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  • Foto: imago images/Pixsell

Infektionszahlen explodieren: Darum wird der Balkan gerade zum neuen Corona-Hotspot

Zagreb –

Noch im Juni warb Kroatien offensiv um europäische Touristen. Nach dem Motto: Kommt her, unsere Strände sind coronasicher! Der Balkan schien von der Pandemie verschont zu bleiben. Jetzt aber steigen die Zahlen der Neuinfektionen rapide – in allen Ländern des ehemaligen Jugoslawien. Was sind mögliche Gründe dafür?

Die Corona-Lage ist ernst in Südosteuropa: Die österreichische Regierung unter Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat kürzlich sogar eine Reisewarnung für sechs Länder des benachbarten Balkans ausgesprochen, und zwar der höchsten Stufe!

Heißt: Österreichische Bürger sollen nicht nur die betroffenen Länder Albanien, Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Montenegro, Nordmazedonien und Serbien meiden. Wer dort ist, soll diese Länder sofort verlassen und sich in zweiwöchige Quarantäne begeben. Auch Griechenland reagiert und schließt ab Montagmorgen seine Grenzen für Reisende aus Serbien.

Dabei sah es lange so aus, als kämen die Balkan-Staaten in Sachen Corona-Pandemie halbwegs glimpflich davon.

Steigerung der Neuinfektionen in Kroatien: 232 Prozent

In Serbien etwa blieb die Zahl der täglichen Neuinfektionen den gesamten Mai und Juni relativ konstant unter 100. Nun stiegen die Zahlen innerhalb einer Woche um 125 Prozent. Insgesamt sind nun fast 16.000 Menschen in Serbien von dem Virus betroffen.

Am dramatischsten ist die Steigerung jedoch in Kroatien: Im Vergleich zur Vorwoche erkrankten 232 Prozent mehr Menschen an Covid-19.

Im Gegensatz zu vielen anderen Ländern kann man im Falle der Balkan-Länder jedoch nicht wirklich von einer zweiten Welle sprechen. Im Gegenteil: Das Virus kommt jetzt erst so richtig dort an. Dafür aber umso heftiger. 

Balkan: Auf harten Lockdown folgten weitgehende Lockerungen

Wieso ist das so? Zunächst hatten so gut wie alle Balkanländer einen sehr strikten Lockdown beschlossen. Der Grund: Die überall recht schwachen Gesundheitssysteme. In Serbien etwa wurden sofort die Grenzen geschlossen, ebenso Schulen, Restaurants, Einkaufszentren. Menschen über 65 durften wochenlang ihre Wohnungen nicht verlassen, nachts galt eine Ausgangssperre, Soldaten patrouillierten mit Sturmgewehren. Auf ähnliche Weise konnten die Zahlen vielerorts auf dem Balkan über Monate niedrig gehalten werden.

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Im März patroullierten noch Soldaten auf Belgrads Straßen.

Foto:

imago images/Aleksandar Djorovic

Doch dann kamen überall umfassende Lockerungen. Zum einen, weil sich die Regierungen dem Willen der Bevölkerung und der Wirtschaft beugten, die von den Maßnahmen arg gebeutelt waren. Ein weiterer Grund: Wahlen in verschiedenen Ländern.

In Serbien fanden die am 21. Juni statt. Manche politische Beobachter hatten sogar gemutmaßt, dass auch die ursprünglich niedrigen Zahlen dort geschönt worden waren, um sich nicht der Wut der Wähler auszusetzen. Auch in Nordmazedonien folgen Wahlen am 15. Juli. Weitere Corona-Restriktionen hätten die dortige Regierung wohl zu viele Stimmen gekostet.

20.000 Menschen beim Belgrader Fußballderby

Jetzt aber schlägt das Pendel allerorten in die andere Richtung. Die Zahlen steigen dramatisch. Kein Wunder, sieht man sich das öffentliche Leben an. In Nordmazedonien: volle Straßen und Restaurants. Die Strände in Kroatien füllen sich langsam, aber sicher, nachdem sie wochenlang verwaist blieben. Auch deutsche Touristen kommen gerne.

In Serbien fand kürzlich das berühmte Belgrader Fußballderby zwischen Roter Stern und Partizan vor 20.000 Zuschauern statt. Abstand? Keine Spur. Volle Ränge und dichtes Gedränge auch bei der Adria-Tour im Tennis, auf der sich auch der serbische Superstar Novak Djokovic ansteckte.

Experten fordern strengere Maßnahmen zur Corona-Eindämmung

Mediziner und Virologen in den Balkanländern warnen nun vor einem Kollaps des Gesundheitssystems, fordern striktere Maßnahmen. Das Problem: Die Volkswirtschaften des Balkans würden die schwer verkraften.

Montenegro allerdings nahm die Experten-Warnungen ernst: Das Land führte am Freitag wieder strengere Maßnahmen gegen das Coronavirus ein. Und das, nachdem die Regierung am 2. Juni die Pandemie in Montenegro bereits für beendet erklärt hatte.

Und was ist mit dem Kroatien-Urlaub der Deutschen? Die Bundesregierung hat zwar keine offizielle Reisewarnung der höchsten Stufe ausgesprochen wie die österreichischen Nachbarn. Dennoch gibt das Auswärtige Amt Warnhinweise für die gesamte Balkanregion wegen der steigenden Zahlen vor Ort. (km)

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