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Verwüstung nach einem russischen Raketenangriff auf die Großstadt Charkiw.
  • Verwüstung nach einem russischen Raketenangriff auf die Großstadt Charkiw
  • Foto: dpa

Berechnung: Jeder Deutsche verliert 2600 Euro durch Energiekrise nach Ukrainekrieg

Teurer Strom, teures Gas, teure Lebensmittel: Der Ukrainekrieg hat eine Energiekrise ausgelöst, die die Menschen in ganz Europa zu spüren bekommen haben. Nach einer Berechnung der Hans-Böckler-Stiftung verliert jeder Deutsche dadurch pro Jahr 2600 Euro!

Die Zahl stammt von Professor Sebastian Dullien, Wirtschaftswissenschaftler der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung, der die Berechnung für das ARD Magazin „Panorama“ (NDR) aufgestellt hat.

Europa-Vergleich: In Deutschland sind die Verluste am Höchsten

Deutschland hat demnach fünf Prozent seines Bruttoinlandsprodukts (BIP) verloren. Das deutsche BIP schrumpfe durch die Kriegsfolgen deutlich stärker als das anderer Länder. In Schweden lägen die jährlichen Kosten bei 1700 Euro pro Kopf, in Italien bei 230 Euro.

Der Durchschnitt im EU-Raum liegt laut Dulliens Berechnung bei etwa 880 Euro. Die Verluste für Deutsche seien damit im Schnitt fast dreimal so hoch wie die anderer Bürgerinnen und Bürger.

Um diese Zahlen zu ermitteln, hat Professor Dullien nach einer Pressemitteilung des NDR als Grundlage die Schätzung des Internationalen Währungsfonds aus dem Herbst 2021 für das Bruttoinlandsprodukt für die Jahre bis 2024 genommen. Diese Schätzung war die letzte vor der Ukraine-Invasion und dem Energiepreisanstieg, der schon im Winter 2021 begann, als Russland anfing, weniger Gas zu liefern. Dieses damals erwartete BIP habe Dullien mit der aktuellen Schätzung (Januar 2024) des BIPs für 2024 verglichen. Die Differenz könne man grob als Folge der Ukraine-Invasion betrachten, weil diese die größte Veränderung der Rahmendaten seit 2021 ist.

Wirtschaftswissenschaftler: Deutschland ist als Industrienation besonders verwundbar

„Deutschland hat ein paar strukturelle Charakteristika, die es besonders verwundbar gemacht haben“, erklärt Professor Dullien in der Sendung. „Wir haben einen sehr großen Industriesektor. Das heißt, wir verbrauchen viel Energie. Zweitens: Sehr viel dieser Energie kam in Form von Gas aus Russland. Und drittens hat die deutsche Bundesregierung relativ spät eingegriffen in die Gasmärkte.“ In der Summe ergebe sich daraus eine besonders starke Belastung für Deutschland.

Ließe sich der Verlust also ausgleichen, indem Deutschland wieder in großem Stil Gas aus Russland kauft, wie von einigen Parteien wie dem Bündnis Sarah Wagenknecht (BSW) und der AfD gefordert wird? Recherchen des NDR zeigen: Es würde der deutschen Wirtschaft nur wenig helfen, wenn Deutschland wieder Gas aus Russland beziehen würde. Österreich etwa bezieht bis heute umfangreich Pipeline-Gas aus Russland. Im Januar 2024 kam sogar 97 Prozent des Rohstoffs per Pipeline aus Russland, im Februar waren es immer noch 87 Prozent. Billig ist das Gas dort dennoch nicht. Laut dem Preismonitor des Instituts für Höhere Studien (IHS) ist der Gaspreis für Endkunden in Österreich in den vergangenen Jahren sogar stärker gestiegen als in Deutschland. Und: Das gilt auch für die absoluten Preise.

In Österreich ist Gas sogar teurer als in Deutschland. In Deutschland liegt der Gaspreis für Verbraucher 2024 bei etwa 9 Cent pro kWh, in Österreich bei etwa 12 Cent. Bei einem Jahresverbrauch von 20.000 kWh zahlt ein Haushalt in Deutschland etwa 1800 Euro, in Österreich 2400 Euro im Jahr. (Quelle: HEPI, energypriceindex.com, Werte gerundet).

Recherchen: Rückkehr zu russischem Gas würde Deutschlands Industrie schwächen

Laut der NDR-Pressemitteilung glauben viele Gasmarkthändler und Ökonomen, dass eine Rückkehr zu russischem Gas Deutschlands Industrie eher schwächen würde und ein Standortnachteil wäre. Deutschlands Wirtschaft sei gerade deshalb so stark eingebrochen, weil es so abhängig vom russischen Gas war. Ein Transformationsschock, der so kurzfristig nicht abgefedert werden konnte. Mittlerweile habe Deutschland stabile neue Lieferanten gefunden, die Gaspreise sinken wieder.

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Wenn Nordstream voll einsatzfähig wäre und Russland wieder Gas liefern würden, würde das laut Professor Dullien wenig bringen: „Für die Investitionsentscheidungen der Unternehmen und auch für die Entscheidung, ob bestimmte Standorte hier weiterbetrieben werden, ist nicht nur der aktuelle Preis wichtig, sondern die Frage: Wie sicher und wie verlässlich ist sowohl die Lieferung als auch der Preis in der Zukunft? Russland ist kein verlässlicher Partner für Gaslieferungen. Daran ändert sich auch nichts, wenn die Pipelines repariert sind.“

Heißt: Sollte Deutschland wieder große Mengen aus Russland importieren, könnte es sogar dazu führen, dass Unternehmen deshalb ihre Produktionsstätten nicht hier ansiedeln. Auf Anfrage bleiben das BSW und die AfD bei Ihrer Haltung, russisches Gas importieren zu wollen. (mp)

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