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Masken tragen und wenn möglich zuhause bleiben: In Auckland gelten wieder strenge Regeln.
  • Masken tragen und wenn möglich zuhause bleiben: In Auckland gelten wieder strenge Regeln.
  • Foto: imago/Xinhua

Ein einziger Fall – und das ganze Land geht sofort in den Lockdown

Ein Corona-Fall. Ein einziger. Und sofort geht ein ganzes Land in den Lockdown. Was drastisch klingt, ist in Neuseeland Realität. Das Land hatte die Pandemie wie kein zweites in Nullkommanix unter Kontrolle – Corona galt als besiegt. Doch nun ist die Seuche zurück. Wie geht das bei immer noch abgeriegelten Grenzen? Und warum diese knallharte Reaktion?

Immer wieder betonte Premierministerin Jacinda Ardern, sie und ihre rund fünf Millionen Landsleute seien ein „Team“, vereint im Kampf gegen Corona. Und es funktionierte: Mit eiserner Disziplin, rigoroser Abschottung und drastischen Eindämmungsmaßnahmen hatte der Inselstaat die Pandemie noch im Frühjahr 2020 schnell unter Kontrolle: Während fast überall auf der Welt die Infektionszahlen explodierten, kehrte in Neuseeland schon bald das ganz normale Leben zurück. „Wir haben es geschafft“, riefen sich Nachbarn stolz zu, berichtete die „Süddeutsche“.

Um den hart erarbeiteten Erfolg nicht zu gefährden, blieb das Land in seiner strengen Isolation. Dennoch meldeten die Behörden hin und wieder einzelne Corona-Fälle – woraufhin die betroffenen Regionen sofort in einen kurzen, harten Lockdown geschickt wurden. Fast alle diese Fälle gingen auf Reiserückkehrer aus dem Ausland zurück, die meist sofort an der Grenze identifiziert, gestoppt und isoliert werden konnten.

Neuseeland: erster „Community Case“ seit sechs Monaten

Nun gibt es erneut ein Infektionscluster, und zwar in Auckland. Das Besondere: Dieses Mal handelt es sich nicht um eine importierte, sondern um eine lokal übertragene Infektion. Eine einzelne. Dennoch reagierte Premier Ardern sofort und schickte am Dienstag das ganze Land für drei Tage in einen Lockdown. In Auckland und Umgebung soll er sogar eine ganze Woche dauern.

Premierministerin Jacinda Ardern beschwört auf einer Pressekonferenz den Zusammenhalt in der Corona-Krise. picture alliance/dpa
Premierministerin Jacinda Ardern beschwört auf einer Pressekonferenz den Zusammenhalt in der Corona-Krise.
Premierministerin Jacinda Ardern beschwört auf einer Pressekonferenz den Zusammenhalt in der Corona-Krise.

„Wir haben die schrecklichen Folgen gesehen, wenn man zu lange zum Handeln braucht“, sagte Ardern über die strengen Maßnahmen. Ihre Landsleute dürfen nun nämlich nur noch in Ausnahmefällen das Haus verlassen, etwa zur medizinischen Versorgung oder um im Supermarkt einzukaufen. Schulen und viele Geschäfte bleiben komplett geschlossen. Für alle ab zwölf gilt eine Maskenpflicht.

Sechs Monate lang hatte es einen solchen „Community Case“ nicht gegeben, also einen Covid-Fall, der nicht direkt in Verbindung mit einer Auslandsreise steht. Nach Informationen der Regierung hängt er mit dem Ausbruch im australischen Bundesstaat New South Wales zusammen. Es gelte nun herauszufinden, wie und wann das Virus – die Delta-Variante – nach Neuseeland gekommen sei, sagte Ardern. „Wir wissen, dass Delta ein gefährlicher Feind ist“, aber Neuseeland sei schließlich erfahren in Sachen Pandemie-Bekämpfung: „Diese Maßnahmen haben schon einmal funktioniert und werden wieder funktionieren“, so Ardern.

Deshalb geht das ganze Land sofort in den Lockdown

Aber warum direkt ein landesweiter Lockdown? Zum einen wegen der betroffenen Person: Dabei handelt es sich um einen 58 Jahre alten Mann aus einem Vorort von Auckland. Bei wem er sich angesteckt hat, ist bislang völlig unklar. Sicher aber ist: Er habe sich laut Behördenangaben kurz vor und während der wahrscheinlichen Infektion an 23 verschiedenen Orten in Neuseeland aufgehalten. Mit Folgen: Bis gestern wurden neun weitere Menschen infiziert, die nach einer Genomsequenzierung dem gleichen Infektionscluster zugeordnet werden konnten.

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Der Epidemiologe Michael Baker verglich die Situation im britischen „Guardian“ mit einem Eisberg: „Man sieht die Spitze, aber man weiß noch nicht, wie groß die Basis ist. Unter diesen Umständen haben Sie keine andere Wahl, als sich in einen sehr schnellen, intensiven Lockdown zu begeben.“

Die Impfquote in Neuseeland ist niedrig

In der Tat hat Neuseeland derzeit – im Gegensatz zu anderen Ländern – kein anderes Mittel, um Corona zu bekämpfen als strenge Eindämmungsmaßnahmen. Die Impfquote ist extrem niedrig: Gerade mal 30 Prozent der Kiwis hat bislang mindestens einen Piks bekommen, nur gut 17 Prozent sind vollständig immunisiert. Das Land ist weit davon entfernt, Herdenimmunität zu erreichen. Auch der infizierte 58-Jährige war nicht geimpft, berichtet die „Süddeutsche“.

Fraglich ist, ob Ardern in absehbarer Zeit überhaupt von ihrer strikten Null-Infektion-Strategie abrückt – auch wenn die Impfquote steigt. „Wenn wir unseren Ansatz zu früh aufgeben, können wir nicht mehr zurück“, sagte sie.

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Epidemiologe Baker verwies in diesem Zusammenhang auf einen aktuellen Übertragungsfall in einem Quarantäne-Hotel in Auckland, bei dem die Delta-Mutante von einer infizierten Person in einem Zimmer auf drei Personen auf der anderen Seite des Flurs übertragen wurde – wobei die Türen laut Baker nur drei bis fünf Sekunden geöffnet waren. „Jeder in Auckland sollte jetzt in allen Innenräumen, in denen er mit anderen Menschen zusammen ist, sofort Masken tragen“, empfahl der Experte.

Auch Reise-Korridor nach Australien ist jetzt wieder zu

Tatsächlich kennen das die Kiwis gar nicht mehr: Schon vor Monaten waren solche Maßnahmen abgeschafft worden. Übrig blieb lediglich die strikte Isolation: Der Inselstaat im Südpazifik hatte sich im März 2020 weitgehend von der Außenwelt abgeschottet. Nur noch neuseeländische Staatsbürger und Menschen mit Wohnsitz im Land durften einreisen.

Im April hatte die Regierung einen Reisekorridor mit dem Nachbarland Australien eröffnet, der aber Ende Juli wegen einer Corona-Welle in Down Under wieder geschlossen wurde.

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