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Ein Pfleger untersucht Patienten auf der Covid-19-Intensivstation im thüringischen Gera. Der Druck auf Deutschlands Kliniken wird in den nächsten Wochen zunehmen, sind sich Experten sicher.
  • Ein Pfleger untersucht Patienten auf der Covid-19-Intensivstation (Symbolbild).
  • Foto: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Bodo Schackow

Lauterbach über Corona in Deutschland: „Uns drohen schwere Wochen“

Die Zahlen steigen und steigen: Immer mehr Menschen stecken sich mit dem Coronavirus an – Omikron sei Dank. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) warnt: Uns stünden „schwere Wochen“ bevor. Doch es gibt auch Hoffnung: Der Sommer könnte, wie schon in den vergangenen Jahren, gut werden.

Jeden Tag verzeichnet das Robert-Koch-Institut (RKI) derzeit einen neuen Höchststand bei den Corona-Neuinfektionen – Omikron sei Dank. Am Sonntag wurden mehr als 52.500 neue Ansteckungen binnen 24 Stunden gemeldet, die Sieben-Tage-Inzidenz liegt mittlerweile bundesweit bei 515,7 – und damit erstmals über der Schwelle von 500. Zum Vergleich: Am Vortag hatte der Wert bei 497,1 gelegen.

Lauterbach: „Uns drohen in Deutschland schwere Wochen“

Lauterbach warnt deshalb eindringlich: „Uns drohen in Deutschland sehr schwere Wochen“, sagte er der „Bild am Sonntag“. „Wir dürfen uns mit Blick auf die aktuell sinkenden Krankenhauszahlen insbesondere auf den Intensivstationen nicht in Sicherheit wiegen.“

Denn, so Lauterbach: Die Situation in den Kliniken werde sich wieder verschärfen. Momentan erkrankten vor allem die Jüngeren, die viele Kontakte hätten. Wenn sich die Älteren infizierten, werde die Zahl der Klinikeinweisungen wieder steigen. „Da kann es (…) nicht nur bei den Intensivstationen knapp werden, sondern auch auf den normalen Stationen. Es droht die Schließung ganzer Abteilungen“, sagte Lauterbach. „Eine Durchseuchung bedeutet, dass Hunderttausende schwer krank werden und wir wieder viele Tausende Corona-Tote beklagen müssen.“

Großbritannien als Zukunftsszenario für Deutschland?

Was Deutschland vermutlich bevorsteht, kann man derzeit in Großbritannien beobachten. Dort scheint der Höhepunkt der Omikron-Welle bereits überstanden zu sein – jedenfalls was die Infektionszahlen anbelangt: Seit Jahresbeginn sinkt die Sieben-Tage-Inzidenz kontinuierlich ab, auf zuletzt knapp 1455. Dagegen gibt es sowohl bei der Hospitalisierungsrate als auch bei der Zahl der täglichen Covid-Todesfälle einen deutlichen Anstieg.

Die aktuellen Corona-Zahlen aus Großbritannien: Zwar sinken die Infektionszahlen, aber bei den Todeszahlen (Mitte) und der Hospitalisierungsrate bleiben die Werte weiter hoch. https://coronavirus.data.gov.uk/
Die aktuellen Corona-Zahlen aus Großbritannien: Zwar sinken die Infektionszahlen, aber bei den Todeszahlen (Mitte) und der Hospitalisierungsrate bleiben die Werte weiter hoch.
Die aktuellen Corona-Zahlen aus Großbritannien: Zwar sinken die Infektionszahlen (links), aber bei den Todeszahlen (Mitte) und der Hospitalisierungsrate (rechts) bleiben die Werte weiter hoch.

Das bestätigt, wovor Wissenschaftler:innen immer wieder warnen: Die Situation in Krankenhäusern und die Todesraten werden stets erst mit zeitlichem Verzug sichtbar, da zwischen Ansteckung und Hospitalisierung beziehungsweise Ableben teilweise mehrere Wochen liegen können. Bedeutet: Abflachende Infektionskurven sind kein Garant für eine Entspannung.

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Hinzukommt: In Großbritannien ist die Grundimmunisierung in der Bevölkerung deutlich höher als hierzulande. Während bei uns knapp 73 Prozent der Menschen als „vollständig geimpft“ gelten, sind es im Vereinigten Königreich gut zehn Prozent mehr. Und, was noch entscheidender ist: In Großbritannien ist gut 63 Prozent der Bevölkerung bereits geboostert, in Deutschland nur knapp 47 Prozent. Doch eine Omikron-Infektion und daraus resultierende schwere Erkrankung lassen sich zuverlässig nur mit der Auffrischung verhindern, wie auch UKE-Intensivchef Prof. Dr. Stefan Kluge jüngst zur MOPO sagte: „Gegen Omikron ist der Booster das Entscheidende. Da helfen die Erst- und Zweitimpfungen nicht so sehr wie die dritte Impfung.“

Klaus Stöhr: „Erst impfen lassen und sich dann infizieren“

Daher ist der Booster-Piks derzeit wichtiger denn je. Allerdings: „Wir können nicht auf Dauer alle paar Monate über eine Booster-Impfung den Immunschutz der ganzen Bevölkerung erhalten“, das müsse das Virus machen, sagte Corona-Experte Christian Drosten zum „Tagesspiegel am Sonntag“. Alle Menschen müssten sich früher oder später mit Sars-Cov-2 infizieren. „Es gibt keine Alternative. Wir können nicht auf Dauer alle paar Monate über eine Booster-Impfung den Immunschutz der ganzen Bevölkerung erhalten“, das müsse das Virus machen, so Drosten. „Das Virus muss sich verbreiten“, sagte er – „aber eben auf Basis eines in der breiten Bevölkerung verankerten Impfschutzes“, denn sonst würden „zu viele Menschen sterben“.


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Das unterstrich auch der ehemalige WHO-Virologe Klaus Stöhr in einem Podcast des „Kölner Stadt-Anzeiger“: „Der beste Weg aus der Pandemie wäre: sich erst impfen lassen und sich dann infizieren.“ Denn so werde es im „Paket“ einen langanhaltenden Immunschutz geben, so Stöhr. Dieser sei die Voraussetzung, dass sich die Corona-Situation bald bessere.

Drosten erwartet relativ entspannten Sommer

Das könnte schon in wenigen Monaten der Fall sein: Drosten erwartet, dass der Sommer in Deutschland relativ entspannt wird. „Wir werden natürlich wieder ein ganz offenes gesellschaftliches Leben haben können“, sagte der Experte am Freitag beim wöchentlichen Corona-Briefing in Berlin. Und er sei sich „komplett sicher“, dass wir über kurz oder lang „wieder so leben werden wie vor der Pandemie“, so Drosten zum „Tagesspiegel“.

Zwar müssten noch ein paar Jahre lang Masken in bestimmten Situationen getragen werden, was nerven werde. Es werde aber auch „ein paar Benefits“ geben: Das Virus habe die Medizin vorangebracht, so Drosten. „Die mRNA-Technologie ist ein Riesen-Durchbruch, auch für Krebs und für andere Infektionskrankheiten, denken wir allein mal an Influenza.“

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