• Eine mit dem Coronavirus infizierte Zelle.
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Corona: Wie „Fluchtmutanten“ den Impfschutz umgehen können

Sars-CoV-2 hat nach dem ursprünglichen Wildtyp bereits mehrere Mutanten hervorgebracht. Wie andere Viren auch passt das Coronavirus sich an. Expert:innen sind sich sicher: Das wird auch weiter passieren. Einige fürchten nun aber, dass es verstärkt zu „Fluchtmutanten“ kommen könne, die den Impfschutz umgehen. Genaue Vorhersagen aber seien schwierig.

Der US-Chefvirologe Anthony Fauci warnte beim Sender NBC: „Wenn Sie dem Virus erlauben, frei zu zirkulieren, und nicht versuchen, es zu stoppen, dann gibt es früher oder später die Wahrscheinlichkeit, dass Sie eine andere Variante bekommen (…), die noch problematischer sein könnte als Delta.“ Die zum ersten Mal in Indien entdeckte Variante ist deutlich ansteckender als die ursprüngliche Virusform. Mutmaßlich führt sie auch zu schwereren Krankheitsverläufen. Aber: Die Impfstoffe wirken zwar etwas schwächer gegen Delta, doch nicht in erheblichem Maße.

Beta und Gamma sind bereits „Escape-Varianten“

Anders sieht es bei Fluchtmutanten wie etwa Beta oder Gamma aus. Erste Untersuchungen mithilfe von Antikörpern aus dem Blutplasma genesener und geimpfter Menschen zeigen: Bei diesen Stoffen sinkt der Impfschutz deutlich stärker als bei der Delta-Variante. Die Antikörper können deren Viren deutlich schlechter neutralisieren. „Kein Zweifel: In Südafrika handelt es sich um eine Fluchtmutante“, resümierte im Februar der Impfstoffexperte Leif Erik Sander von der Berliner Charité im „Spiegel“.

Unser bisheriger Vorteil: Die Beta- und die Gamma-Variante haben keine erhöhte Ansteckungsquote. Die zuerst in Südafrika entdeckte Beta-Mutante ist bislang nur für rund ein Prozent der hiesigen Infektionen verantwortlich. Aber der britische Experte Paul Hunter von der Universität East Anglia warnte jüngst bei einer Expertenanhörung in London: Unausweichlich sei es, „dass wir weitere Escape-Varianten bekommen werden“.

30.000 Bausteine – viele Möglichkeiten für Mutationen

„Das Erbgut von Sars-CoV-2 hat 30.000 Bausteine. Jeder einzelne davon kann sich verändern und tut das auch“, sagte der Virologe Andreas Bergthaler vom CeMM Forschungsinstitut für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien dem „Spiegel“. So wie Viren das eben tun. „Auch die Varianten verändern sich weiter“, so Bergthaler. Das könne man etwa sehen, wenn man Erbgutsequenzen heutiger Alpha-Varianten-Proben mit Proben aus dem Dezember oder März vergleicht.

Bergthaler weist darauf hin, dass die bisherigen Varianten alle vor den großen Impfkampagnen entstanden seien. „Es ist eine Mutmaßung“, so der Virologe, „aber naheliegend, dass jetzt stärkere Immun-Escape-Varianten entstehen werden.“ Denn: Erst bei erhöhtem „Impfdruck“ lohnt es sich für das Virus überhaupt, sich neue Wege zu überlegen, Antikörper zu umgehen.

Komplette Impf-Resistenz: unwahrscheinlich

Eine Studien von US-Expert:innen stimmt zumindest etwas hoffnungsfroh: Sie haben herausgefunden, dass ganze 20 Mutationen im „Spike-Protein“ des Coronavirus notwendig sind, um eine zumindest fast vollständige Resistenz gegen die Antikörper hervorzurufen. Heißt: eher unwahrscheinlich. Die Gruppe spricht von einer „hohen genetischen Barriere“.

Zudem sind Antikörper ja nicht der einzige Schutz des menschlichen Körpers, auch T-Zellen greifen eindringende Viren an. Virologe Bergthaler zeigt sich im „Spiegel“ vorsichtig zuversichtlich, dass zumindest keine Varianten entstehen, die den Impfschutz komplett umgehen. Aber: „Ich denke, das Virus hat noch Spielraum“, so Bergthaler. Zumal nicht nur die „Spike-Proteine“ sich verändern könnten, sondern auch 29 weitere Proteine, die das Coronavirus beinhalte.

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Das einzige, was helfe: mehr Tempo beim Impfen. Und zwar weltweit. „Es ist sträflich, dass wir die ärmeren Länder nicht besser beim Impfen unterstützen“, so Bergthaler. „Nicht nur aus humanitärer Sicht, sondern auch mit Blick auf weitere Virusvarianten. Denn je weniger das Virus zirkuliert, desto weniger Chancen auf Mutationen hat Sars-CoV-2.“

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