Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und seine Sozialministerin Bärbel Bas (SPD) am Donnerstag in Berlin Foto: imago images

Einfach mal die Klappe halten – und an die Arbeit gehen!

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Es gibt Regierungen, die arbeiten leise und effizient – und lösen Probleme. Das sind erfolgreiche Regierungen, die wiedergewählt werden. Und dann gibt es diese Bundesregierung, die in einer Disziplin Weltklasse ist: im öffentlichen Streit. Kaum ein Tag vergeht ohne neue Giftpfeile zwischen SPD und Union, kaum eine Woche ohne Koalitionskrach, der genüsslich in Talkshows ausgetragen wird. Wer zuhört, fragt sich: Haben die noch ein gemeinsames Ziel? Wollen die unsere Probleme lösen – oder geht es nur um die nächste Schlagzeile? Ein Blick nach Hamburg würde der Bundesregierung jetzt helfen.

Der Fisch stinkt dabei vom Kopf: Wenn Friedrich Merz (CDU) postuliert, „wir leben seit Jahren über unsere Verhältnisse“ und „können uns diesen Sozialstaat nicht mehr leisten“, klingt das nach Kahlschlag und ist eine Provokation der SPD. Deren Chefin und Arbeitsministerin antwortet mit „Bullshit“, worauf sich Merz über den „inakzeptablen Sprachgebrauch“ erregt.

Alle versuchen, sich auf Kosten des Partners zu profilieren

Auf diesem Kindergartenniveau geht das seit Wochen. Von allen Seiten werden permanent Forderungen aufgestellt, von denen klar ist, dass der Koalitionspartner sie nicht erfüllen kann. Jeder Disput wird in die Öffentlichkeit getragen, jeder Konflikt in den sozialen Medien aufgeblasen. Alle versuchen, sich zu profilieren, auf Kosten des Partners.

Das wäre ja unterhaltsam – wenn die Lage nicht so ernst wäre. Der erhoffte Aufschwung kommt nicht in Fahrt, die Arbeitslosigkeit steigt, die Sozialausgaben wachsen schneller als die Wirtschaft, an den Grenzen von EU und NATO toben Kriege und Konflikte, Europa wirkt schwach und abgehängt, Zukunft wird woanders gemacht.

Schwarz-Rot ist innenpolitisch ein einziger Ausfall

Alle wissen: Um den Sozialstaat zu erhalten, die Wirtschaft wettbewerbsfähiger zu machen und die Staatsfinanzen zu stabilisieren, sind grundlegende Reformen notwendig, ob bei Bürgergeld, Rente, Gesundheit oder Erbschaftssteuer. Und weil der demografische Wandel unerbittlich voranschreitet (ein Drittel aller Arbeitskräfte wird bis 2039 in den Ruhestand gehen, vermeldete das Statistikamt zuletzt) und parallel eine massive Aufrüstung gegen ein aggressives Russland gestemmt werden muss, wird das alles noch deutlich schwieriger als die Hartz-Reformen unter Gerhard Schröder.

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Es wäre die historische Aufgabe einer Regierung der Mitte, die Probleme jetzt anzugehen – konzentriert, geschlossen, entschlossen. 3,5 Jahre Zeit hat sie, das ist eigentlich eine gute Ausgangslage. Doch nach nicht mal vier Monaten im Amt ist die Koalition, angetreten als „die letzte Patrone der Demokratie“ (Söder), innenpolitisch ein einziger Ausfall.

Schon jetzt zeigt sich das Ergebnis des Dauerstreits in Umfragen. AfD und Linke wachsen, die Mitte schrumpft. Wer das Vertrauen in die eigene Handlungsfähigkeit derart systematisch untergräbt, untergräbt am Ende eben auch die Glaubwürdigkeit des gesamten Systems.

Wohin das führt, sieht man bei einem Blick über den Rhein. Frankreich ist uns da zehn Jahre voraus. Dort wird die Mitte zwischen Rechts- und Linkspopulisten zerrieben, von den alten Volksparteien ist nichts mehr übrig, das Land unregierbar und eine Staatspleite nicht unwahrscheinlich geworden.

Union und SPD sollten sich Hamburg als Vorbild nehmen

Politik lebt von Ausgleich, von Kompromiss. Kompromisse aber entstehen nicht auf der Bühne, in öffentlich ausgetragenen Machtkämpfen mit Gewinnern und Verlierern. Sondern hinter verschlossenen Türen. So wie in Hamburg: Dort gelingt es Rot-Grün, Differenzen zwar offen zu benennen, sie dann aber intern zu verhandeln. Am Ende steht eine Linie, die beide Partner vertreten. Das schützt nicht nur das Gesicht des Partners, sondern stärkt das Vertrauen in die Handlungsfähigkeit der Regierung insgesamt. Wer dagegen den Koalitionspartner öffentlich bloßstellt, schwächt nicht nur ihn – sondern sich selbst.

Nach dem Koalitionsgipfel am Donnerstag loben Union und SPD Besserung. Ein neuer Ton, mutige Reformen, bessere Abstimmung. Das wird höchste Zeit. Eine Regierung im Dauerstreit nervt nicht nur. Sie ist gefährlich. Gefährlich für die Stabilität, gefährlich für das Vertrauen, gefährlich für die Demokratie selbst. Also, liebe Koalitionäre: Einfach mal die Klappe halten – und die Arbeit machen.

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