Polizeibeamte stehen an einer Absperrung an der Kreisstraße 22 rund einen Kilometer von dem Tatort, an dem zwei Polizeibeamte durch Schüsse getötet wurden.
  • Polizeibeamte stehen an einer Absperrung an der Kreisstraße 22 rund einen Kilometer von dem Tatort, an dem zwei Polizeibeamte durch Schüsse getötet wurden.
  • Foto: picture alliance/dpa/Sebastian Gollnow

Getötete Polizisten in Rheinland-Pfalz: Offenbar schoss nur einer der beiden Täter

Der Fall erschütterte Deutschland: Im Februar wurden zwei Polizist:innen in Rheinland-Pfalz auf einer Streifenfahrt erschossen. Die bisher mutmaßlichen Täter: zwei Männer, die offenbar Angst davor hatten, dass ihre illegale Wilderei auffliegt. Die Ermittler haben nun Details zum Tathergang mitgeteilt – und: Die Staatsanwaltschaft ist sicher, dass nur einer der beiden Tatverdächtigen die tödlichen Schüsse abgefeuert habe.

Das teilte die Justizbehörde am Dienstag in Kaiserslautern mit. Der Tatverdacht der gewerbsmäßigen Jagdwilderei zur Nachtzeit bestehe jedoch weiterhin gegen beide Männer, also auch gegen einen 32-Jährigen. Ihm wird jetzt auch Strafvereitelung vorgeworfen. Dass er weiterhin in Haft sei, nannte sein Anwalt „einen Skandal“.

Die Ermittler hatten es nach eigener Darstellung zunächst für unmöglich gehalten, dass „bei dem dynamischen“ Geschehen ein Mann allein fünf Schüsse aus zwei verschiedenen Waffen habe abgegeben können – zumal drei der Schüsse aus einem Gewehr abgefeuert wurden, das nach jedem Schuss auseinandergeklappt und neu geladen werden müsse. Und dies, während der Polizeibeamte selbst zugleich auch mindestens 14 Mal geschossen habe.

Rheinland-Pfalz: Polizisten bei Streifenfahrt erschossen

Die Ermittlungsergebnisse hätten diese Annahme jedoch widerlegt: Der 38 Jahre alte Hauptverdächtige war demnach „ein sehr guter Schütze“. Er habe Schießerfahrung gehabt, auch mit einem Jagdgewehr (Einlader), und daher sehr schnell nachladen können. Der Mann habe eine Erlaubnis zum Besitz von Schusswaffen sowie einen Jagdschein schon gehabt, seit er 16 Jahre alt war (1999). Dieser Schein sei nach einer Unterbrechung (2008 bis 2012) im März 2020 ausgelaufen und nicht verlängert worden. Der Mann macht von seinem Schweigerecht Gebrauch.

Der 32-Jährige sei hingegen kein geübter Schütze gewesen. Er habe auch nie eine Erlaubnis zum Besitz von Schusswaffen oder einen Jagdschein gehabt. Die beiden Tatwaffen sind den kriminaltechnischen Untersuchungen zufolge eine doppelläufige Schrotflinte und ein Jagdgewehr Winchester Bergara 308. Beide seien bei der Festnahme der beiden Männer im saarländischen Sulzbach sichergestellt worden.

An beiden Waffen seien nur Finger- und DNA-Spuren des 38-Jährigen festgestellt worden. Die technisch langwierigen Untersuchungen auf Schmauchspuren seien zwar noch nicht abgeschlossen. Allerdings seien davon auch keine Ergebnisse „mit entscheidender Aussagekraft“ zu erwarten, weil beide Männer in der Nähe der abgegebenen Schüsse gewesen seien.

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In einer Vernehmung am Tatort habe der 32-Jährige seine Angaben wiederholt, zwar bei der Jagd in der Tatnacht und am Tatort dabei gewesen zu sein, selbst aber nicht geschossen zu haben. Diese Aussagen habe er mit zahlreichen Einzelheiten über den Verlauf ergänzt. So sollen die beiden Männer ein gerade erlegtes Wildschwein abtransportiert haben, als die Polizisten anhielten.

Mutmaßliche Täter wollten illegale Wilderei vertuschen

Wie der 38-Jährige in den Besitz der beiden Tatwaffen kam, ist noch nicht geklärt. Er hatte keine waffenrechtliche Erlaubnis zum Besitz von Schusswaffen mehr. Die Waffen sind auf der Besitzkarte einer anderen, berechtigten Person eingetragen. Einzelheiten dazu nannten die Ermittler nicht.

Der Kastenwagen, mit dem die beiden Beschuldigten unterwegs waren, war den Ermittlungen zufolge im Sommer 2021 für den Transport größerer Wildmengen umgebaut worden. 22 geschossenen Rehe und Hirsche hatten die Ermittler darin sichergestellt.

Der 38-Jährige habe nach Aussage des jüngeren Beschuldigten in der Tatnacht von dem stehenden Auto aus mit Hilfe eines Nachtsichtgeräts das Wildschwein geschossen. Der 32-Jährige sei mit einer Wärmebildkamera auf das an die Straße angrenzende Feld gegangen, um das geschossene Tier zu holen. Genau zu diesem Zeitpunkt seien die Polizeistreife eingetroffen.

Der 32-Jährige sei zurück zum Kastenwagen gegangen. Der Polizeibeamte habe am Streifenwagen gefunkt, der 38-Jährige sei mit einer an die Polizeibeamtin gerichteten Bemerkung zu seinem Wagen gegangen, er wolle die verlangten Dokumente holen. Als kurz darauf die ersten Schüsse fielen, habe der 32-Jährige Deckung im Straßengraben gesucht.

Erschossene Polizist:innen: Schutzwesten konnten nichts ausrichten

Die 24 Jahre alte Polizeibeamtin wurde von einem Schuss aus der doppelläufigen Schrotflinte tödlich getroffen. Ihr 29 Jahre alter Kollege wurde von einem Schrotschuss verletzt. Tödlich seien drei weitere Schüsse aus dem Jagdgewehr gewesen, berichtete die Staatsanwaltschaft. Beide Polizeibeamte trugen zwar Schutzwesten. „Die Schüsse trafen jedoch so, dass die Schutzwesten nichts ausrichten konnten.“

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Es gebe keinen Haftgrund mehr für seinen 32 Jahre alten Mandanten, da die Straferwartung bei den Vorwürfen „gegen null“ gehe, sagte sein Anwalt Christian Kessler in Saarbrücken. Zudem habe der Beschuldigte bei den Ermittlungen „Aufklärungshilfe“ geleistet, die aber „nicht ansatzweise realistisch“ bewertet worden sei. „Hier wird die gesetzliche Wertung der „Kronzeugenregelung“ ad absurdum geführt.“ (dpa)

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