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Harald Mayer Sterbehilfe
  • Harald Mayer vor Gericht Ende Oktober.
  • Foto: picture alliance/dpa

Gerechtfertigtes Urteil? Schwerkranken wird Suizid-Medikament verwehrt

In Deutschland hat eigentlich jeder Mensch das Recht, frei über seinen Tod zu entscheiden. Für zwei schwerkranke Kläger dürfte es sich jedoch gerade nicht so anfühlen. Das Bundesverwaltungsgericht hat am Dienstag ein Grundsatzurteil zu einem hochemotionalen Thema gesprochen – und den beiden Sterbewilligen den Kauf eines Medikaments zum Suizid untersagt.

Seit 26 Jahren leidet Harald Mayer an Multipler Sklerose (MS), der unberechenbaren Nerven-Krankheit, die Muskeln schmerzen lässt und irgendwann meist zu einer vollständigen Lähmung führt. Beim ehemaligen Feuerwehrmann Mayer aus Rheinland-Pfalz ist MS bereits drastisch fortgeschritten. Der Körper des 52-Jährigen ist fast vollständig gelähmt, ihn quälen Spastiken und Krämpfe und er braucht rund um die Uhr Betreuung. Verständigen tut sich der Schwerkranke vor allem über einen Sprachcomputer. Ein Leben, das so verständlicherweise für Mayer nicht mehr lebenswert erscheint. Seit Jahren kämpft er für das Recht zu sterben. So wie er es will.

Schwerkranke scheitern vor Bundesverwaltungsgericht

Mit einem anderen schwer an Krebs erkrankten Mann aus Niedersachsen hatte er beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) die Erlaubnis verlangt, Natrium-Pentobarbital erwerben zu dürfen. Das tödliche Medikament ist ein Betäubungsmittel und wird beispielsweise auch für die Vollstreckung von Todesstrafen in den USA oder für das Einschläfern von Tieren genutzt. Mit einer tödlichen Dosis des Mittels wollten sich beide Männer zu Hause im Kreise ihrer Familien – und ohne Hilfe eines Arztes – selbst töten können. Beide Männer scheiterten jedoch nun am Dienstag vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig.

Begründung des Gerichts: Dass die Kläger keine Erlaubnis erhielten, Natrium-Pentobarbital erwerben zu können, greife zwar in ihr Recht auf selbstbestimmtes Sterben ein. In der Abwägung mit anderen Gemeinwohlbelangen sei das aber gerechtfertigt. Das Betäubungsmittelgesetz habe das legitime Ziel, Missbrauch zu verhindern. Zudem gebe es für Menschen, die ihr Leben beenden wollen, „andere zumutbare Möglichkeiten zur Verwirklichung ihres Sterbewunsches“ – etwa über Sterbehilfeorganisationen oder Ärzte, die zur Suizidhilfe bereit sind. Es können auch andere tödlich wirkende Medikamentencocktails eingesetzt werden.

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Der Anwalt der Kläger, Robert Roßbruch, reagierte enttäuscht auf das Urteil. „Das ist ein schwarzer Tag für die beiden Kläger und ein schwarzer Tag für alle suizidwilligen Menschen in Deutschland, die die Hoffnung hatten, sich mit Natrium-Pentobarbital suizidieren zu können, um ihr Leid zu beenden.“ Er kündigte an, sich voraussichtlich an das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe wenden zu wollen.

Hintergrund zu Sterbehilfe in Deutschland: Anfang 2020 entschied das Bundesverfassungsgericht, dass zum Recht auf selbstbestimmtes Leben auch das Recht auf selbstbestimmtes Sterben gehört. Mit dieser Entscheidung wurde damals das Verbot der organisierten Sterbehilfe in Deutschland gekippt. Allerdings wird seitdem um eine gesetzliche Regelung der Sterbehilfe gerungen – bisher ohne Erfolg. Betroffene und Pflegekräfte verharren in einer Grauzone.

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