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Bundestag Selenskyj
  • Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat per Videoschalte eine Rede vor dem Bundestag gehalten. Danach gingen die Abgeordneten zur Tagesordnung über.
  • Foto: picture alliance/dpa | Michael Kappeler

Bundestag: Peinliches Schweigen nach historischer Selenskyj-Rede

Es war ein historischer Auftritt: Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat am Donnerstag zu den Abgeordneten des Bundestags gesprochen. Doch statt die Gelegenheit zu nutzen, im Anschluss über den Kurs des Landes in einer „Zeitenwende“ (Olaf Scholz) zu debattieren, verloren sich die Abgeordneten im Klein-klein – und gingen zur Tagesordnung über, als sei nichts gewesen.

Selenskyj rief den Bundestag und die Bundesregierung in einem hoch emotionalen Appell dazu auf, die Ukraine weiter zu unterstützen. Wieder gehe eine Maurer durch Europa, erklärte er. Und richtete einen direkten Appell an den Bundeskanzler: „Lieber Herr Bundeskanzler Scholz, zerstören Sie die diese Mauer. Geben Sie Deutschland die Führungsrolle, die Deutschland verdient.“

„Wieder versucht man ein ganzes Volk zu vernichten“

Die Metapher von der Maurer zog sich durch die gesamte Rede. Es ist eine Erinnerung an den früheren US-Präsidenten Ronald Reagan, der 1987 die Sowjetunion dazu aufrief, die Berliner Maurer niederzureißen. Ein in Deutschland emotional aufgeladenes Thema.

Selenskyj dankte Deutschland für die bisherige Unterstützung, sparte aber auch nicht mit Kritik. Er klagte, dass er lange vergeblich um Hilfe aus Deutschland gebeten habe und das Ansinnen nach einem Nato-Beitritt erfolglos blieb. „Und auch jetzt zögern sie noch beim Beitritt der Ukraine zur Europäischen Union.“ Auch dies sei ein „Stein in der Mauer“.


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Kurz erinnerte er auch an den deutschen Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion und fügte hinzu: „Wieder versucht man in Europa, ein ganzes Volk zu vernichten.“ Man sehe, dass die Lehre aus dem 2. Weltkrieg weitgehend vergessen seien: „Nie wieder! Jetzt sehen wir, dass diese Worte nichts wert sind“.

Nahtloser Übergang zu zwei Geburtstagswünschen

Es hätte also durchaus Ansatzpunkte bei Selenskyj gegeben, die auch in der deutschen Debatte eine Rolle spielen. Doch die stellvertretende Bundestagspräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne) war nach der Rede ohne Pause zur Tagesordnung übergegangen und hatte zunächst zwei Abgeordneten zum Geburtstag gratuliert – unter tumultartigen Zwischenrufen.

Die CDU beantragte eine Änderung der Geschäftsordnung und eine 68-minütige Aussprache zur Ukraine. „Wann wenn nicht jetzt müssten wir im Bundestag eine Zwischenbilanz ziehen und die Frage stellen, wo wir stehen?“, begründete Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU) den Schritt. „Die Entscheidung der Ampel-Fraktionen stößt ausdrücklich auf unseren Widerspruch und unsere Missbilligung.“ Unterstützung erhielt die Union von Linkspartei und AfD. Auch der ukrainische Botschafter Andreji Melnyk hatte im Vorfeld eine Regierungs-Erklärung von Scholz gefordert – sehr zum Ärger von Teilen der SPD.

SPD: „Selenskyjs Worte stehen für sich“

Doch SPD, Grüne und FDP stimmten gegen eine Debatte. „Wir, die Ampel-Koalition, sind überzeugt, dass die Worte des ukrainischen Präsidenten für sich stehen“, argumentierte die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion, Katja Mast. „Sie haben es verdient, für sich wahrgenommen zu werden.“ Und so debattierte der Bundestag wenige Minuten nach der Rede in erster Lesung über eine allgemeine Impfpflicht.

Doch im Nachhinein befielen wohl auch Ampel-Politiker Zweifel, ob das die richtige Entscheidung war. So zeigte sich Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann „sehr unglücklich“ über die Vorgänge. Die auf die Rede folgende Geschäftsordnungsdebatte „war dem in keiner Weise angemessen. Ich bedaure das sehr.“

Melnyk: „Für uns zählt, welche Taten folgen“

Auch Scholz äußerte sich außerhalb des Bundestags noch einmal zur Ukraine. Er versprach weitere Unterstützung, wiederholte aber, dass es keine Nato-Soldaten auf dem Gebiet der Ukraine geben werde.

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Betont zurückhaltend reagierte Melnyk auf die Debatte: „Für uns zählt, welche Taten folgen“, sagte Selenskyjs Vertrauensmann in Berlin.

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