „Goal AG“ geflossen, in Meuthens Fall rund 89.000 Euro, in Reils um 44.500 Euro.
Sollte die AfD von der Koordination gewusst haben, müsse die gesamte Kampagne der Unterstützer der AfD zugerechnet werden, sagt Ulrich Müller von der Organisation „Lobbycontrol“. Da die AfD die mutmaßlichen Zuwendungen nicht meldete, könnten ihr nun „nochmal Strafbescheide in zwei- bis dreifacher Höhe des Budgets“ drohen. (mp)