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Milorad Dodik
  • Milorad Dodik: Möchte er die serbische Teilrepublik abspalten?
  • Foto: picture alliance/dpa | Darko Vojinovic

Am Balkan brodelt’s! UN-Repräsentant warnt vor Krieg

Seit 1995 leben in Bosnien-Herzegowina Serben, Kroaten und Bosniaken in Frieden miteinander. Bestrebungen, das Land zu trennen und zwischen den Bevölkerungsgruppen aufzuteilen, gab es immer wieder. Doch jetzt schlägt der Hohe Repräsentant der UN, dessen Aufgabe die Überwachung des Friedens vor Ort ist, Alarm: Die Abspaltungsbemühungen des Serben-Führers Milorad Dodik könnten mehr als ein Vierteljahrhundert nach dem Friedensschluss wieder zu Krieg führen.

Die Bilder vom Wochenende zeugten allerdings eher von Einheit als von Spaltung: Sturzregen hatte weite Teile des Landes ins Chaos gestürzt. Überschwemmungen, Stromausfälle und Evakuierungen waren die Folge – auch in Sarajevo, der Hauptstadt von Bosnien-Herzegowina. Hand in Hand schleppten katholisch-kroatische, serbisch-orthodoxe und muslimisch-bosniakische Helfende Sandsäcke, retteten Nachbar:innen per Boot, boten Essen und Zuflucht an.

UN-Repräsentant fürchtet Aufspaltung von Bosnien-Herzegowina

Diese Einheit aber sieht Christian Schmidt in akuter Gefahr. Seit dem 1. August ist der CSU-Politiker und ehemalige Bundeslandwirtschaftsminister Hoher Repräsentant der internationalen Gemeinschaft in dem Balkanstaat, Amtssitz Sarajevo. „Bosnien-Herzegowina sieht sich mit seiner schwersten existenziellen Bedrohung der Nachkriegsperiode konfrontiert“, schreibt der deutsche Diplomat in seinem jüngsten Bericht an die Vereinten Nationen.

Der Grund ist nach seiner Darstellung das Säbelrasseln von Milorad Dodik, serbischer Repräsentant im dreiköpfigen Staatspräsidium. Von 2010 bis 2018 war er Präsident der Republika Srpska. Deren Abspaltung aus dem Staatsgebilde forciere Dodik nun immer lauter, so Schmidt. So bereite er die Schaffung einer eigenen Armee vor, womit er die Armee des Gesamtstaates faktisch auflösen würde. Darüber hinaus blockiere er jetzt schon gesamtstaatliche Institutionen wie die Präsidentschaft oder das Parlament. Sollte die internationale Gemeinschaft diese Politik weiter hinnehmen, werde sich die Republika Srpska „aus der verfassungsmäßigen Ordnung Bosniens entfernen“ und den Friedensvertrag von Dayton unterlaufen, schreibt Schmidt in dem Bericht.

Die Rolle Russlands, Serbiens und der Nato

Dass Schmidt seinen Bericht vor dem UN-Sicherheitsrat vortrug, scheiterte an einem Veto Russlands. Das im Gegenzug als Mitglied des Rates einer Verlängerung der laufenden EU-Mission um zwölf weitere Monate zustimmte. Das Staatsgebilde Bosnien-Herzegowina ist nämlich nicht nur aus einer komplizierten Geschichte entstanden, sondern berührt auch Interessen unterschiedlicher Machtblöcke.

Wie eingangs erwähnt leben in Sarajevo die drei ethnisch und religiös getrennten Bevölkerungsgruppen gleichberechtigt zusammen. Der Großmufti der bosnisch-herzegowinischen Muslime („Bosniaken“) hat hier genauso seinen Sitz wie der Metropolit der serbisch-orthodoxen Kirche und ein Erzbischof der katholischen Kirche, der die kroatischen Bosnier:innen angehören.

Dayton-Abkommen sorgt für Frieden, aber auch für komplexe Situation

Durch die Hauptstadt Sarajevo verläuft auch die Grenze zwischen der hauptsächlich von Serb:innen bevölkerten Republika Srpska und der kroatisch-muslimischen „Föderation Bosnien und Herzegowina“. Als Drittes gibt es noch den Distrikt Brcko als Sonderverwaltungsgebiet an der kroatischen Grenze. Dieses komplexe Gebilde wurde im Dayton-Abkommen von 1995 so festgehalten, nach dreieinhalb Jahren Krieg.


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Dodik, der in der jüngeren Vergangenheit schon wegen Verharmlosungen des Massakers von Srebrenica kritisiert wurde, findet Unterstützung für seine Bestrebungen vor allem im Osten: Russland und China stehen eher auf seiner Seite, Ungarns Regierungschef Viktor Orban besuchte ihn am Wochenende, sicher auch um Solidarität zu zeigen. Und vor allem in Serbien finden Dodiks Pläne Anklang, auch wenn dort nicht mehr von „Groß-Serbien“ gesprochen wird. Stattdessen wird die Idee, alle Serb:innen in einem Staat zu vereinen, mittlerweile beschönigend als „Serbische Welt“ bezeichnet. Auf der anderen Seite stehen Nato und EU, die den kleinen Balkanstaat lieber in ihrem Einflussbereich sähen.

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Doch wie konkret ist denn nun die Gefahr eines Krieges? Zunächst will Dodik nach eigener Aussage Gesetzesänderungen durchs Parlament der serbischen Teil-Republik bringen. Was vor allem im Fall einer eigenen Armee ein klarer Verstoß gegen das Dayton-Abkommen wäre und die Region destabilisieren könnte. Edin Forto, Premierminister des Kantons Sarajevo, glaubt indes nicht an einen Krieg, wie er dem „Spiegel“ jüngst sagte. Dodik sei zwar „ein bisschen verrückt, aber nicht doof. Er wird keine russischen Soldaten hierherbringen, und so viele eigene Leute hat er nicht.“

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