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Elke Kahr
  • Elke Kahr (KPÖ) wurde zur Bürgermeisterin von Graz gewählt.
  • Foto: imago images/Martin Juen

Warum diese Bürgermeisterin jedem Kind ein Fahrrad schenken will

Es gilt als politische Sensation: In Österreichs zweigrößter Stadt sind überraschend die Kommunisten ans Ruder gekommen. Elke Kahr (KPÖ) wurde am Mittwoch zur Bürgermeisterin von Graz gewählt. Eine ihrer ersten Amtshandlungen: Jedes Kind soll ein Fahrrad bekommen.

Rund zwei Monate nach dem Sieg ihrer Partei bei der Kommunalwahl hat der Gemeinderat die 60-jährige Politikerin am Mittwoch mit 28 von 46 Stimmen zum neuen Stadtoberhaupt von Graz auserkoren. „Es ist ein Wechselbad der Gefühle, ich habe jedenfalls immense Demut vor der Aufgabe“, sagte Kahr der Deutschen Presse-Agentur kurz vor ihrem Amtsantritt. Ihr Vorgänger, Siegfried Nagl (ÖVP) hatte das Amt fast 20 Jahre inne – die Kommunistin tritt damit in große Fußstapfen.

Neue Bürgermeisterin konzentriert sich aufs Thema Wohnen

Die Kommunistische Partei Österreichs (KPÖ) führt in der Stadt mit ihren rund 300.000 Einwohnern nun ein Bündnis mit Grünen und SPÖ an. Gemeinsam wolle sie dem profitgetriebenen Baugeschehen in der Stadt Grenzen setzen, erklärte Kahr in ihrer ersten Rede nach der Amtsübergabe – und bekannte sich damit zu einer neuen Wohnungspolitik. Wer mächtig sei, brauche keine Hilfe; Hilfe bräuchten die, die nicht im Rampenlicht stünden, so die Kommunistin. „Ohne Empathie wird es nicht gehen.“ Zudem sollen Familien einen zweckgebundenen Gutschein in noch unbekannter Höhe erhalten, damit jedem Kind ein Fahrrad finanziert werden kann.

Weitere Ziele sind der Bau neuer Gemeindewohnungen und die Senkung der Kindergartenbeiträge. Als einer der ersten Maßnahmen soll laut Kahr zudem die jährliche, an die Inflation angepasste Erhöhung der Gebühren auf Wasser, Kanal und Müllabfuhr 2022 ausgesetzt werden, um die Mieter zu entlasten. Migranten können mit mehr Deutschkursen sowie mit Mentoren in Unternehmen rechnen.


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Die KPÖ ist auf lokaler Ebene schon seit Jahrzehnten eine wichtige politische Größe: Kahr war bereits unter der ÖVP-Regierung 16 Jahre lang Stadträtin für Wohnen und zuletzt für Verkehr. Sie und zwei Parteikollegen in Graz haben 2020 jeweils zwei Drittel ihres Gehalts an Bedürftige gespendet. Mit 168.000 Euro wurden ihren Angaben zufolge 1577 arme Menschen unterstützt, die zum Beispiel ihre Wohnung räumen sollten oder sich nichts mehr zum Essen kaufen konnten.

Politikwissenschaftler: Was macht Elke Kahr so erfolgreich?

Für Politikwissenschaftler ist die gelebte Bürgernähe der Politikerin nicht die einzige Erklärung für ihren durchschlagenden Erfolg. Ihre Wahl zur Bürgermeisterin im ansonsten oft konservativen Österreich sei der Höhepunkt eines drei Jahrzehnte langen Prozesses, erklärt Manès Weisskircher von der Universität Oslo.

Die KPÖ habe schon lange verstanden, dass es wichtig sei, spürbare Verbesserungen der Lebensumstände voranzubringen – und sich daher nach französischem Vorbild in Lille auf das Thema Wohnen konzentriert. Grundsätzlich hält Weisskircher das tiefe Einarbeiten in eine Materie und den langfristigen Aufbau von Glaubwürdigkeit für entscheidend.

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Die Wahl habe auch gezeigt, dass die KPÖ durchaus konservative Wähler anspricht, sagt der Grazer Politologe Heinz Wassermann zur „Tiroler Tageszeitung“. „Die Wähler sagen, die KPÖ macht Politik, wie sie sein soll. Keine Insignien der Macht, jederzeit erreichbar, keine Abgehobenheit.“(mhö/dpa)

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