Aktuelle Daten aus Großbritannien: Darum ist Omikron keine „harmlose“ Mutation
Die Nachricht gab zuletzt Anlass zur Hoffnung: Bei Menschen, die sich mit der Omikron-Mutation des Coronavirus angesteckt hatten, war der Krankheitsverlauf oft milder als etwa bei Infektionen mit der Delta-Mutante. Bedeutet das also, Omikron ist per se harmloser? Aktuelle Daten aus Großbritannien zeigen das nicht. Erfahren Sie mehr mit MOPO+ – jetzt vier Wochen lang testen für nur 99 Cent!
Die Nachricht gab zuletzt Anlass zur Hoffnung: Bei Menschen, die sich mit der Omikron-Mutation des Coronavirus angesteckt hatten, war der Krankheitsverlauf oft milder als etwa bei Infektionen mit der Delta-Mutante. Bedeutet das also, Omikron ist per se harmloser? Aktuelle Daten aus Großbritannien zeigen das nicht.
Es ging rasend schnell: Innerhalb weniger Wochen ist Omikron zur vorherrschenden Corona-Variante in Großbritannien geworden. Seitdem explodieren die Fallzahlen regelrecht, innerhalb einer Woche registrierten die Behörden zuletzt 40 Prozent mehr Neuinfektionen, die Sieben-Tage-Inzidenz liegt derzeit bei 1725.
Das bringt die britischen Kliniken an die Belastungsgrenzen und teilweise sogar darüber hinaus. Mittlerweile hat fast jede sechste Krankenhausstiftung in England den Ernstfall ausgerufen. In den Krankenhausstiftungen sind in der Regel mehrere Kliniken als Verbund zusammengeschlossen. Der Ernstfall wird immer dann ausgerufen, wenn notwendige Behandlungen nicht mehr gewährleistet werden können – was aktuell wegen Omikron immer mehr Einrichtungen betrifft. Allein in England warten derzeit fast sechs Millionen Menschen auf Routine-Operationen und andere Behandlungen – viele davon mit Schmerzen.
Omikron: Krankheitsverlauf nicht per se automatisch mild
Dass die Krankenhäuser derart voll sind, liegt zum Großteil an Covid-Patienten. Denn: Auch wenn bei der Mehrheit der Omikron-Infizierten der Krankheitsverlauf milder ist als etwa bei Delta, heißt es nicht, dass er generell und automatisch mild ist. Vor allem Ungeimpfte und Vorerkrankte müssen weiter mit potenziell schweren Verläufen rechnen. Dadurch, dass sich derzeit wahnsinnig viele Menschen in sehr kurzer Zeit anstecken, wächst logischerweise auch die Zahl derer, die einen solchen schweren Verlauf haben – und somit die Zahl der Krankenhauseinweisungen.
Das bestätigen die aktuellen britischen Krankenhaus-Daten: Derzeit liegen allein in England rund 15.700 Patientinnen und Patienten mit einer Corona-Infektion im Krankenhaus – fast 50 Prozent mehr als vergangene Woche und so viele wie noch nie seit 17. Februar 2021, berichtet der britische „Mirror“. „Die Zahl der Krankenhauseinweisungen nimmt im Allgemeinen im ganzen Land zu und wir werden möglicherweise einige Wochen lang ein hohes Niveau sehen“, erklärte Prof. Neil Ferguson, Epidemiologe am Imperial College London, im Interview mit BBC Radio 4.
Die Zahl der Corona-Todesfälle in Großbritannien steigt stark an
Und noch etwas fällt auf: Seit rund einer Woche steigt die Zahl der Corona-Todesfälle in Großbritannien stark. Innerhalb der vergangenen sieben Tage starben rund 1200 Menschen an und mit Covid – ein Zuwachs um fast 132 Prozent.

Um diese Dimensionen einzuordnen: Wie der Informatiker „Epsilon“ auf Twitter berechnete, sterben derzeit in Großbritannien „täglich mehr Menschen an Covid als an Lungenkrebs, HIV und Verkehrsunfällen zusammen“.
Was es aber nicht wirklich besser macht: Selbst wenn die Todeszahlen gar nicht steigen & Omikron "nur" Delta-Tote "ersetzen" würde, wäre das immer noch viel zu viel. in UK sterben seit Freedom Day täglich mehr Menschen an covid als an Lungenkrebs, HIV & Verkehrsunfällen zusammen.
— epsilon (@epsilon3141) January 5, 2022
Nun muss man festhalten, dass zum Höhepunkt der Winterwelle zum Jahreswechsel 2020/2021 die Zahl der täglichen Corona-Todesfälle deutlich höher lag – damals starben an den schlimmsten Tagen Ende Januar mehr als 1200 Menschen täglich. Aber: Der aktuelle Anstieg bei den Omikron-Todesfällen ist sehr steil.
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Das bedeutet: Selbst wenn Omikron generell milder verläuft, besteht kein Grund, die Mutation zu verharmlosen. Denn mit hohen Infektionszahlen gehen derzeit in Großbritannien weiter hohe Todeszahlen einher – wenn auch proportional nicht so hohe wie bei vorangegangenen Wellen.
Ist Großbritannien die Omikron-Blaupause für Deutschland?
Experten schätzen, dass innerhalb weniger Wochen auch hierzulande Omikron die dominierende Variante sein dürfte. Ist Großbritannien also eine Blaupause für Deutschland? Das ist schwer vorauszusagen. Einerseits ist die Quote an Menschen, die als „vollständig geimpft“ gelten, in Großbritannien (69,7 Prozent) und Deutschland (71,5 Prozent) ungefähr gleich hoch. Andererseits sind hierzulande rund 10 Prozent weniger Menschen geboostert als im Vereinigten Königreich. Experten schätzen, dass der Booster aber essenziell ist, um eine Infektion mit Omikron zu vermeiden. Auch sind in Deutschland generell deutlich weniger Menschen über 60 Jahren geimpft als in Großbritannien – was ebenfalls zu mehr Todesfällen durch Infektionen führen könnte.
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Ein weiterer Unterschied: Hierzulande ist die Quote der Menschen, die wegen Covid auf der Intensivstation liegen, deutlich höher als auf der Insel. Wie das „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ berechnet hat, kommen auf eine Millionen Einwohner:innen in Großbritannien 13 Intensiv-Patient:innen. Hierzulande sind es 45 – und der Höhepunkt der Omikron-Welle steht Deutschland erst noch bevor. Die Kliniken könnten also möglicherweise deutlich heftiger unter Druck geraten als bisher – vor allem, da potenziell auch Ärztinnen, Ärzte und Pflegekräfte von Infektionen betroffen sein könnten und somit ausfallen.
Was in den aktuellen Debatten außerdem oft zu kurz kommt: Jede Infektion mit Corona – egal bei welcher Mutation – kann potenziell zu Long Covid führen. Derzeit gibt es weltweit wegen Omikron so viele Infizierte wie nie zuvor. Unterschiedlichen Studien zufolge leidet mindestens die Hälfte aller Genesenen noch Wochen nach einer Ansteckung an Spätfolgen. Auch das kann unser Gesundheitssystem schwer belasten – wahrscheinlich sogar weit über das offizielle Ende der Pandemie hinaus.