Vitalij Schischow wurde tot in einem Park in Kiew gefunden.
  • Vitalij Schischow wurde tot in einem Park in Kiew gefunden.
  • Foto: Telegram/beldomua

Lukaschenkos langer Arm? Belarussischer Oppositioneller erhängt im Park gefunden

„Der letzte Diktator Europas“ – so schimpfen Kritiker:innen den belarussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko. Auch ein Jahr nach den Protesten gegen seine letzte, mutmaßlich gefälschte Wahl zittern Oppositionelle vor seinem langen Arm. Und zwar nicht nur in Belarus selbst, sondern bis zu den Olympischen Spielen in Japan, wo er angeblich eine regierungskritische belarussische Sprinterin entführen lassen wollte. Nun starb in der benachbarten Ukraine einer der bekanntesten Oppositionellen.

Am Montag schlug die Frau von Vitalij Schischow Alarm: Der Exil-Oppositionelle und Chef des „Belarussischen Hauses in der Ukraine“ war nicht von seiner morgendlichen Joggingrunde zurückgekehrt. Seit Tagen habe er sich schon verfolgt gefühlt. Freunde Schischows suchten darauf den ganzen Park nach Spuren ab – zunächst vergebens. Am Dienstagmorgen dann meldete die Kiewer Polizei, sie hätten die Leiche Schischows gefunden – erhängt an einem Baum im Park.

Polizei schließt einen Mord nicht aus

Einen Mord, getarnt als Suizid, schließen die ukrainischen Behörden ganz klar nicht aus, es wurde ein Ermittlungsverfahren wegen vorsätzlichen Mordes eingeleitet. Die Freund:innen und Mitstreiter:innen Schischows sind sich sicher: Lukaschenko steckt hinter dem Mord. Belarussische Agenten seien in Kiew aktiv, der 1995 geborene Schischow habe schon länger befürchtet, dass sie ihm etwas antun.

Was für Mord spricht: In einem informellen Gespräch habe die Polizei gesagt, dass Schischows Nase gebrochen war, so ein Weggefährte in der russischen Zeitung „Nowoje Wremja“. Nichts soll gestohlen worden sein, sein Handy lag in der Nähe des Leichnams. Andere Freunde berichten, dass Schischow und seine Frau schon häufiger auf der Straße bedroht worden seien.

In Belarus herrscht ein Klima der Angst

Das „Belarussische Haus in der Ukraine“ macht politische Arbeit und hilft zudem Menschen, die vor Lukaschenkos Regime flohen, bei der Integration in der Ukraine. Immer noch verlassen reihenweise Oppositionelle das Land, da sie Repressionen befürchten. Der Deutschen Presse-Agentur (dpa) berichteten gestern etliche eindrücklich von dem Klima der Angst, das seit einem Jahr herrsche.

Seit 1994 ist Lukaschenko Machthaber in Belarus. Bereits in seiner ersten Amtszeit verschwanden vier Oppo­sitionelle und kritische Pressevertreter. Auch bei seiner Wiederwahl vergangenen Sommer ließ er die aussichtsreichsten Kontrahenten verhaften, sodass am Ende kaum eine Alternative auf dem Wahlzettel stand.

Oppositionsführerin Tichanowskaja auch im Exil

Die liberale Swetlana Tichanowskaja, die zunächst statt ihres nicht zugelassenen Ehemanns antreten wollte, reiste zwei Tage nach der Wahl eilig ab und floh nach Litauen. Die genauen Umstände blieben unklar. Es wird aber vermutet, dass sie von den belarussischen Behörden gezwungen worden war. Aus dem Exil organisiert auch sie noch Oppositionsarbeit. Die heimischen Behörden schrieben sie wegen öffentlicher Aufrufe zur Machtergreifung zur internationalen Fahndung aus.

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Zuletzt sorgte der Fall der Olympionikin Kristina Timanowskaja für Aufsehen. Die belarussische Sprinterin entging offenbar nur knapp einer Verschleppung, nachdem sie Sportfunktionäre ihres Heimatlandes kritisiert hatte (MOPO berichtete). Sie hatte nicht etwa zum Umsturz aufgefordert, sondern schlicht öffentlich Kritik geübt. Mittlerweile erhielt sie Asyl in der polnischen Botschaft. Das Olympische Komitee leitete Ermittlungen ein.

Timanowskajas Mann floh ebenfalls nach Kiew, nachdem seine Frau fast entführt wurde. Vitalij Schischow wird ihm nicht mehr helfen können, dort anzukommen. Aber andere werden weitermachen.

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