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Merkel., Erdogan
  • Angela Merkel besuchte in der vergangenen Woche zum 16. Mal als Kanzlerin die Türkei. Nun will Erdogan ihren Botschafter ausweisen.
  • Foto: picture alliance/dpa/AP | Francisco Seco

Botschafter vor Ausweisung: Erdogan legt sich mit dem Westen an

Noch vorige Woche schwärmten Angela Merkel und Recep Tayyip Erdogan beim Besuch der Kanzlerin in Ankara von den deutsch-türkischen Beziehungen. Doch die Worte waren offenkundig nichts wert. Nun holt der türkische Präsident die diplomatische Bazooka raus: Er lässt zehn westliche Botschafter – darunter den deutschen Diplomaten Jürgen Schulz – aus dem Land werfen.

Erdogan hatte im westtürkischen Eskisehir erklärt, er habe das Außenministerium angewiesen, die zehn Botschafter zur „Persona non grata“ zu erklären. Ein solcher Schritt bedeutet in der Regel die Ausweisung der Diplomaten.

Einsatz für den Kulturförderer Osman Kavala

Das „Vergehen“ der westlichen Diplomaten: Sie hatten sich in einem Brief für die Freilassung des türkischen Unternehmers und Kulturförderers Osman Kavala eingesetzt. Dieser gilt als politischer Gegner Erdogans.

Osman Kavala ist Unternehmer und Kulturmezän. Er sitzt seit vier Jahren im Gefängnis – ohne Verhandlung. picture alliance/dpa/Wiktor Dabkowski | Wiktor Dabkowski
Osman Kavala
Osman Kavala ist Unternehmer und Kulturmäzen. Er sitzt seit vier Jahren im Gefängnis – ohne Verhandlung.

Der 64-Jährige sitzt seit 2017 in Istanbul in Untersuchungshaft, obwohl der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte schon 2019 seine Freilassung angeordnet hatte. Beweise für eine Verschwörung gegen Erdogan oder die Unterstützung der Gezi-Proteste durch Kavala gibt es nicht.

Neben Schulz sind auch die Botschafter Frankreichs, der USA, Kanadas, Finnlands, Dänemarks, der Niederlande, Neuseelands, Norwegens und Schwedens betroffen – also zum großen Teil Nato-Verbündete Ankaras.

Lebensmittel sind in der Türkei extrem teuer geworden

Beobachter halten die Ankündigung Erdogans für eine schwere Belastung des Militärbündnisses – und für eines der üblichen Ablenkungsmanöver. Denn Erdogan wachsen die innenpolitischen Probleme langsam über den Kopf. Spekulationen über seinen Gesundheitszustand machen die Runde. Und weit schlimmer: Die türkische Lira ist im Vergleich zu Dollar und Euro auf einem Rekordtief. Das macht Importe auch für Lebensmittel für Durchschnitts-Türken extrem teuer. Viele haben außerdem Kredite in Fremdwährungen aufgenommen, die sie nun kaum zurückzahlen können.


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Doch statt auf eigene Fehler in der Zins- und Geldpolitik zu schauen, beschwört Erdogan Feinde im Ausland, die er für die Probleme verantwortlich macht. Der türkische Innenminister Süleyman Soylu beschwört die Wagenburg-Mentalität mit pathetischen Worten: „Lasst sie mit Kanonen kommen oder mit Gewehren. Lasst sie nicht nur zehn Botschafter, sondern die Botschafter auf der ganzen Welt hier versammeln. Sie können diesem Volk kein Haar krümmen.“

Claudia Roth fordert Sanktionen gegen Erdogan

In Deutschland scheint vielen ob des neuen Schauspiels in Ankara der Geduldsfaden zu reißen: „Erdogans skrupelloses Vorgehen gegen seine Kritiker wird zunehmend enthemmt“, erklärte etwa Bundestags-Vizepräsidentin Claudia Roth (Grüne). Man müsse dem „autoritären Kurs Erdogans international die Stirn bieten“, Sanktionen erlassen und Rüstungsexporte in die Türkei stoppen.

FDP-Außenpolitiker Alexander Graf Lambsdorff schrieb auf Twitter, eine mögliche Ausweisung von zehn Botschaftern „wäre unklug, undiplomatisch und würde den Zusammenhalt des Bündnisses schwächen.“ CDU-Außenexperte Norbert Röttgen sprach von einer „außenpolitischen Eskalation“.

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Die betroffenen Staaten berieten zunächst, wie sei auf eine tatsächliche Ausweisung ihrer Diplomaten reagieren sollten. Unionsfraktions-Vize Johann Wadephul kündigte für diesen Fall „ernsthafte Konsequenzen“ an.

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