Demenz Alzheimer
  • Tückische und traurige Demenz: Wenn man immer mehr vergisst.
  • Foto: picture alliance / dpa | Jens Kalaene

Alarmierende Studie: Dreimal mehr Demenzfälle weltweit bis 2050 möglich

Rauchen, Fettleibigkeit, hoher Blutzucker und niedrige Bildung – das sind einige der Faktoren, die mit einem höheren Demenzrisiko einhergehen. Werden sie nicht verstärkt angegangen, drohen die weltweiten Demenzfälle immens zu steigen und könnten sich bis 2050 sogar fast verdreifachen, warnen Forscher:innen.

Zu der Einschätzung kam es in einer Gesundheitsstudie, die in der Fachzeitschrift „The Lancet Public Health“ veröffentlicht wurde. Ihr zufolge könnten 2050 rund 153 Millionen Menschen mit Demenz leben – gegenüber 57 Millionen im Jahr 2019. Zurückzuführen sei das vor allem auf Wachstum und Alterung der Bevölkerung.

Einen besonders hohen Anstieg erwarten die Wissenschaftler:innen unter anderem in Katar und den Vereinigten Arabischen Emiraten, während Japan die geringsten Zuwachsraten verzeichnen werde. Für Deutschland prognostizieren die Forscher:innen einen Zuwachs von 65 Prozent, was unter dem westeuropäischen Durchschnitt liegen würde.

WHO: Demenz ist die siebthäufigste Todesursache weltweit

Schon im vergangenen Jahr hatte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) davor gewarnt, dass die Zahl der Demenzkranken in den kommenden zehn Jahren global rasant zunehmen werde. Einer der Hauptgründe dafür sei die steigende Lebenserwartung: Mit dem Alter erhöht sich das Risiko für nichtübertragbare Krankheiten und damit auch für Demenz.

Dieser Oberbegriff beschreibt das Symptombild einer ganzen Reihe von meist fortschreitenden Krankheiten, welche die Leistungsfähigkeit des Gehirns beeinflussen – zu den häufigsten und bekanntesten gehört die Alzheimer-Demenz. Nach Angaben der WHO ist Demenz derzeit die siebthäufigste Todesursache weltweit und eine der Hauptursachen für Behinderungen und Pflegebedürftigkeit bei älteren Menschen.

Starten Sie bestens informiert in Ihren Tag: Der MOPO-Newswecker liefert Ihnen jeden Morgen um 7 Uhr die wichtigsten Meldungen des Tages aus Hamburg und dem Norden, vom HSV und dem FC St. Pauli direkt per Mail. Hier klicken und kostenlos abonnieren.

Umso alarmierender erscheinen nun die Vorhersagen, welche ein Team internationaler Wissenschaftler:innen für die regelmäßig erscheinende „Global Burden of Disease“-Studie modelliert hat. Konkret erstellten die Forscher:innen Schätzungen der Demenzprävalenz für 195 Länder und Territorien im Zeitraum von 2019 bis 2050 und bezogen dabei verschiedene Demenz-Risikofaktoren ein. Vor allem Bevölkerungswachstum und -alterung führten dazu, dass bis 2050 voraussichtlich 153 Millionen Menschen weltweit mit Demenz leben, was fast einer Verdreifachung der Fälle im Vergleich zu 2019 darstellt.

Demenz-Zuwachs in Deutschland unter Durchschnitt prognostiziert

Den größten Anstieg der Prävalenz prognostiziert die Studie für den östlichen Subsahara-Raum, wo die Zahl der Demenzkranken im Alter von 40 Jahren und älter um über 350 Prozent ansteigen werde. Mit einem besonders geringen Zuwachs wird in Japan (27 Prozent) gerechnet.

Für Westeuropa erwarten die Studienautoren einen Anstieg der Fälle um 74 Prozent, von fast acht Millionen 2019 auf knapp 14 Millionen 2050. Niedrigere Anstiegsraten seien hier für Griechenland (45 Prozent), Italien (56 Prozent), Finnland (58 Prozent) und Schweden (62 Prozent) zu erwarten, auch Deutschland liege mit 65 Prozent (von knapp 1,7 Millionen Erkrankten 2019 auf knapp 2,8 Millionen 2050) noch unter dem prognostizierten durchschnittlichen Zuwachs Westeuropas. Überdurchschnittlich hoch werde dieser unter anderem in Zypern (175 Prozent), Andorra (172 Prozent) und Irland (164 Prozent) ausfallen.

Demenz: Risikofaktoren mit Prävention vorbeugen

Mit Blick auf die Auswirkungen von vier Demenz-Risikofaktoren- Rauchen, Fettleibigkeit, hoher Blutzucker und niedrige Bildung – prognostizieren die Studienautor:innen, dass ein verbesserter Zugang zu Bildung für sechs Millionen weniger Demenzfälle sorgen könnte. Dem stünden allerdings knapp sieben Millionen mehr Fälle gegenüber, die mit den prognostizierten Raten für Fettleibigkeit, hohen Blutzucker und Rauchen zusammenhingen.

Umso wichtiger seien Präventionsmaßnahmen, welche den Einfluss dieser Risikofaktoren minimierten, betont Epidemiologin und Hauptautorin Emma Nichols vom Institute for Health Metrics and Evaluation (IHME) der Universität Washington. „Für die meisten Länder bedeutet dies die Ausweitung von lokal angepassten, kostengünstigen Programmen, die eine gesündere Ernährung, mehr Bewegung, die Aufgabe des Rauchens und einen besseren Zugang zu Bildung fördern.“

Tatsächlich hatte der im vergangenen Jahr veröffentlichte Bericht der „Lancet“-Kommission nahegelegt, dass bis zu 40 Prozent der Demenzfälle verhindert oder hinausgezögert werden könnten, wenn zwölf bekannte Risikofaktoren beseitigt würden. Neben den in der aktuellen Studie berücksichtigten gehörten Bluthochdruck, Hörminderung, Depression, Bewegungsmangel, Diabetes, soziale Isolation, übermäßiger Alkoholkonsum, Kopfverletzungen und Luftverschmutzung dazu.

Demenz-Studie: Mangel an qualitativ hochwertigen Daten

Die Wissenschaftler:innen räumen indes selbst ein, dass ihre Analyse durch einen Mangel an qualitativ hochwertigen Daten aus einigen Teilen der Welt beeinträchtigt werde und nur vier Demenz-Risikofaktoren berücksichtigt worden seien. Darüber hinaus untersuche die Studie die Gesamtprävalenz von Demenz, ohne zwischen verschiedenen klinischen Subtypen zu unterscheiden – eine Kritik, die auch Michaël Schwarzinger und Carole Dufouil vom Universitätskrankenhaus Bordeaux in einem unabhängigen Kommentar aufgreifen: Die zugrundeliegenden Mechanismen, welche eine Demenz verursachen, würden hier vereinfacht.

Das hier könnte Sie auch interessieren: Corona nicht unter den ersten drei: Vor diesen Krankheiten haben die Deutschen am meisten Angst

„Aus einer Public-Health-Perspektive sind die Ergebnisse der Studie generell enttäuschend, da sie suggerieren, dass der Anstieg der Demenzfälle unaufhaltsam ist“, schreiben die beiden Mediziner. So würden in den „apokalyptischen Prognose“» ratsame Änderungen des Lebensstils nicht mit einkalkuliert. Umso wichtiger sei es, über jene Mittel zu informieren, welche die „düsteren Prognosen“ verzögern oder vermeiden könnten. (alp/dpa)

Email
Share on facebook
Share on twitter
Share on whatsapp