Horst Seehofer
  • Bundesinnenminister Horst Seehofer will trotz des Vormarsches der Taliban verstärkt nach Afghanistan abschieben lassen.
  • Foto: picture alliance/dpa | Jörg Carstensen

Afghanistan: Seehofer will mit Volldampf abschieben

Lange fanden so gut wie keine Abschiebungen nach Afghanistan statt. Doch nun will Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) wieder massiv Menschen abschieben – obwohl die radikalislamischen Taliban drohen, das ganze Land zu übernehmen. Grünen-Chef Robert Habeck findet das ganz und gar nicht in Ordnung.

„Wir verhandeln gerade mit Afghanistan, damit wir Straftäter weiterhin dorthin abschieben können“, sagte Seehofer der „BamS“. „Wie will man denn verantworten, dass Straftäter nicht mehr in ihr Heimatland zurückgeführt werden können?“, fragte er mit Blick auf Forderungen des SPD-Politikers Lars Castellucci, Menschen nicht in das Land abzuschieben. Auch die afghanische Regierung hatte darum gebeten.

Fast nur Männer wurden zuletzt nach Afghanistan abgeschoben

In den vergangenen Jahren waren ausschließlich Männer – Straftäter und sogenannte Terrorgefährder – gegen ihren Willen nach Afghanistan abgeschoben. Seehofer hofft nun, Männer, denen jetzt die Abschiebung droht, auch von einer freiwilligen Ausreise zu überzeugen, beispielsweise durch einen teilweisen Straferlass.

„Wir werden die Zahl der Abschiebungen nach Corona wieder deutlich steigern. Wir können uns nicht damit zufriedengeben, dass die Dinge schwierig sind“, sagte Seehofer. „Wer kein Aufenthaltsrecht hat, muss das Land verlassen. Wer dieses Prinzip aufgibt, gibt den Rechtsstaat auf.“

Vor Gericht siegen Afghanen immer häufiger

Doch der Rechtsstaat gibt dem Bundesinnenminister nicht unbedingt recht. Denn vor deutschen Gerichten sind afghanische Asylbewerber zunehmend erfolgreich. 4212 Mal zogen Afghanen in diesem Jahr bereits vor Gericht. In 3203 Fällen erhielten die Kläger am Ende Schutz hierzulande, 1009 Klagen wurden abgewiesen. Das geht aus Zahlen des Bundesinnenministeriums hervor, die die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Ulla Jelpke, abgefragt hat.

Ulla Jelpke (Linke) hat herausgefunden: Afghanen setzen sich zunehmend erfolgreich gegen ihre Abschiebungen zur Wehr. picture alliance/dpa/Britta Pedersen
Ulla Jelpke
Ulla Jelpke (Linke) hat herausgefunden: Afghanen setzen sich zunehmend erfolgreich gegen ihre Abschiebungen zur Wehr.

Angesichts der erfolgreichen militärischen Offensiven der Taliban nach dem Abzug der westlichen Truppen verschärft sich die Situation unterdessen in dem Land immer mehr. Die Bundesregierung tue aber weiterhin so, als wäre in Afghanistan „nichts geschehen“, sagt Grünen-Chef Robert Habeck. Die Lage-Einschätzungen des Auswärtigen Amts müssten geändert und Abschiebungen ausgesetzt werden, forderte er in der „FAS“.

Bundesregierung hat Kontakt zu Taliban

FDP-Chef Christian Lindner hingegen sprang Seehofer bei: „Die Motive der Grünen mögen nobel sein, die praktischen Konsequenzen für unser Land hat Herr Habeck aber nicht zu Ende gedacht“, sagte er. Es dürften keine „falschen Signale“ an die „Schlepperkriminalität“ gesendet werden.

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Die Bundesregierung selbst steht offenbar bereits indirekt in Kontakt mit den Taliban. In Doha gibt es laut mehrerer Medienberichte derzeit Verhandlungen zwischen den Taliban und westlichen Regierungen. Dabei geht es neben der Frage von Abschiebungen auch um Sicherheitsgarantien für humanitäre Helfer und die künftige Vergabe von Entwicklungshilfe.

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