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Protest gegen Wahlkampfveranstaltung der AfD.
  • Das Tor zur AfD-„Festung" in Wilhelmsburg. Regelmäßig statten linke Aktivisten dem Haus von Nicole Jordan Besuche ab.
  • Foto: Jannis Große

Antifa gegen AfD: Der Kleinkrieg am Reiherstieg

Polizei, Platzwunde, Pöbeleien: Am Samstag eskalierte der Streit zwischen linken Aktivisten und AfD-Mitgliedern in Wilhelmsburg. Mal wieder, muss man sagen. Seit Jahren kommt es vor dem Wohnhaus einer AfD-Politikerin zu Zusammenstößen.

Als „ein guter Tag, um sich den Rechten in den Weg zu stellen“, wurde der vergangene Samstag unter linken Aktivisten in Wilhelmsburg angepriesen. Denn der AfD-Europapolitiker und Ex-Bildjournalist Nicolaus Fest war einer Einladung in den Stadtteil gefolgt. Den Worten ließen die Aktivisten dann auch Taten folgen – ohne allerdings allzu durchschlagenden Erfolg. Die AfD konnte ihre geplante Wahlkampfveranstaltung im Haus der hiesigen AfD-Politikerin Nicole Jordan schlussendlich durchziehen. Aber nicht ohne Polizeieinsatz, Pöbeleien und eine Platzwunde. 

Ehemann von AfD-Politikerin: Platzwunde nach Rangelei

Die linken Aktivisten postierten sich um 15 Uhr vor Jordans Haus – begleitet von der Polizei. Eskaliert sei die Situation laut Jordan dann als Olga Petersen, Beisitzerin im Hamburger Landesvorstand der AfD und Bundestagskandidatin, in Wilhelmsburg angekommen sei. Petersen habe sich nicht getraut mit dem Auto an den Demonstranten vorbeizufahren und habe darum hinter dem Deich geparkt.

Da nur wenige Polizisten der Politikerin entgegengekommen seien, „wollten wir Frau Petersen Geleitschutz geben“, sagte Jordan. Daraufhin seien sie und ihre Begleiter aus einer Gruppe von 15 bis 20 Personen heraus beleidigt worden. Als sie selbst mit den Worten „Kein Platz für Nazis“ geschubst wurde, mischte sich laut Jordan ihr Mann ein, es gab ein Gerangel, in dem ihr Mann eine Fahnenstange abbekam. Ein Polizist sei dazwischen gegangen und habe auch ihren Mann zu Boden geschubst – dabei erlitt er eine Platzwunde am Kopf. „Es geht ihm gut. Allerdings hat er noch Schwindel und blaue Flecken von den Fahnenschlägen“, so Jordan. 

AfD in Wilhelmsburg kaum relevant

Als Zeitung, gerade als Boulevard-Zeitung, ist man geneigt, den Konflikt, der sich seit Jahren hinzieht, als einen Streit, der den ganzen Stadtteil in Atem hält, zu charakterisieren. Nur: Das wäre nicht ganz richtig. Die Kräfteverhältnisse sind dafür viel zu ungleich verteilt. 

Die AfD in Wilhelmsburg ist ein kleines Licht. Bei der vergangenen Bürgerschaftswahl brachte es die Partei im Stadtteil auf gerade mal 6,1 Prozent. Rot-Rot-Grün kam kumuliert auf knapp 80 Prozent. Neben den politischen Kräfteverhältnissen sind aber auch die anderen örtlichen Gegebenheiten nicht gerade vorteilhaft für die Rechtspopulisten. 

Nicht nur der Anteil der Migranten liegt bei deutlich über 50 Prozent – und die Mehrheit sind keine Russlanddeutschen, die der Partei in anderen Hamburger Stadtteilen den ein oder anderen Prozentpunkt bescheren. Auch gibt es eine fest verankerte linke Szene. Nur wenige hundert Meter von Jordans Wohnhaus entfernt ist zum Beispiel ein linkes Wohnprojekt. Auch das alternative Kulturzentrum die Honigfabrik ist auf der Ecke zu Hause. Kurzum, der AfD-Rückzugsort in Wilhelmsburg ist ein rechtes Nest im linken Bau.

Dass die Rechtspopulisten viele ihrer Veranstaltungen trotzdem in Jordans Wohnhaus im Reiherstiegviertel durchführen, hat einen einfachen Grund: Andere Locations werden an die AfD schlicht nicht mehr vermietet. So kommt es, dass die Hausbesuche der Antifa-Szene bei Hausbesitzerin Nicole Jordan schon eine gewisse Tradition haben.   

Nicole Jordan gilt als „Flügel“-Anhängerin

Seit Jahren knallt es aufgrund der brisanten Konstellation im Stadtteil immer wieder. Wasserwerfer fahren vor, Farbbomben fliegen, die Wochenzeitung „Die Zeit“ schrieb bereits 2017 ein großes Porträt über die AfD-Politikerin Jordan und die Situation in Wilhelmsburg. Jordan ist außerdem nicht irgendeine AfDlerin. Im als gemäßigt geltenden Hamburger Landesverband gilt die Mitte-Chefin als Hardlinerin. Sie wird dem offiziell aufgelösten rechtsextremistischen „Flügel“ rund um Björn Höcke zugeordnet. Sie lud einst den damaligen AfD-Fraktionschef von Sachsen-Anhalt, André Poggenburg, zu sich nach Hamburg ein, der mittlerweile selbst der AfD zu offen rassistisch und nicht mehr Mitglied der Partei ist.

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Zuletzt machten gar Gerüchte über Putsch-Pläne gegen die Hamburger Parteiführungsriege die Runde – Jordan gilt als Drahtzieherin. Ihr Einfluss auf die Partei ist in Hamburg ohnehin nicht mehr von der Hand zu weisen. Sie und ihre Verbündete Olga Petersen stehen auf Listenplatz drei beziehungsweise zwei für die Bundestagswahl – trotz des zerrütteten Verhältnisses zu den Führungskräften. Die „guten Tage, um sich den Rechten in den Weg zu stellen“, wie die ,linken Aktivisten das am Samstag formulierten, dürften also eher mehr als weniger werden.

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