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Mojib Latif
  • Klimaforscher Mojib Latif
  • Foto: picture alliance/dpa/Ulrich Perrey

Experte: Aktuelle Klimakatastrophen sind nur ein Vorgeschmack

Hitzewellen, Sturmfluten, extreme Niederschläge – doch die derzeitigen Probleme sind nur ein Vorgeschmack. Das sagt Mojib Latif im MOPO-Interview. Der 1954 in Hamburg geborene Klimaforscher ist Professor am Goemar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung der Uni Kiel.

MOPO: Der Bericht des UN-Klimarats klingt dramatisch. Wie schätzen Sie das ein?

Mojib Latif: Die Ergebnisse zeigen, dass die Pariser Klimaziele kaum erreicht werden können. Das 1,5-Grad-Ziel werden wir vielleicht schon 2030 reißen.

Woran liegt das?

Es fehlt der politische Wille, die Erderwärmung zu begrenzen. Große Ziele werden gesetzt, aber kaum jemand handelt danach. Wir sehen: Die Erwärmung schreitet immer schneller voran, die Auswirkungen werden dramatischer. Hinzu kommt, dass die Klimaziele der EU jetzt nochmal verhandelt werden. Wir wissen demnach noch gar nicht, was am Ende konkret passieren oder umgesetzt wird. Der Ausstoß von Treibhausgasen darf eigentlich nicht mehr steigen, sondern müsste ganz schnell sinken – weltweit.

China produziert ein Viertel der Treibhausgase weltweit. Bringen die Pläne der EU überhaupt etwas, wenn China nicht mitzieht?

Das muss man differenziert sehen. Zum einen haben die Industrieländer schon seit vielen Jahrzehnten Treibhausgase ausgestoßen. Hier gibt es eine historische Verantwortung – was unsere Großeltern in die Luft geblasen haben, ist alles noch da oben. Daher kann man den Chinesen, die heute der größte Verursacher von CO₂ sind, nicht den Vorwurf machen, dass sie das Problem hervorgerufen hätten. Das haben sie nicht. Die Hauptverantwortung liegt bei den Industrieländern, deshalb müssen sie vorangehen.

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Braucht es dafür Verbote? Also das, was man den Grünen immer vorwirft? 

Gegen Verbote ist per se nichts zu sagen. Wenn ich Ihr Auto kaputt mache, muss ich dafür haften. Dasselbe sollte für die Umwelt gelten. Es gibt verschiedene Möglichkeiten – wie das geplante Verbot des Verbrennungsmotors oder der Kohleausstieg. Die Politiker haben erkannt, dass es ohne Verbote gar nicht mehr gehen kann.

Kann jeder von uns etwas zur Verbesserung beitragen – oder ist das letztendlich unerheblich?

Das ist es ganz und gar nicht. Jeder kann Energie sparen, in der einen oder anderen Weise. Was mich auch wahnsinnig macht, ist, dass so viel Essen weggeschmissen wird. Das verbraucht jede Menge Energie, Wasser und Rohstoffe. In Deutschland landen 30 Prozent aller produzierten Lebensmittel nicht auf dem Teller. Das ist nicht nur schädlich für die Umwelt, weil wir Energie, Rohstoffe, Land verbrauchen, es ist einfach dumm.

Haben Sie noch Hoffnung auf Besserung?

Jeder muss begreifen, dass man das Problem nicht aussitzen kann. Die Staaten müssen gemeinsam handeln, Maßnahmen beschließen und umsetzen. Es ist als globales Problem nur gemeinsam lösbar. National kann man das Klima nicht schützen – selbst, wenn wir in Deutschland keine Treibhausgase ausstoßen, würde sich unser Klima trotzdem ändern, wenn der Rest der Welt es weiter tut. Das darf aber keine Ausrede sein, nichts zu tun. Wir in Deutschland können sogar noch sehr viel mehr machen. Weltweit ist der Ausstoß von CO₂ seit 1990 um 60 Prozent gestiegen, in Deutschland im gleichen Zeitraum um 40 Prozent gesunken. Das zeigt doch, dass Klimaschutz den Wohlstand nicht gefährdet. Es ist ja nicht so, dass Deutschland das Armenhaus der Welt ist.

Was kann getan werden?

Die Subventionen für die konventionelle Energie zum Beispiel müssen wegfallen, dann wären die erneuerbaren Energien schon mal konkurrenzlos billig.

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Klimaschutz und Wohlstand gehen demnach zusammen?

Das Problem liegt eher bei denen, die zu lange warten. Nehmen wir die deutsche Automobilindustrie: Mittlerweile hat man dort verstanden und gibt Gas bei der E-Mobilität. Ansonsten wären sie schnell weg vom Fenster – dann verlöre Deutschland die gesamte Automobilindustrie. Die Entwicklung wird hin zu den erneuerbaren Energien gehen, zu den alternativen Antrieben, zu ganz neuen Verkehrssystemen. Wer da schläft, wird seinen Wohlstand nicht halten können. Das sagte auch Joe Biden beim Online-Klimagipfel: Klimaschutz ist kein Selbstzweck, sondern schafft viele gut bezahlte Jobs.

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