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  • Ein Bild, das der Vergangenheit angehört: Julian Reichelt als Chef der „Bild“
  • Foto: picture alliance/dpa | Jörg Carstensen

Medien-Beben! Verlag feuert umstrittenen „Bild“-Chef

Presse-Beben in der deutschen Medien-Landschaft: Der Chefredakteur der „Bild“-Zeitung ist am Montag gefeuert worden. Hintergrund sind Vorwürfe des Fehlverhaltens gegenüber mehreren Mitarbeiterinnen.

Julian Reichelt ist nicht länger Chefredakteur der „Bild“. Das teilte der Mutterkonzern Axel Springer am Montag via Pressemeldung mit. Reichelt sei „mit sofortiger Wirkung von seinen Aufgaben entbunden“, hieß es darin. Er verlässt den Medienkonzern und damit auch Deutschlands größte und auflagenstärkste Boulevardzeitung.

Verlag feuert umstrittenen „Bild“-Chef – mit dieser Begründung

Grund für Reichelts Entlassung sind Vorwürfe des Fehlverhaltens gegenüber Mitarbeiterinnen, die vor Monaten gegen den 41-Jährigen erhoben worden und zunächst weitgehend folgenlos geblieben waren. Das hat sich nun geändert: „Als Folge von Presserecherchen hatte das Unternehmen in den letzten Tagen neue Erkenntnisse über das aktuelle Verhalten von Julian Reichelt gewonnen“, hieß es in der Springer-Pressemeldung weiter.

Der Konzern sei diesen Informationen nachgegangen. „Dabei hat der Vorstand erfahren, dass Julian Reichelt auch nach Abschluss des Compliance-Verfahrens im Frühjahr 2021 Privates und Berufliches nicht klar getrennt und dem Vorstand darüber die Unwahrheit gesagt hat“, so der Text der Pressemitteilung. Im Klartext: Reichelt hat gelogen. Wie genau diese Lügen aussahen und worauf sie sich bezogen, teilte das Unternehmen aber nicht mit.


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Kurios: Springer-CEO Mathias Döpfner wird in der Mitteilung dahingehend zitiert, dass er „den mit der Redaktion und dem Verlag eingeschlagenen Weg der kulturellen Erneuerung bei ,Bild‘ gemeinsam mit Julian Reichelt gerne fortgesetzt“ hätte. Der 41-Jährige habe „Bild“ nämlich „journalistisch hervorragend entwickelt und mit ,Bild Live‘ die Marke zukunftsfähig gemacht.“ Aber: „Dies ist nun nicht mehr möglich.“

Neuer Vorsitzender der dreiköpfigen Chefredaktion soll Johannes Boie werden, der derzeit Chefredakteur der „Welt am Sonntag“ ist. Neben ihm sind Alexandra Würzbach als Chefredakteurin der „Bild am Sonntag“ und Claus Strunz als Chef von „Bild TV“ mit in dem Gremium.

Gegen Reichelt lief im Frühjahr ein Compliance-Verfahren

Das Compliance-Verfahren gegen Reichelt war im Frühjahr bei Springer angestoßen worden. Zuvor hatten mehrere Medien, darunter federführend der „Spiegel“, über Vorwürfe des Machtmissbrauchs und des Ausnutzens von Abhängigkeitsverhältnissen gegen Reichelt berichtet. Mehrere Mitarbeiterinnen hatten diese erhoben – anonym. Auch kursierten Gerüchte zu Drogenkonsum am Arbeitsplatz.

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Der Verlag prüfte die Anschuldigungen intern und kam zu dem Schluss, dass der zwischenzeitlich freigestellte 41-Jährige als Chefredakteur weitermachen durfte. Reichelt zog zudem gegen den „Spiegel“ vor Gericht – mit Erfolg.

Ippen-Team und „New York Times“ recherchierten weiter

Ein Investigativ-Team der Mediengruppe Ippen ließ allerdings nicht locker und ging den Vorwürfen weiter nach. Auch die renommierte „New York Times (NYT)“ unternahm parallel Recherchen im Umfeld von Axel Springer und „Bild“. Während die Journalist:innen von Ippen ihre Ergebnisse nach Ansage des Verlagschefs Dirk Ippen nicht veröffentlichten durften, legte die „NYT“ ihren ausführlichen Bericht am Wochenende vor.

In dem Artikel ging es hauptsächlich um die Pläne des Springer Verlags zur Übernahme der US-Mediengruppe Politico – aber auch um „Bild“-Chef Reichelt und die im Frühjahr bekanntgewordene Vorwürfe gegen ihn. Die „NYT“ erwähnte zudem die gestoppten Ippen-Recherchen, die nicht nur in der Medien-Landschaft für heftige Irritationen sorgten – vor allem, nachdem ein Brief, den das Recherche-Team an Geschäftsführung und Verleger schrieb, öffentlich wurde.

Das Schreiben kursierte im Internet. Darin hieß es: „Unsere Recherche-Ergebnisse deuten auf Missstände und Machtmissbrauch im Hause Axel Springer und durch den mächtigsten Chefredakteur Deutschlands hin.“ Weiter hieß es: „Besonders irritiert hat uns die Tatsache, dass für den Stopp der Recherche keine juristischen oder redaktionellen Gründe angeführt wurden.“

So begründete Ippen den Veröffentlichungsstopp

Bislang blieb unklar, ob die Recherchen von Ippen-Investigativ möglicherweise zu einem späteren Zeitpunkt veröffentlicht werden. Die Mediengruppe äußerte sich auf Nachfrage dazu nicht. Als Begründung für den Stopp der Veröffentlichung hieß es: „Als Mediengruppe, die im direkten Wettbewerb mit ,Bild‘ steht, müssen wir sehr genau darauf achten, dass nicht der Eindruck entsteht, wir wollten einem Wettbewerber wirtschaftlich schaden.“

Das Medienhaus, das in München die Boulevardzeitung „TZ“ publiziert, ergänzte: „Daher ist die Entscheidung gefallen, jeden Eindruck zu vermeiden, wir könnten Teil eines Versuchs sein, einen solchen wirtschaftlichen Schaden anzurichten. Damit war das Thema einer Erstveröffentlichung dieser Recherchen vom Tisch.“ Nach Angaben von Ippen hatte es keine Beeinflussung durch Springer bei der Entscheidung gegeben, auf eine Veröffentlichung zu verzichten: „Der Austausch mit Springer beschränkte sich auf den in diesen Fällen üblichen Schriftwechsel der jeweiligen Anwälte.“

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