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Trauernde halten Plakate mit den Gesichtern der Verstorbenen hoch.
  • Mit Plakaten und Bildern der Ermordeten erinnern Teilnehmer einer Gedenkveranstaltung auf dem Marktplatz von Hanau an die Opfer der rassistisch motivierten Anschläge von Hanau im Jahr 2020.
  • Foto: picture alliance/dpa/Boris Roessler

Drei Jahre nach Hanau: „Deutschland hat ein Rassismus-Problem“

Bei einem Attentat am 19. Februar 2020 erschoss ein 43-jähriger Deutscher in Hanau neun Menschen aus rassistischen Motiven, anschließend tötete er seine Mutter und sich selbst. Am dritten Jahrestag des Mordanschlags sprach unter anderem Innenministerin Nancy Faeser (SPD) bei einer Gedenkfeier in Hanau. Erneut wird Kritik an Deutschlands Umgang mit Rassimus laut – auch aus aktuellem Anlass.

Drei Jahre nach dem rassistischen Anschlag von Hanau übt die Antidiskriminierungsbeauftragte des Bundes, Ferda Ataman, scharfe Kritik am Umgang mit von Rassismus Betroffenen in Deutschland. „Die Angehörigen von Hanau, aber auch viele andere Menschen, die Rassismus-Erfahrungen machen, erleben gerade, dass Diskriminierung als ,woke‘ oder ,Identitätspolitik‘ verharmlost und als belangloses Interesse von Minderheiten abgetan wird”, sagte Ataman den Zeitungen der Funke Mediengruppe am Samstag.

In verschiedenen deutschen Städten haben sich Menschen versammelt, um den Opfern des rassistischen Anschlags zu gedenken – wie hier auf dem Oranienplatz in Berlin. picture alliance/dpa | Annette Riedl
Bei der Gedenkveranstaltung eines Bündnisses von Initiativen und Organisationen auf dem Oranienplatz legt eine Frau eine Blume nieder.
In verschiedenen deutschen Städten haben sich Menschen versammelt, um den Opfern des rassistischen Anschlags zu gedenken – wie hier auf dem Oranienplatz in Berlin.

Gleichzeitig sei zu beobachten, dass nach den Ereignissen in der Silvesternacht ein Generalverdacht gegen Menschen mit Migrationshintergrund ausgesprochen wurde. „Deutschland hat ein Rassismus-Problem – das zeigt sich auch daran, wenn Bundespolitiker abfällig über muslimische Jugendliche als ,kleine Paschas‘ reden”, sagte Ataman mit Blick auf umstrittene Äußerungen des CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz.

Die Antidiskriminierungsbeauftragte forderte anlässlich des Gedenkens an den rechtsterroristischen Anschlag, dass Maßnahmen gegen Rechtsextremismus konsequenter umgesetzt werden müssten. „Nach dem rassistischen Mordanschlag von Hanau gab es zum ersten Mal einen Kabinettsbeschluss gegen Rechtsextremismus und Rassismus. Das war politisch eine Zäsur. Umso mehr ist es enttäuschend, dass die Bundesregierung ihre Ankündigungen bis heute nicht umgesetzt hat.” Der umstrittene Begriff „Rasse” in Artikel 3 des Grundgesetzes etwa sei „trotz entsprechender Ankündigungen in einem Maßnahmenpaket der Bundesregierung noch nicht geändert worden”, sagte Ataman.

Rechtsextremismus ist größte Bedrohung für Demokratie

Bei der Gedenkveranstaltung in Hanau hatten Angehörige erneut eine bisher mangelnde Aufklärung des Anschlags seitens der Politik und Behörden kritisiert. Dazu erklärte Innenministerin Nancy Faeser, die in Hessen auch SPD-Spitzenkandidatin für die Landtagswahl im Oktober ist, es gebe „nicht immer Antworten, die man sich erwartet”. Der Untersuchungsausschuss des hessischen Landtags sei der Ort für die Aufklärung. 

Auch die Ministerin sieht im Kampf gegen Rassismus und Rechtsextremismus in Deutschland noch viel Handlungsbedarf. Es sei wichtig, aus dieser Tat Konsequenzen zu ziehen „und auch nicht Ruhe zu geben”. Der Täter habe versucht, die Opfer zu Fremden zu machen, „aber das waren sie nicht”, sagte die Ministerin,

Gemeinsam mit Angehörigen der Opfer nahmen der Hanauer Oberbürgermeister Claus Kaminsky (SPD, 5.v.l), Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), und Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU, 7.v.l) an einer Gedenkstunde auf dem Hanauer Marktplatz teil. picture alliance/dpa/Frank Rumpenhorst
Gedenkstunde auf dem Marktplatz
Gemeinsam mit Angehörigen der Opfer nahmen der Hanauer Oberbürgermeister Claus Kaminsky (SPD, 5.v.l), Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), und Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU, 7.v.l) an einer Gedenkstunde auf dem Hanauer Marktplatz teil.

Vom Rechtsextremismus gehe die größte Bedrohung für die demokratische Grundordnung aus, sagte Faeser außerdem und verwies auch auf den entsprechenden Aktionsplan. Eine wichtige Form der Prävention sei zudem die Bildungsarbeit. Kinder machten keine Unterschiede, wo jemand herkomme, sagte Faeser.

Politiker im Norden: Hanau als Mahnung und Verpflichtung 

Auch norddeutsche Politiker meldeten sich zum dritten Jahrestag des Anschlags zu Wort: Der Vorsitzende der Hamburger CDU, Christoph Ploß, schrieb auf Twitter: „Die schreckliche Tat ist für uns alle auch eine Verpflichtung, die Opfer nie zu vergessen und #Rassismus jederzeit und überall entschlossen entgegenzutreten.”

Die SPD in Schleswig-Holstein rief zur Verteidigung von Weltoffenheit und Vielfältigkeit gegen rechte Ideologien auf. Der Staat müsse die Gesellschaft mit allen Mitteln des Rechts schützen, forderte die Landesvorsitzende Serpil Midyatli in einer Mitteilung vom Sonntag. Hanau habe auch gezeigt, welche Defizite in den Behörden im Umgang mit solchen Taten und Tätern bestünden.

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„Menschen aus der Mitte unserer Gesellschaft wurden aus dem Leben gerissen. An diesem Jahrestag gedenken wir der Ermordeten und trauern mit ihren Angehörigen”, so Midyatli. Der Tag sei ein Mahnmal dafür, dass man die Demokratie jeden Tag erneut verteidigen müsse. (dpa/mp)

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