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  • Foto: picture alliance/dpa

Clement (29) floh vor dem Tod: Jetzt erlebt er die Hölle in Moria

Vor wenigen Tagen erst besuchte NRW-Ministerpräsident Armin Laschet das umstrittene Flüchtlingslager auf der griechischen Insel Lesbos. Die Zustände dort sind fürchterlich, die Lage angespannt. Die MOPO konnte mit einem der dort lebenden Menschen sprechen: Clement (29) aus Nigeria. Er möchte nicht erkannt werden, weshalb wir bewusst kein Foto zeigen. Seine Schilderungen sind bedrückend.

Warum sind Sie nach Europa geflohen? Haben Sie sich alleine auf die gefährliche Reise gemacht?

Clement: Ich bin nach Europa geflohen, weil mein Leben in Gefahr war – und ja, ich habe die Reise alleine gemacht. Ich lebte im Süden von Nigeria in Agbor und war dort der Anführer meiner Community. Es kamen immer wieder bewaffnete Männer aus dem Norden, die uns unser Land wegnehmen wollten und uns bedrohten. Mein Vater wurde umgebracht, genau wie ein weiteres Familienmitglied. Sie drohten, dass mir dasselbe passieren wird. Ich bin dann mit dem Flugzeug von Nigeria in die Türkei geflogen und dann mit dem Boot weiter.

Und wohin wollten Sie fliehen, welches Land wollten Sie erreichen?

Mein Ziel war eines der Länder in West-Europa, vielleicht Deutschland oder Spanien – oder auch das Vereinte Königreich.

Doch dann strandeten Sie in Moria… 

In der Türkei gab es keine Jobs, dafür aber Diskriminierung. Sie wollten uns dort nicht. Mit dem Boot ging es nach Lesbos und von dort in einem Transport nach Moria. Ich habe dann erstmal 90 Tage im Gefängnis in Moria verbracht.

Sie kamen ins Gefängnis? Warum?

Ja, zusammen mit den anderen, die mit mir ankamen. Ich weiß nicht, es war so. Nun bin ich seit elf Monaten im Camp.

Wie muss man sich die Lage vor Ort vorstellen? Man hört, es sei völlig überfüllt, die Bedingungen seien menschenunwürdig …

Ja, es ist völlig überfüllt! Ich wohne in einem Zelt mit ungefähr 18 anderen Flüchtlingen, doch das Zelt ist sehr, sehr klein. Hier sind unglaublich viele Menschen zusammengepfercht. Es ist furchtbar.

Auf Fotos sind immer wieder die enormen Müllberge, der Schmutz, zu sehen. Wie sind die hygienischen Bedingungen vor Ort? Gibt es überhaupt die Möglichkeit sich zu waschen?

Es gibt eine Toilette und einen Waschraum, aber es ist alles schmutzig und heruntergekommen. Und überall sind extrem lange Schlangen.

Was passiert denn, wenn jemand krank ist? Gibt es Hilfe?

Es gibt zwar eine medizinische Versorgung, aber sie reicht nicht. Hier sind 20.000 Menschen – es gibt einfach zu wenige Ärzte für alle hier.

Es mangelt also an allem. Auch an Lebensmitteln? 

Ja, es reicht nichts für die 20.000 Menschen, die hier leben. Es gibt zwar verschiedene Mahlzeiten, aber nicht immer bekommt man etwas. Manchmal bekommt man nichts zu essen, manchmal ist es einfach nicht genug.

Nach ihrer Flucht vor der Gewalt in Ihrer Heimat: Fühlen sie sich in Moria wenigstens halbwegs sicher? Oder ist es gefährlich in dem Camp?

Es ist sehr, sehr gefährlich hier. Hier sind sehr viele böse Menschen. Vor allem für Schwarze ist es schwer, da wir in der Minderheit sind. Als schwarzer Mann durch das Camp zu laufen ist sehr riskant.

Haben Sie Gewalt in Moria erlebt?

Ich habe extrem viel Gewalt erlebt. Sowohl in meiner Heimat, als auch in Moria. Wie bereits gesagt, hatten wir zu Hause Probleme mit dem Norden. Bewaffnete kamen immer wieder, um unsere Farmen zu zerstören.

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Das Leben im Flüchtlingscamp in Moria ist hart. Clement berichtet im Gespräch mit der MOPO von gefährlichen Nächten und extremer Gewalt. 

Foto:

picture alliance/dpa

Wir haben versucht sie wieder aus unserer Community zu vertreiben. Sie kidnappten Menschen, raubten uns aus, brachten mit ihren Waffen unsere Leute um. Diese Männer haben politische Macht, sie werden gedeckt. Nachdem sie meinen Vater umbrachten, drohten sie auch mir mit dem Tod. 

Und in Moria?

Im Camp ist das Problem, dass es hier sehr viele verschiedene Nationalitäten gibt. Das führt zu enormen Spannungen. Es gibt Gruppen, die versuchen, uns nachts auszurauben, zu überfallen. Seit ich im September 2019 ins Camp kam, wurden sechs schwarze Männer umgebracht.

Sechs Männer wurden umgebracht?

Ja! Wir Afrikaner sind immer das Ziel.

„Lieber tot als in Moria“ heißt es oft – sehen Sie das genauso?

Die Situation hier ist der Horror. Aber nein, ich sehe das nicht so, dass ich lieber tot wäre. Ich bin hierhergekommen, weil ich versucht habe dem Tod zu entkommen. Es ist nur sehr, sehr frustrierend hier festzusitzen – an diesem furchtbaren Ort.

Wo ist es schlimmer zu leben? Im Herkunftsland, auf der Flucht oder in Moria?

Ich habe zunächst friedlich in meiner Heimat gelebt. Doch ich musste gehen, weil ich Familie verloren habe und selbst in Lebensgefahr war. Das Problem hier im Camp ist die Diskriminierung von uns Schwarzen. Aber ich versuche dem Ärger aus dem Weg zu gehen. Ich gehe nachts nicht raus und versuche Streit zu vermeiden.

Was sind Ihre Wünsche und Hoffnungen?

Ich hoffe auf ein besseres Leben, ich hoffe einfach hier raus zu kommen…

Was erwarten Sie von der EU, was erwarten Sie von Deutschland?

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Ich erwarte, dass alles versucht wird, dieses Camp zu evakuieren. Wir leben hier ein schreckliches Leben. Und alles dauert so lange.

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